Controller Magazin 6/2016 - page 83

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Die Ebenen 2 und 3 wurden bei E.ON zur Ab-
bildung der Prozesskostenrechnung als geeig-
net ausgewählt. Im Rahmen der Konzeptphase
hat sich anhand des Prototyps bestätigt, dass
Ebene 2 und 3 bereits eine signifikante Anzahl
von Anwendungsfeldern unterstützen können.
Im Anschluss an die Festlegung auf eine Pro-
zessebene wurden geeignete Prozesse für die
Prozesskostenrechnung identifiziert. Grund-
sätzlich führt eine Berücksichtigung von Pro-
zessen mit einer hohen Anzahl an Durchläufen
zu einer gesteigerten Aussagefähigkeit der er-
mittelten Prozesskennzahlen. Ausreißer im
Prozessablauf haben hier nur wenig Einfluss
auf die gebildeten Kennzahlen. Ebenso ist eine
Beschränkung auf Prozesse mit einer hohen
Standardisierung empfehlenswert, da die Pro-
zesskostenrechnung sonst eine Durch-
schnittsbetrachtung mit einer hohen Varianz
der Kennzahlen darstellt. Eine Fokussierung
auf Prozesse mit einem signifikanten Kosten-
volumen ist aufgrund der größeren Hebelwir-
kung in den Anwendungsfeldern vorteilhaft.
Auf Basis der drei beschriebenen Kriterien
wurde bei E.ON der Fokus auf vertriebliche
Kernprozesse wie Angebotslegung, Kunden-
kontakt und Abrechnung gelegt. Als nicht ge-
eignet haben sich Unterstützungs- und Ver-
waltungsprozesse wie bspw. die Erstellung
des Jahresabschlusses erwiesen.
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Kriterien für die Auswahl von
geeigneten Prozessen
·
Hohe Anzahl an Durchläufen
·
Hohe Standardisierung
·
Signifikantes Kostenvolumen
Einheitliche Kostenbasis
ermöglicht Vergleichbarkeit
Die Definition der Kostenbasis folgte bei E.ON
dem Prinzip der Verursachungsgerechtigkeit
und berücksichtigt somit ausschließlich Kosten,
die in direktem Zusammenhang mit dem Out-
put des jeweiligen Prozesses stehen. So sind
u. a. Umlagen für Personalfunktionen aufgrund
ihres unterstützenden Charakters nicht im Fo-
kus der Prozesskostenrechnung. Zur Reduktion
der Komplexität der Datenerfassung wurden die
Kosten aggregiert sowie den Kategorien Perso-
nal, Dienstleister, IT und Sonstiges zugeordnet.
Die gebildeten Kategorien leiten sich aus der
Kostenstruktur von E.ON ab. Im Rahmen einer
ABC-Analyse wurden Kostenschwerpunkte in
den Personal-, Dienstleister- und IT-Kosten
identifiziert. Auf eine Differenzierung der weite-
ren Kosten wurde aufgrund ihrer untergeordne-
ten Bedeutung verzichtet. Um ein einheitliches
Vorgehen sicherzustellen, wurde ein Mapping
zwischen den originären Kostenarten und den
vier Kategorien implementiert. Die Praxis zeigt,
dass eine einheitliche Definition und Strukturie-
rung der Kostenbasis eine Vergleichbarkeit zwi-
schen Prozessen und Fachbereichen ermög-
licht und somit einen direkten Beitrag zur Stei-
gerung der Aussagefähigkeit der Prozesskos-
tenrechnung leistet.
Definition von Kostentreibern
ist eine Herausforderung
Bei der Ermittlung der Kostentreiber standen
für einzelne Prozesse mehrere Treiber zur Aus-
wahl. Bspw. kann für den Prozess Abrechnung
sowohl die Anzahl der Abrechnungen als auch
die Anzahl der Fakturen verwendet werden.
Daher bestand die Komplexität insbesondere
in der Festlegung auf einen geeigneten Kos-
tentreiber je Prozess. Um diesem Problem zu
begegnen, wurden E.ON-spezifische Kriterien
zur Identifikation des aussagekräftigsten Kos-
tentreibers entwickelt. Ein Kostentreiber wird
hierbei als messbarer Output eines Prozesses
definiert. Er muss sich proportional zu den
Kosten verhalten, Vergleichbarkeit zu gleichar-
tigen Prozessen ermöglichen und nachvoll-
ziehbar für Dritte sein. Aufgrund der geringe-
ren Nachvollziehbarkeit hat sich im Beispiel
Abrechnung der Kostentreiber Faktura als
nicht geeignet erwiesen. Die Kostentreiber
wurden in der Regel im Rahmen von gemein-
samen Workshops diskutiert und festgelegt.
Die Praxiserfahrung zeigt, dass die beschrie-
benen Kriterien die Identifikation von geeigne-
ten Kostentreibern erleichtern. Trotzdem kann
die tatsächliche Aussagefähigkeit eines Kos-
tentreibers häufig erst nach der ersten Visuali-
sierung der Ergebnisse und Diskussion mit
den Fachbereichen beurteilt werden.
Kriterien für die Auswahl von geeigneten
Kostentreibern
·
Messbarer Output eines Prozesses
·
Proportionalität zu den Kosten
·
Vergleichbarkeit
·
Nachvollziehbarkeit
Datenerfassung wird
standardisiert durchgeführt
Die Zuordnung der Kosten auf die Prozesse
liegt in der Verantwortung der jeweiligen
Fachbereiche. Eine automatisierte Weiterver-
arbeitung wird durch ein einheitliches Formu-
lar in MS Excel zur Erhebung der Daten ge-
währleistet. Kern des Formulars ist die Dar-
stellung der Prozessschritte in den Zeilen so-
wie die Aufteilung in die Kostenkategorien
Personal, Dienstleister, IT und Sonstiges in
den Spalten (vgl. Abbildung 3). Eine zusätzli-
Autoren
Christian Friedrich
ist seit 2009 Mitarbeiter bei E.ON und verfügt über 14 Jahre
Berufserfahrung im Bereich Controlling. Er ist Projektleiter im
kaufmännischen Umfeld und verantwortet aktuell die Imple-
mentierung der Prozesskostenrechnung in den deutschen Ver-
triebseinheiten von E.ON.
E-Mail:
Daniel Haid
ist Senior Manager und Prokurist bei EY in Stuttgart. Er berät
seit 9 Jahren Konzerne und mittelständische Unternehmen in
den Bereichen Finanzen und Controlling. Sein Schwerpunkt
liegt auf Performance Management und Reporting.
E-Mail:
CM November / Dezember 2016
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