DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT6/2017 - page 50

Wenn man die Leistung der jetzigen Bun-
desregierung aus Sicht der Investoren und
damit auch der Finanzwirtschaft beurteilt,
dann ist zunächst die Vielzahl an Rege-
lungen und Gesetzen zu erwähnen, die in
den letzten Jahren erlassen worden sind.
Dabei geht es nicht darum, ob die einzelne
Regelung richtig oder falsch ist. Das Prob-
lem liegt vielmehr darin, dass eine solche
Vielzahl von Regelungen, die zum Teil auch
noch gegenläufige Effekte haben, für Investitionsunsicherheit sorgt.
Investoren brauchen Verlässlichkeit und Kontinuität. Das gilt besonders
für die Wohnungswirtschaft, bei der die Investitionen auf lange Zeit-
räume angelegt sind. Dafür ist eine entsprechend langfristige Kalkulati-
onsgrundlage erforderlich. Wenn Investoren aber das Gefühl haben, die
Halbwertzeit eines Gesetzes betrage zwölf Monate, dann ist das für sie
problematisch.
Übertüncht worden ist dieses Problem in den letzten Jahren durch das
niedrige Zinsniveau und die große Liquidität. Die Fülle an billigem Geld
ermöglicht es Investoren, auch solche politischen Forderungen zu erfüllen,
die unter Investitionsgesichtspunkten schwierig sind. In dem Augenblick,
in dem die Zinsen steigen, wird das ganz schnell in eine andere Richtung
gehen. Heute werden ja viele Investitionen getätigt, bei denen die Ren-
dite um die 3% liegt. Wenn eines Tages Bundesanleihen wieder 3% brin-
gen, werden sich viele Investoren überlegen, ob sie weiterhin den mit dem
Management einer Immobilie verbundenen Aufwand auf sich nehmen wol-
len oder nicht doch lieber einfach eine Bundesanleihe erwerben.
Ein zweiter Punkt ist aus Sicht einer finanzierenden Bank, wie das Miet-
recht geregelt ist. Bei unseren Finanzierungen wird geprüft, ob die Woh-
nung so am Markt platziert ist, dass sich dafür dauerhaft Mieter finden
lassen. Unser Haus finanziert keine Projekte, die mit übersteigerten
Erwartungshaltungen und spekulativen Mietansätzen operieren. Von der
Politik wünsche ich mir deshalb, dass sie für verlässliche Rahmenbedin-
gungen sorgt und darauf achtet, dass die Gesetze in einem ausgewogenen
Verhältnis stehen. Investoren muss es möglich sein, mit einer Wohnung
eine Rendite von 4 oder eher 5% zu erzielen. Das hat nichts mit Wucher
zu tun. Je höher aber die Investitionskosten sind, desto schwieriger wird
es, mit einem ordentlichen Mietniveau diese 5% zu erzielen.
Hinzu kommt, dass es immer mehr Regelungen für die Kreditvergabe gibt –
z.B. bezüglich der makroprudenziellen Steuerung. Damit ist gemeint, dass
die Bankenaufsicht eingreifen kann, wenn sie der Meinung ist, dass etwa
aufgrund eines andauernden Niedrigzinsumfelds bei gleichzeitig hoher
Liquidität eine ungesunde Entwicklung oder eine Blase auf dem Immobili-
enmarkt droht. Ich sehe darin die Gefahr, dass das in Verbindung mit allen
anderen Regelungen eine Abwärtsspirale in Gang setzen könnte. Hier muss
sehr genau abgewogen werden.
Thomas Ortmanns, Vorstandsmitglied, Aareal Bank AG, Wiesbaden
Investoren brauchen Verlässlichkeit und Kontinuität
Mit unserem Verbandsgebiet sind wir gewissermaßen ein kleines Abbild
der Bundesrepublik. Zu uns gehört mit Mecklenburg-Vorpommern ein
ostdeutscher Landesverband, mit Hamburg einer der vielleicht westdeut-
schesten Wohnungsmärkte und mit Schleswig-Holstein ein Wohnungs-
markt mit einer sehr heterogenen Struktur, der sowohl schrumpfende
Regionen wie Dithmarschen als auch boomende Regionen wie den
Speckgürtel von Hamburg umfasst. Ein Drittel der Schleswig-Holsteiner
wohnen am Hamburger Rand und fühlen sich als Hamburger. Nach Schles-
wig-Holstein gezogen sind sie nur, weil sie sich in Hamburg kein Eigentum
leisten konnten.
Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat angekündigt, in den
nächsten fünf Jahren 20.000 Wohnungen bauen zu wollen. Gleichzei-
tig sagt aber der Landesentwicklungsplan, dass die Einwohnerzahl von
Schleswig-Holstein nur noch in den nächsten fünf Jahren wachsen wird.
Danach werden erst eine Stagnation und dann eine Schrumpfung eintre-
ten. Wozu wir dann jetzt so viele neue Woh-
nungen brauchen, erschließt sich mir nicht.
Meine Sorge als Verbandsvertreter ist, ob
wir eigentlich die richtigen Wohnungen an
den richtigen Stellen bauen oder ob wir uns
in 20 Jahren darüber unterhalten müssen,
dass sie an den falschen Stellen entstanden
sind.
Im Fall von Hamburg berühren sich Landes-
und Bundespolitik. Der Erste Bürgermeister
Olaf Scholz ist ein Bundespolitiker, der genau weiß, dass er die Mieterstadt
Hamburg nur dann erfolgreich regieren kann, wenn er die Wohnungspoli-
tik an die erste Stelle setzt. Und das ist wichtig, weil Scholz großen bun-
despolitischen Einfluss hat. An Olaf Scholz führt in der Sozialdemokratie
bei der Wohnungspolitik kein Weg vorbei.
Andreas Breitner, Verbandsdirektor, Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e. V., Hamburg
Populismus darf nicht den Verstand fressen
Stadt und nicht nur der jeweiligen Nachbarschaften im Mittelpunkt ste-
hen. Gleichzeitig verzögern sie Bauprojekte oft um mindestens ein Jahr.
Es ist deshalb gut, auch weiterhin auf unsere bewährte parlamentarische
Demokratie zu setzen, bei der Entscheidungen durch die dazu gewählten
politischen Vertreter getroffen werden.
Für problematisch halte ich im Übrigen, dass der Mittelstand im Berliner
Koalitionsvertrag nicht vorkommt. Beim Neubau werden ausschließlich die
städtischen Gesellschaften in den Fokus gerückt, die das Angebotsproblem
in der stark wachsenden Stadt aber nicht alleine lösen können. Dazu brau-
chen wir auch die Genossenschaften und die privaten Projektentwickler.
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MARKT UND MANAGEMENT
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