CONTROLLER Magazin 5/2017 - page 45

43
und Interpretationsbias, um Neigungen, Vorlie-
ben oder Vorurteile zu kennzeichnen. Wird nun
der Umgang mit Steuerungsinformationen rati-
onaler und nüchterner oder haben wir es viel-
mehr zunehmend mit Aspekten des Kontroll-
und Vertrauensverlustes zu tun, wie neuere
Veröffentlichungen nahelegen?
Michel/Tobias:
Im Sinne der Entscheidungs-
unterstützung werden
Entscheidungen zu-
künftig deutlich rationaler getroffen
. Kleine
Routineentscheidungen, wie z. B. Belegungs-
planungen oder Einsatzplanungen, werden sehr
viel effizienter getroffen, da diese immer ähn-
lich gelagert sind und Maschinen/Programme
viel mehr Parameter gleichzeitig optimieren
können. Durch umfangreichere Daten und bes-
sere Analysen können Bias besser und schnel-
ler identifiziert werden.
Biel:
Sie haben uns ein Bild weitreichender
Umbrüche im Controlling vermittelt. Daher
kommen wir nicht umhin, eine brisante Frage
aufzuwerfen. Bekommen wir im Zuge der Digi-
talisierung nicht nur andere, sondern auch we-
niger Controllerinnen und Controller? Wozu
führt die bessere Informationsversorgung und
die teilweise Automatisierung von Rechnungen,
Handlungsempfehlungen und Entscheidungen
auf Basis von Methoden quantitativer Modelle?
Wieweit stellt sie Controller infrage? Schafft
diese Entwicklung auf der anderen Seite neue
Perspektiven für Controllerinen und Controller?
Welche Prognose wagen Sie?
Michel/Tobias:
Diese interessante Frage ha-
ben wir schon unter anderen Aspekten angeris-
sen. Allgemeiner
Wettbewerbs- und Effizi-
enzdruck
machen auch vor dem Controlling
nicht halt. Dies bedeutet natürlich auch not-
wendige Effizienzsteigerungen im Controlling.
Biel:
Können Sie dieses Problem auf den Punkt
bringen? Was verändert sich wie?
Michel/Tobias:
Auch zu dieser Frage müssen
wir eine differenzierte Einschätzung und damit
Antwort vermitteln. Wir haben es mit einer
recht komplexen Entwicklung zu tun, daher
müssen wir sorgfältig unterscheiden und die je-
weiligen Entwicklungslinien auffächern:
·
Wir gehen daher von
weniger Controllern
in der Zukunft aus, zumindest als relative
Größe, da schwerpunktmäßig Routineaufga-
ben wegfallen bzw. durch Maschinen und
Programme ersetzt werden.
·
Allerdings sehen wir
nicht alle Teilbereiche
des Controllings von dieser Entwicklung be-
troffen. Die genannten Entwicklungen be-
treffen dabei nur die Rolle der operativen
Aufgaben und Routineaufgaben.
·
Daneben wird weiterhin eine starke und
so-
gar gestärkte Governance
notwendig
sein, dies vermutlich im heutigen oder leicht
höheren Umfang.
·
Außerdem müssen die digitalen Steuerungs-
modelle und -instrumente ja auch alle entwi-
ckelt und implementiert werden. Hier entste-
hen
neue Aufgaben für Controller
.
·
Spannender wird es für den Controller aller-
dings im Bereich des
Business Partnering
.
Diese Rolle wird durch die Digitalisierung
massiv gestärkt
und erfährt vielleicht durch
die Digitalisierung endlich die Aufwertung,
die ihr schon immer theoretisch beigemes-
sen wurde, jedoch in der Praxis häufig zu-
rückstand!
Biel:
Was möchten Sie abschließend unseren
Leserinnen und Lesern mit auf dem Weg geben?
Michel/Tobias: Wir sehen den Controller der
Zukunft als sehr explorative Rolle
, die sich
nicht scheut, eingeschlagene Wege zu verlassen
und Neues auszuprobieren. Wir empfehlen da-
her, für das digitale Controlling eine klare Strate-
gie zu entwerfen, jedoch einzelne Bausteine da-
raus durchaus explorativ zu bearbeiten. Auf die-
se Weise ist ein schneller Nutzen für das Unter-
nehmen erkennbar und gibt Bestätigung sowie
Rückendeckung für den „Gesamten Fahrplan“!
Biel:
Herr Dr. Michel, Herr Tobias, haben Sie
vielen Dank für diesen Dialog und für Ihre be-
merkenswerten Ausführungen. Vielen Dank
auch für die angenehme Kooperation und Zu-
sammenarbeit. Sie haben uns ein eindrucks-
volles Bild sich vollziehender Entwicklungen
und damit auch Veränderungen vermittelt.
Ihre Darlegungen lassen verschiedene
Schlüsse zu:
·
Sie stellen Controlling
im Sinne einer
Führungs- und Steuerungsunterstützung
prinzipiell nicht infrage
. Auf absehbare
Zeit ist wohl nicht zu erwarten, dass Cont-
rolling in den Unternehmen verschwinden
wird. Controlling als Steuerungsprozess,
der durch das Zusammenwirken von Mana-
gern und Controllern wahrgenommen wird,
ist und bleibt
elementarer Bestandteil
der Unternehmensführung
. Auf den
Punkt gebracht: Controlling bleibt, wird
aber inhaltlich anders.
·
Wir müssen uns aber auch auf vielfältige
und wohl im gewissen Umfange auch auf
radikale Veränderungen einstellen
. Con-
trolling muss sich im gewissen Umfange
neu erfinden. Es entwickelt sich allmählich
ein Veränderungsbild, das aber noch schär-
fer werden muss, um vorläufig abschlie-
ßende Feststellungen treffen zu können.
·
Zu Beginn haben Sie bereits von
„Infor-
mationen als 4. Produktionsfaktor“
ge-
sprochen. Informationen werden verstärkt
als bedeutende Ressource im Leistungser-
stellungsprozess und im Wettbewerb ver-
standen. Ein Ansatz, den große Vordenker
bereits vertreten haben, als die Digitalisie-
rung und die Wissensgesellschaft noch gar
nicht zu erkennen waren. Damit ergeben
sich viele neue Fragen, nicht nur für das
Controlling, sondern auch für die Betriebs-
wirtschaftslehre.
·
Seit Längerem spricht man von der not-
wendigen
Technikfolgeabschätzung
.
Ihr Input zeigt, dass wir uns mit den Fol-
gen der technischen Neuerungen und
deren Chancen und Risiken aktiv ausein-
andersetzen müssen. Und zwar sowohl
auf der Ebene der Unternehmen als auch
auf der Ebene der betroffenen Controlle-
rinnen und Controller.
Fußnote
1
Systemgestütztes Controlling wird hier in ei-
nem allgemeinen Sinne verstanden und nicht
in einem spezifischen Verständnis wie in:
Reichmann/Kißler, Baumöl: Controlling mit
Kennzahlen: Die systemgestützte Controlling-
Konzeption, München 2017.
CM September / Oktober 2017
1...,35,36,37,38,39,40,41,42,43,44 46,47,48,49,50,51,52,53,54,55,...116
Powered by FlippingBook