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spezial Kanzleien im Arbeitsrecht 2017
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
– offen sei etwa die sehr grundsätzliche
Frage, ob die Richtlinie Wirkung zwi-
schen Privatpersonen entfalten kann.
Zu prüfen sei ferner, was zu tun ist,
wenn das nationale Erbrecht Urlaubsab-
geltungsansprüche ausschließe.
Den Preis fürs pointierteste Argument
verdient das BAG hierbei mit folgender
Begründung: Es sei der EuGH selbst
gewesen, der anerkannt habe, dass der
Anspruch auf Urlaub untergehen könne,
wenn „der Urlaub für den Arbeitnehmer
keine positive Wirkung als Erholungszeit
mehr habe“. Dies sei, folgern die Bundes-
richter messerscharf, nach dem Tod des
Arbeitnehmers „erst recht der Fall“.
Vorlagebeschlüsse vom 18.10.2016,
Az. 9 AZR 196/16 (A) und 9 AZR 45/16 (A)
Urlaub, Teil II: Urlaubserteilungspflicht
Gerade beim Urlaubsrecht zeigt sich das
BAG gegenüber dem EuGH hartnäckig.
So wollen die Erfurter Richter diesbe-
zügliche Entscheidungen von Instanz-
gerichten nicht einfach kampflos akzep-
tieren, wenn diese – ohne eine bereits
erfolgte dezidierte Einlassung des EuGH
zum Thema – eine grundlegende Neube-
trachtung des Urlaubsrechts unter dem
Aspekt europarechtlicher Auslegung
vornehmen. Gleich zwei Landesarbeits-
gerichte hatten nämlich die Ansicht ver-
treten, dass der im Bundesurlaubsgesetz
geregelte Verfall des Urlaubs zumindest
für den gesetzlichen Mindesturlaub
nicht eintritt, wenn der Arbeitnehmer
diesen hätte nehmen können, der Arbeit-
geber ihn aber darauf nicht hingewiesen
hat. Es geht im Kern also darum, ob Ar-
beitnehmer Urlaub beantragen müssen,
weil andernfalls der im Kalenderjahr
nicht beantragte Urlaub verfällt. Alter-
nativ wäre der Arbeitgeber im Zweifel
dazu verpflichtet, die zeitliche Lage des
Urlaubs einseitig festzulegen.
Vorlagebeschluss vom 13.12.2016,
Az. 9 AZR 541/15 (A)
© PETER FUCHS/SHUTTERSTOCK.COM
THOMAS MUSCHIOL
ist Rechtsanwalt und
Fachautor in Freiburg.
Statt des BAG entscheidet der EuGH: Im vergangenen Jahr gab es viele Vorlagen.
Im vergangenen Jahr haben Deutschlands höchste Arbeitsrichter eine Reihe juristi-
scher Fragen abschließend beantwotet – darunter insbesondere die folgenden:
Betriebsrat-Netzzugang: Die Arbeitnehmervertreter haben keinen Anspruch auf einen
separaten Zugang zum Internet und zum Telefonnetz, die Anbindung ans Firmennetz-
werk reicht. (Beschluss vom 20.4.2016, Az. 7 ABR 50/14)
Elternzeit: Wollen Mitarbeiter Elternzeit beanspruchen, müssen sie dies rechtzeitig dem
Arbeitgeber kundtun – und zwar schriftlich. Ein Fax oder eine E-Mail erfüllen nicht die
gesetzlich geforderte Schriftform. (Urteil vom 10.5.2016, Az. 9 AZR 145/15)
Mindestlohn und Sonderzahlungen: Nachtzuschläge sind auf Basis der gesetzlichen
Lohnuntergrenze zu berechnen. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld müssen indes auf den
Mindestlohn angerechnet werden – zumindest unter bestimmten Voraussetzungen.
(Urteil vom 25.5.2016, Az. 5 AZR 135/16).
Mindestlohn und Bereitschaftszeiten: Arbeitgeber müssen Arbeitnehmern den gesetz-
lichen Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten zahlen. (Urteil vom 29.6.2016, Az. 5 AZR
716/15).
Bau-Sozialkassentarifverträge: Die Allgemeinverbindlicherklärungen für die Sozialkas-
sentarifverträge im Baugewerbe (2012 und 2013) sind unwirksam, weil die gesetzli-
chen Voraussetzungen nach § 5 Tarifvertragsgesetz nicht erfüllt sind. (Beschluss vom
21.9.2016, Az. 10 ABR 48/15 und 33/15).
Mitarbeitergespräche: Krankgeschriebene Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht ver-
pflichtet, im Betrieb zu erscheinen, um an einem Personalgespräch teilzunehmen (Urteil
vom 2.11.2016, Az. 10 AZR 596/15)
Facebook-Mittbestimmung: Betreibt ein Unternehmen eine Facebook-Seite, hat der
Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht – zumindest in Bezug auf die Ausgestaltung der
Kommentarfunktion. (Beschluss vom 13.12.2016, Az. 1 ABR 7/15)
Diese Streitpunkte sind entschieden
BAG-RECHTSPRECHUNG
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