CONTROLLER Magazin 1/2017 - page 80

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sem Feld gewinnen können. Er war eine beein-
druckende Persönlichkeit und verstand sein
Handwerk. Trotzdem hatte er Schwierigkeiten,
die keiner vorher erwartete. Selbstverständlich
kannte er die wichtigsten Protagonisten im
Markt. Aber Gesprächstermine bekam er nicht
mehr so flott wie früher. Und wenn er vor-
sprach, blieb es meistens bei freundlichen,
aber unverbindlichen „Plaudereien“. Das hat
ihn anfangs total verunsichert. Bis er begriff: Es
lag nicht an ihm, sondern an seiner neuen Zu-
gehörigkeit zu einem „No Name“. Während
früher das Vertrauen zur starken Marke mit ihm
assoziiert wurde, musste er das nun von Grund
auf neu aufbauen.
Diese kleine Geschichte illustriert die enorme
Bedeutung, welche die Zugehörigkeit zu Ge-
meinschaften (Marken, Netzwerke, Verbände,
Genossenschaften …) für die Anbahnung und
Abwicklung von Geschäften hat. Auch das zählt
wieder zu den Binsenweisheiten, die im control-
lerischen „Rechen-Alltag“ oft verdrängt werden.
Zugehörigkeit ist eine Investition:
Eine Mar-
ke entsteht aus einem Logo erst durch intensive
verbindende Erlebnisse von Kunden, Mitarbei-
tern, Kooperationspartnern und Investoren; ein
Netzwerk lebt durch permanente gemeinsame
Aktivitäten ... Für die Zugehörigkeit zu Gemein-
schaften Ziele zu setzen und deren Umsetzung
zu planen und zu steuern, sollte deshalb ein in-
härenter Bestandteil jedes Controllings sein.
Zugehörigkeit beeinflusst zugleich in essenziel-
ler Weise die interne Umsetzung strategischer
Orientierungen in alltägliches Handeln.
Ein weiteres Beispiel: In meiner Zeit als ge-
schäftsführender Gesellschafter eines mittle-
ren Unternehmens habe ich mich vor wichti-
gen Entscheidungen mit einigen meiner Mitar-
beiter konsultiert. Ich musste zwar am Ende
die Entscheidungen selber treffen. Aber die
Ansichten der anderen waren mir wichtig. Da-
bei habe ich keinen Gedanken darauf „ver-
schwendet“, welche „Nebenwirkungen“ die
Auswahl für diese Gespräche haben könnten.
Ich hätte es tun sollen, denn mir sind gleich
mehrere „Fehler“ unterlaufen – so habe ich ei-
nen Mitarbeiter mit deutlich geringerer Zuge-
hörigkeit zwei Kollegen „vorgezogen“, die we-
sentlich länger im Unternehmen waren. Und
ich habe das nicht mit den beiden bespro-
chen. Dadurch fühlten sie sich ausgegrenzt
und zurückgesetzt. Das haben sie mich in der
Folge spüren lassen. Am Ende habe ich sie,
ihre Leistungskraft und ihre Kundenbeziehun-
gen verloren.
Viele dieser internen Konflikte, die unnötig Zeit
und Geld kosten, gehen auf
unbedachte Stö-
rungen von Zugehörigkeits-Strukturen
und
daraus erwachsende Konflikte zurück. Die
KPMG hat 2013 eine
Konfliktkostenstudie
veröffentlicht.
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Darin werden u. a. folgende Ein-
sparpotenziale benannt:
5
·
10% … 15% der Arbeitszeit in Unterneh-
men werden für Konfliktbewältigung ver-
braucht (bei Führungskräften bis zu 50%).
·
Die Kosten pro Mobbingfall betragen im
Durchschnitt 60.000 €.
·
Fluktuationskosten, Abfindungszahlungen,
Gesundheitskosten aufgrund innerbetriebli-
cher Konflikte belasten Unternehmen jährlich
mit mehreren Milliarden Euro.
·
1% der Mitarbeiterkosten gehen jährlich für
unverarbeitete Konflikte verloren.
·
Ca. 25 % des Umsatzes hängen von der
Kommunikationsqualität ab.
Exkurs
Geld hat schon mehr als zweieinhalb Jahrtausende die Ideen der Menschen geprägt. Der Dis-
kurs wurde in seiner antiken Phase von Namen wie Thales von Milet, Solon, Platon, Aristoteles
oder Tacitus bzw. im Mittelalter von Thomas von Aquin, Nikolaus von Oresme, Luca Pacioli oder
Nikolaus Kopernikus geprägt. In dieser langen Zeit wurde das Geld vorwiegend als ein Zeichen
für den Tausch betrachtet, dessen Maß nicht von der Natur, sondern vom Menschen gemacht
wird, wobei dieses soziale Maß seine Autorität ursprünglich von den Göttern und darin eingebet-
tet vom Souverän (dem Herrscher) erhält. Schon der in der griechischen Antike genutzte Begriff
„nomisma“ (der göttlich inspirierte Glaube an die Wirksamkeit eines Heeres), der als Bezeich-
nung auf das Geld übertragen wurde, zeigt diesen Ursprung. Und so drehte sich die Diskussion
auch um das Verhältnis zwischen Geld und Tugend (aretê), um die Verdammung des Zinses als
unsozialen Wucher oder um die Beherrschung der dem Geld inhärenten Instabilität (bereits Ta-
citus berichtete über gravierende Rettungsmaßnahmen des Römisches Staates zur Bewältigung
von Finanzkrisen).
Ende des 17. Jahrhunderts setzte sich in der Folge heftiger Auseinandersetzungen zwischen
John Locke und William Lowndes die Auffassung durch, dass Geld einen natürlichen Wert be-
sitzt. Dieser inhärente Wert verleiht dem Geld Stabilität, sofern die Menschen sich danach rich-
ten. Locke hatte damit den Gedanken des Geldstandards (Silber und Gold) und des „objektiven
ökonomischen Wertes“ in die Welt gesetzt, der seitdem den Diskurs dominierte.
In den folgenden Jahren versuchten u. a. Adam Smith, Jean-Baptiste Say, David Ricardo, Karl
Marx, Eugen Böhm von Bawerk, Walter Bagehot oder Léon Walras diesen inhärenten Wert zu
bestimmen und für die Praxis berechenbar zu machen. Diese Linie wird bis in die heutige Zeit
von einflussreichen Vertretern der ökonomischen Wissenschaft verfolgt.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde insbesondere durch Georg Simmel und John Maynard
Keynes der Gedanke des sozialen Charakters des Geldes, das sein Maß im Handeln der Men-
schen findet, wiederbelebt und zu praktischer gesellschaftlicher Geltung gebracht.
Aber die Auseinandersetzung um die „richtige“ Geld-Idee ging weiter. In den 1980er Jahren
kam es schließlich zu einer fast dreißigjährigen Renaissance des „objektiven Wertes“. Seit der
Finanzkrise 2008/2009 beginnt sich nun wieder der Gedanke durchzusetzen, dass das Umge-
hen mit Geld mit sozialer Verantwortung verbunden ist. Dem entspricht auch die Idee, dass der
Wert des Geldes sich aus seiner geschäftlichen Transformation in reale Kaufkraft und im Gegen-
zug von Preis in Wert ergibt. Und die soziale Verantwortung zeigt sich darin, wie die Geschäfts-
bedingungen für diese Transformation gestaltet werden.
PreisGeld – mehr als eine Recheneinheit
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