CONTROLLER Magazin 1/2017 - page 90

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das Anpassungsverhalten sowie Einblicke in die
Dynamik von Preisreaktionen gewinnen kann.
Der Markt für Kraftstoffe ist für solche Analysen
prädestiniert, lässt sich allerdings erst seit
2013 mit relevanten Zeitreihen statistisch aus-
werten.
Somit kann das Verhalten der Mine-
ralölkonzerne mit relativ einfach zu erler-
nenden statistischen Methoden transpa-
rent gemacht werden.
Es konnte gezeigt wer-
den, dass – eine monokausale Abhängigkeit
unterstellt – temporäre Margensteigerungen
(Windfall-Profits) in erheblicher Höhe durch
verzögerte Preisanpassung für die Mineralöl-
konzerne erzielt wurden. Kritisch anzumerken
ist, dass die erhobenen Preisdaten lediglich den
deutschlandweiten Durchschnitt repräsentie-
ren. So wird es sicherlich Mineralölunterneh-
men bzw. Tankstellenbetreiber geben, die ihre
Marge bei Preisänderungen unterschiedlich
stark ausweiten. Für nachfolgende Untersu-
chungen ist es ebenfalls wünschenswert,
Hochschulen und Forschungsinstitutionen ori-
ginäre Preisdaten von der Markttransparenz-
stelle zur Verfügung zu stellen.
Fußnoten
1
Rolfes B. (1985);
2
Schwanitz (1996), S. 57;
3
Vgl. Schwanitz (2002), S. 603;
4
Quelle: Bun-
desamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle,
Ref. 423, Amtliche Mineralöldaten.
Literaturverzeichnis
Rolfes, B.: „Die Steuerung von Zinsände-
rungsrisiken in Kreditinstituten“, Frankfurt am
Main, 1985.
Rolfes, B./Schwanitz, J.: „Die ‚Stabilität‘ von
Zinselastizitäten“, in: Die Bank, Heft 6, 1992, S.
334-337.
Schwanitz, J.: „Elastizitätsorientierte Zinsrisi-
kosteuerung in Kreditinstituten“, Schriftenreihe
des Zentrums für Ertragsorientiertes Bankma-
nagement, Münster; begründet und herausge-
geben von H. Schierenbeck und B. Rolfes,
Frankfurt a. M., 1996.
Schwanitz, J.: „Analyse des Kontokorrentzin-
ses mit Hilfe des Elastizitätsdiagramms“, in: Die
Bank 3/95.
Schwanitz, Johannes (2002): „Differenzierte
Zinsprognosen mit einem systemtheoretischen
Ansatz“, in: Zeitschrift für das gesamte Kredit-
wesen, 55. Jahrg., 14-2002, S. 602- 604.
3. Die zweite „Preisrunde“ ab April 2015 wird
mit einer Elastizität von 1,3 bis 2,0 bis Mitte
Mai zum Jahres-Höchstpreis des Rohöls von
fast 37 Cent angegangen.
4. Der vierte Bereich zeigt erneut die für eine
Senkungsphase typische Anpassungs-
schleife, die auf Verzögerungseffekte hin-
weist. Tatsächlich geht der Rohölpreis ab
Ende Mai 2015 bis auf wenige Unterbre-
chungen Mitte Juli kontinuierlich zurück.
Allerdings sind diese Senkungen über viele
Tage mit einer Elastizität von unter 1,0 an
die Zapfsäulen weitergegeben worden. Bis
Mitte August – und damit über einen Zeit-
raum von rund 100 Tagen – sind damit Mar-
genausweitungen von 10-15 Cent pro Liter
erzielt worden, verglichen mit dem Niveau
vor den beiden Preisrunden.
Unterstellt
man ähnliche Effekte beim Diesel und
bezieht den durchschnittlichen Tages-
verbrauch von 187 Mio. Liter pro Tag mit
ein, ergibt sich eine Deckungsbeitrags-
steigerung für die Mineralölindustrie von
ca. 1,8 bis 2,8 Mrd. € (inkl. Mehrwert-
steuer) allein für diesen Zeitraum.
Fazit
In diesem Beitrag ist mit dem Elastizitätsdia-
gramm ein Instrument vorgestellt worden, mit
dem man mit Hilfe visueller Muster differenziert
preises um 1 Cent wird mit einem Preisrück-
gang von 1,23 Cent weitergegeben.
3. Das Elastizitätsdiagramm zeigt im Zeitraum
2015 ein ausgesprochen dynamisches Ver-
halten sowie Niveauverschiebung der An-
passungspfade (zu erkennen an den ausge-
prägten Schleifenformen), was eine separate
Betrachtung von unterschiedlichen Teilberei-
chen der Zeitreihe sinnvoll erscheinen lässt.
In Abbildung 4 kann man in dem „gezoomten“
Bereich zwischen Januar und August 2015 im
Elastizitätsdiagramm insgesamt
zwei Preis-
runden erkennen, mit denen die Gewinn-
marge durch Verzögerungen bei der Preis-
weitergabe über eine bestimmte Zeit er-
höht werden konnte.
1. Von Ende Januar 2015 bis zum März wurde je-
der Cent Preisanstieg beim Rohöl mit fast 2 Cent
an den Zapfsäulen weitergegeben. Die Elastizität
betrug also 2,0. Ende Februar und März 2015
hat der Marktpreis wieder das Niveau von De-
zember 2014 erreicht und bewegte sich relativ
stabil zwischen ca. 33 und 34,5 Cent.
2. Die Dynamik und das Schwungmoment stei-
gender Kraftstoffpreise konnten dann aber
offenbar trotz sinkender Marktpreise weiter
für höhere Produktpreise und damit auch für
Gewinnmargen genutzt werden. Die für Ver-
zögerungen typische Schleifenausprägung
ist gut zu erkennen.
Abb. 4: Elastizitätsdiagramm auf Tagesbasis für Super E5 (22.01.2015 – 22.08.15)
Zeitreihenanalysen mit dem Elastizitätsdiagramm
1...,80,81,82,83,84,85,86,87,88,89 91,92,93,94,95,96,97,98,99,100,...116
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