Contoller Magazin 3/2018 - page 27

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Bestrafung, Identifikation oder Wissen handelt,
ist dabei zweitrangig. (Vgl. Abbildung 2)
Manchmal ist offensichtlich, warum keine In-
tervention erfolgt, so wenn der „Starverkäufer“
in einem wichtigen Markt unverzichtbar er-
scheint, manchmal kann der Controller die
Gründe nur vermuten, so wenn die Beteilig-
ten schon seit Jahrzehnten befreundet sind,
manchmal bleibt nur die Spekulation, ob der
Konfliktpartner die sprichwörtlichen Leichen im
Keller kennt; wie es auch sei, die Machtquelle
ist vorhanden, wirkungsvoll und intakt.
Solange sich das Controlling nicht mit dem
Phänomen „Macht“ auseinandersetzt, dieses
versteht und zielbewusst einsetzt, wird sich die
Situation nicht verbessern. Oft verschlechtert
sich die Situation, wenn der Konfliktpartner die
Wirksamkeit seiner Macht erfährt. Der Konflikt
eskaliert zusehends auf eine persönliche, öf-
fentliche Ebene, das Controlling wird vorge-
führt, mit den entsprechenden negativen Fol-
gen, fragen sich doch auch andere Betroffene,
warum sie Controlling-Vorgaben folgen sollten,
wo andere größere Freiheiten besitzen. Ent-
sprechend sollte das Controlling eine entspre-
chende Auseinandersetzung tunlichst gewin-
nen. Um dies zu gewährleisten, ist es notwen-
dig, sich mit dem Phänomen „Macht“ ausein-
anderzusetzen.
Macht als Dauerthema
Warum überhaupt Macht in einem Unterneh-
men diese bedeutende Rolle spielt, ist dem
rationalen Controller auf den ersten Blick
kaum ersichtlich. Zwar bestehen Konflikte,
welche bspw. bei der Verteilung der grund-
sätzlich knappen Mittel in jedem Unternehmen
zwangsläufig sind. Zur deren Lösung gibt es
jedoch die von Max Weber als „rationale“
Form der Herrschaft favorisierte Bürokratie,
welche innerhalb festgelegter Kompetenzen
und einer festen Hierarchie zu einer sachlich-
rationale Lösung führen soll.
In der Realität gibt es Hierarchien, sprich
Machtgefälle, auch dort, wo es nicht erforder-
lich sein mag. Dabei führen nicht Fähigkeiten
und Neigungen Einzelner automatisch zum
Machtgefälle. Hierarchien entstehen, weil der
Sieger eines Kampfes die Chance steigert, den
nächsten Kampf zu gewinnen. Biologisch ist
dies nachweisbar, wenn Fische der gleichen Art
beobachtet wurden und zu größeren oder klei-
neren Artgenossen zugeführt wurden. Nach
fünf Tagen wurden diese Fische wieder zusam-
mengeführt. Das Aggressionsverhalten hatte
sich deutlich geändert.
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Die Fische, welche mit
kleineren Artgenossen zusammen gewesen
waren, wurden deutlich aggressiver. Aggres-
sivität findet beim Menschen einen zuverlässi-
gen Indikator, den Testosterongehalt im Blut.
Testosteron macht weniger schmerzempfind-
lich, weniger ängstlich, letztlich hart und böse.
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Damit wird der Erfolg bei weiteren Kämpfen
wahrscheinlicher.
Solche Menschen finden sich in jedem Unter-
nehmen, der Produktionsleiter, der hervorra-
gende Kostenstrukturen schafft, der Entwick-
lungschef mit immer neuen Ideen, der Ver-
triebsleiter, der seinem Markt beindruckende
Gewinne erwirtschaftet, die die Konkurrenz
nicht vorweisen kann. Diese „Stars“ suchen
nicht selten bewusst Konflikte, nicht nur, aber
auch mit dem Controlling.
Die Macht des Controllings
Das Controlling verfügt primär über bürokrati-
sche Macht. Dies wird offensichtlich, wenn ein
neuer Mitarbeiter die Funktion bzw. Leitung
übernimmt. In entsprechenden internen Richt-
linien ist festgelegt, was das Controlling ent-
scheidet, wann die Zustimmung erforderlich
ist oder ein Vetorecht besteht, welche Informa-
tionen in welchem Detaillierungsgrad und zu
welchem Zeitpunkt das Controlling erhält.
Damit fallen allerdings die meisten der Macht-
quellen im Unternehmen aus, insbesondere das
direkte Weisungsrecht gegenüber den Mitar-
beitern. Verstößt ein Mitarbeiter schlicht gegen
Vorgaben des Controllings, bestehen keine un-
mittelbaren Sanktionsmöglichkeiten, bzw. kann
der Betreffende nicht angewiesen werden, eine
Handlung vorzunehmen bzw. zu unterlassen.
Dass das Controlling kein „zahnloser Tiger“ ist,
hängt mit den indirekten Sanktionsmöglichkei-
ten zusammen. Über die Unternehmensleitung
kann sehr wohl Fehlverhalten sanktioniert und
abgestellt werden. Dabei setzt das Controlling
als Machtquelle auf die Bürokratie. Dies ist auch
der Ausbildung und dem Arbeitsalltag geschul-
det. Wo immer möglich werden quantitative Ins-
trumente zur Beurteilung von Handlungsalterna-
tiven eingesetzt. Dann ist es schlicht logisch
festzustellen, welche Alternative die bessere ist.
Diskussionen, gar Streit, sind nicht vorgesehen.
Dann tritt ein Konfliktpartner mit charismati-
scher Macht auf. Dabei ist das Definitionsmerk-
mal der „außergewöhnlichen Fähigkeiten“ zu
relativieren. Wer sich als Mensch bei seinem
Ansprechpartner Respekt erworben hat, diesem
Wertschätzung vermittelt und seine Fragen und
Anregungen ernst nimmt, kann im Einzelfall
seinen Vorstellungen eher Gehör verschaffen,
als der scheinbar „aalglatte“ Bürokrat, der sich
hinter Paragraphen verschanzt.
Zwar gibt es nicht die beste oder wirkungsvollste
Machtquelle, aber eine allzu einseitige Konzen-
tration auf die legale Macht schafft ein unper-
Abb. 2: Machtquelle: Controlling und Gegenüber
CM Mai / Juni 2018
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