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ziale Netzwerke oder Micro-Blogging-Dienste
sowie Videoplattformen.
Biel:
Können Sie unseren Leserinnen und Le-
sern diesen Aspekt aus einer praktischen Pers-
pektive vertiefen und verdeutlichen? Stecken
nicht im Zugriff auf Daten auch Dilemmata?
Seiter:
Sicher, eine Vielzahl von
Maschinen-
bauunternehmen
ist gegenwärtig bemüht,
die Nutzungsdaten ihrer Kunden als neue
Datenquelle zu erschließen
. Ein zentrales
Hemmnis ist die Bereitschaft der Kunden, die
Daten in umfassender Form zu übermitteln.
Allerdings verändert sich gegenwärtig die
Einstellung der Kunden: Wo bisher Geheim-
haltung absoluten Vorrang hatte, sehen nun
viele Kunden die Chance, durch (partielle) Of-
fenlegung der Daten von neuartigen Dienst-
leistungen, wie Predictive Maintenance, also
vorausschauender Wartung ohne vorab de-
terminierte Wartungsintervalle oder Beratun-
gen zur Einsatzoptimierung, zu profitieren.
Für das Maschinenbauunternehmen wieder-
um ist ein Mehr an Daten die Basis für umfas-
sendere Analysen. Anders ausgedrückt:
Durch die Offenlegung der Daten von immer
mehr Kunden des Maschinenbauunterneh-
mens vergrößert sich die Datenmenge, die
analysiert werden kann, und damit die Aussa-
gekraft der gewonnenen Erkenntnisse.
Biel:
Der Themenschwerpunkt der Ideenwerk-
statt des Internationalen Controller Vereins im
Jahr 2015 und 2016 lautete „Business Ana-
lytics | Der Weg zur datengetriebenen Unter-
Biel:
Bitte noch einmal zum Datenmanagement
und auch zur Datenqualität, die in der Euphorie
über neue technische Möglichkeiten manchmal
etwas unterzugehen droht.
Seiter:
Hier wird
das Thema Datenqualität
von zentraler Bedeutung
sein. Es existieren
zwar einige Verfahren die immun gegenüber ei-
nem gewissen Ausmaß an fehlerhaften Daten
sind, aber in der Regel gilt: Schlechte Daten
führen zu fehlerhaften Analysen. Und: Je größer
die verarbeitenden Datenbestände, desto kom-
plexer allein die Messung der Datenqualität –
eine Sichtprüfung ist eben nicht mehr möglich!
Biel:
Was treibt das Thema BA? Sind es die
neuen Dimensionen der Datenverfügbarkeit,
die vielfältigen Folgen und Potenziale der Digi-
talisierung oder mehr die wachsenden Anfor-
derungen an die Unternehmensführung und
damit auch an die Unternehmenssteuerung?
Seiter:
Die dominanten Treiber sind tatsäch-
lich die hohe
Datenverfügbarkeit
gepaart
mit der
kostengünstigen Verfügbarkeit von
Rechenleistung
, seien es eigene oder Cloud-
Lösungen. Besonders im Fokus stehen Kun-
dendaten, also Daten über Kundenbedürfnis-
se und Daten über das Kundenverhalten im
Umgang mit Produkten. Dies gilt im B2B-Kon-
text wie auch im Endkundengeschäft. Eine
neuartige Datenquelle hinsichtlich Kundenbe-
dürfnissen aufgrund der Digitalisierung des
Privatlebens sind Social Media. Im Kern stel-
len Social Media Kanäle dar, über die Nutzer
Informationen austauschen. Beispiele sind so-
ist, sich mit den Möglichkeiten der Digitalisie-
rung, zu denen auch Business Analytics gehört,
zu befassen. Vielmehr müssen jene Teile von
Business Analytics
in das tägliche Control-
lergeschäft einfließen
, die dort einen Mehr-
wert bieten.
Biel:
Wie kann es nun gelingen, vom Diskutie-
ren zum Tun, vom Überblick zum Konkreten zu
gelangen?
Seiter:
Ich sehe noch viel zu viele Weiterbil-
dungsformate, die dem Controller nur einen Blick
in die schöne neue Welt gewähren, ihn aber nicht
dazu befähigen, diese auch zu betreten. Meiner
Meinung nach
müssen wir nun in die Phase
eintreten, in der konkrete Business Ana-
lytics-Inhalte vermittelt werden
. Im Zentrum
stehen hier sicherlich verbesserte Analysewerk-
zeuge. Konkret sind dies Verfahren der Predicti-
ve Analytics, da diese für den Controller direkt
umsetzbare Verbesserungen mit sich bringen.
Konkret in der Form verbesserter Forecasts.
Biel:
Datenmanagement und Analysen sind
heute schon gängige Themen des Controllings
und auch der Controller-Praxis. Handelt es sich
bei BA um ein „fortgeschrittenes Analysever-
fahren“, sozusagen ein Analyseverfahren hö-
herer Stufe? Wie lässt sich der Unterschied
zur herkömmlichen betriebswirtschaftlichen
Analytik auf den Punkt bringen? Sehen Sie ei-
nen Quantensprung?
Seiter:
Es sind
komplexere Verfahren
, die
reichhaltigere Ergebnisse liefern auf Fragen,
die bislang nicht in der nun erreichbaren Qua-
lität lösbar waren.
Biel:
Angesichts der Komplexität unseres The-
mas wieder die Bitte um ein Beispiel zur Ver-
anschaulichung.
Seiter:
Ich gebe Ihnen gerne einige Beispiele:
Bislang durch einfache Fortschreibungen ge-
wonnene Forecasts werden
durch zutreffende
Forecasts ersetzt
. Bislang manuell erstellte
Kundengruppen können nun automatisch er-
stellt werden, und zwar ohne dass Merkmale
vorab von einem Experten vorgegeben werden.
Bislang unentdeckte Interdependenzen zwi-
schen Werttreibern können nun aufgedeckt und
für die Steuerung genutzt werden.
Autoren
Univ.-Prof. Dr. Mischa Seiter
ist Professor für Wertschöpfungs- und Netzwerkmanagement am
Institut für Technologie- und Prozessmanagement der Universität
Ulm und wissenschaftlicher Leiter des International Performance
Research Institute. In dieser Funktion verantwortet er den berufs-
begleitenden Ulmer Master-Studiengang „Business Analytics“.
E-Mail:
Fachjournalist (DFJS) Dipl.-BW Alfred Biel
ist Autor, Interviewer und Rezensent verschiedener Medien, mit
reichhaltiger Erfahrung aus verantwortlichen Konzern-Tätigkeiten
und Aufgaben in mittelständischen Unternehmen. Betriebswirt-
schaftliches und journalistisches Studium. Ehrenmitglied des
Deutschen Fachjournalisten Verbandes (DFJV) und des Interna-
tionalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
CM Mai / Juni 2018