CONTROLLER Magazin 1/2017 - page 77

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(Spezifikation, Lieferzeitpunkt, Kosten) sie be-
nötigen, können sich die Lieferanten besser da-
rauf einstellen – das gilt intern genauso wie
extern“. „Je früher Fehler entdeckt werden,
umso geringer sind Kosten und Zeitaufwand für
Nacharbeiten“ – um nur einige zu nennen.
Gegenargumente wurden kaum geäußert.
Denn es war ja „alles klar“. Trotzdem blieben
die Widerstände groß. Das „Revolutionäre“ lag
eben nicht in der Argumentation. Es lag in den
historisch gewachsenen Selbstverständ-
lichkeiten des Umgangs miteinander – der
Kultur
. Das zeigte sich in einer einzigen Frage:
„Wieso soll ich jetzt verantwortlich sein für den
Pfusch meiner Vorgänger?“
„Kundenorientierung hin oder her“, sagte der
Produktionsleiter einige Wochen später, als wir
nach den Ursachen für die Widerstände fragten.
„Praktisch ist es doch so: Die Produktideen
kommen aus der Produktentwicklung. Daraus
leiten Konstruktion und Arbeitsvorbereitung die
Vorgaben für die Fertigung ab. Das funktioniert
auch ganz gut, wenn die Vorgaben nicht immer
wieder durch wenig durchdachte
Konzessio-
nen des Vertriebs an Extrawünsche der
Kunden
angepasst werden müssten. Das führt
zu Verzögerungen infolge notwendiger Umstel-
lungen der Abläufe und konstruktiver Verände-
rungen. Daraus entsteht bei mir enormer Zeit-
druck, weil der Vertrieb in seinen Verhandlun-
gen diese Verzögerungen nicht berücksichtigt.
Und in dieser Hektik sollen meine Leute auch
noch darauf achten, ob ihre Vorgänger ge-
pfuscht haben? Wozu haben wir eine Qualitäts-
sicherung? Sollen die doch aktiver werden …“
Das Gespräch dauerte sehr lange. Es verdeut-
lichte, dass die als „richtig“ angesehene, aber
eher abstrakt verstandene Idee der Kundenori-
entierung und die davon abgeleitete wirtschaft-
lich relevante Qualität diametral den Selbstver-
ständlichkeiten („Praktisch ist es doch so …“)
der Alltagsabläufe entgegenstanden. Die Kultur
war nicht durch Kundenorientierung geprägt,
sondern durch „Silos“ („Bei uns funktioniert es
ja eigentlich ganz gut“ … „Der Vertrieb bringt
alles durcheinander, weil er die Extrawünsche
der Kunden nicht abwehrt“ ... „Die Qualitäts-
sicherer sollen endlich ihre Arbeit machen“ …).
Natürlich sieht jedes Silo das etwas anders. Die
Gemengelage ist ähnlich.
Um diesen „Kultur-Komplex“ handhabbar zu
gestalten und konkrete Veränderungsaktivitä-
ten abzuleiten, wurde eine Matrix entwickelt
(siehe Abbildung 2).
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem brei-
ten Spektrum der Selbstverständlichkeiten, das
die Qualitäts-Kultur in diesem Unternehmen
prägt. Aber es ist ein Anfang, aus dem konkre-
te Maßnahmen abgeleitet wurden: Mit welchen
Aktionen wollen wir vom Ist zum Soll kommen?
Und den Erfolg dieser Aktionen können wir
messen. Zum Schluss haben wir also messba-
re Ziele für konkrete Aktionen mit klarer Verant-
wortung und vereinbarten Terminen. Dann kön-
nen wir beobachten, was sich konkret verän-
dert, die Wirksamkeit testen, aus Erfolgen und
Fehlern lernen und schrittweise weitergehen.
Rechnen mit Geld ist noch kein
Controlling
Dieses Beispiel der Gestaltung wirtschaftlich
relevanter Qualität zeigt zugleich, wie die Kultur
eines Unternehmens den Transformationspro-
zess von Geld in Kaufkraft und von Preis in Wert
beeinflusst.
·
Der Einkauf von Arbeitszeit, Maschinen und
Material ist das eine – doch erst in der alltäg-
lichen Kombination dieser drei Elemente
zeigt sich, was das ausgegebene Geld tat-
sächlich „wert“ war, welchen Unterneh-
menserfolg es bewirkt.
·
Zugleich ist der Verkaufspreis einer Maschi-
ne bzw. von Modulen weniger „wert“, wenn
er durch interne (Zusatz)-Kosten aufgefres-
sen wird oder wegen Reputationsschäden
nicht zu Folgeaufträgen führt.
Ich möchte es immer wieder betonen: Die Wirk-
samkeit im Umgang mit Geld zeigt sich nicht
nur am Saldo der Zahlungsströme und der da-
mit verbundenen Leistungs- und Kostenströme.
Es ist eine Frage der
Steuerung von Effektivi-
tät und Effizienz der Geschäfte eines Unter-
nehmens in ihrer Verbundenheit miteinan-
der und mit dem Umfeld.
Es geht um die Ko-
operations- und Zahlungsbereitschaft der be-
teiligten Menschen, die nur für einen engen
Zeitraum und in einem begrenzten Maße durch
Zahlungs-, Leistungs- und Kostenströme er-
fasst und widergespiegelt wird bzw. werden
kann. Deshalb spielen die Fragen von wirt-
schaftlich relevanter Qualität, von Marktfähigkeit
und Marktrisiken wie der Kultur unternehmeri-
scher Geschäfte eine so große Rolle, sobald
sich Controlling der Transformation von Geld in
Kaufkraft und Preis in Wert zuwendet und be-
reit ist, dafür die Verantwortung zu tragen. Ein
paar weitere aus meiner Sicht wichtige Punkte
der
expliziten Kultur
dieser Transformation
will ich im Folgenden kurz ansprechen:
Ideen
Es gibt viele Theorien zum Geld (s. dazu den
kurzen Exkurs „im Kasten“ auf Seite 78). Das
praktische Handeln im Unternehmen wird
jedoch weniger von abstrakten Ideen geprägt,
als von einer konkreten
Geschäfts-Idee, auf
Abb. 1: Facetten praktischer Kultur
CM Januar / Februar 2017
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