spezial Kanzleien im Arbeitsrecht 2017
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KANZLEIEN
_MEHR ALS 20 ARBEITSRECHTLER
Gibt es in Ihrem Arbeitsrechtsteam beson-
dere Branchenschwerpunkte?
Dr. Marcus Richter:
Eine Konzentration auf
einzelne Branchen leben wir nicht. Sie ist
aus unserer Sicht auch im Arbeitsrecht nicht
erforderlich. Natürlich weisen einzelne Bran-
chen gerade im Arbeitsrecht Besonderheiten
auf, nicht nur im tariflichen Bereich. Diese sind
jedoch händelbar, zumal wir es gewohnt sind,
uns schnell in Themen einzuarbeiten. Dies
gilt umso mehr, als wir im Rahmen unserer
deutschlandweiten Tätigkeit über die Jahre
hinweg in praktisch jeder Branche im Arbeits-
recht beraten haben und entsprechende Er-
fahrungen sammeln konnten.
Ein Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit liegt im Ar-
beitsstrafrecht. Was sind in diesem Bereich
wesentliche Fragen?
Richter:
Insgesamt ist festzustellen, dass die
Bedeutung von Fragestellungen im Grenzbe-
reich von Arbeitsrecht und Strafrecht zuge-
nommen hat. Die Tätigkeitsfelder sind dort
durchaus vielfältig. Wir haben zuletzt insbe-
sondere wiederholt im Zusammenhang mit
dem Vorwurf illegaler Arbeitnehmerüberlas-
sung, Schwarzarbeit, Scheinselbständigkeit
umfangreich beraten. Ausgangspunkt war
dabei zumeist die Streitfrage, ob eine geleb-
te Vertragsgestaltung als die an sich gewollte
werkvertragliche Leistung zu qualifizieren war
oder vielmehr als Arbeitnehmerüberlassung,
die dann als illegal zu qualifizieren gewesen
wäre. In Anbetracht der zum 1. April 2017 an-
stehenden umfangreichen Gesetzänderungen
wird dies sicherlich auch in den kommenden
Jahren ein Themenbereich sein, in dem erheb-
licher Beratungsbedarf herrschen wird. Unter-
nehmen, die bei der Erbringung ihrer eigenen
Leistungen mit Werkunternehmen zusam-
menarbeiten, sind daher gut beraten bereits
frühzeitig ihre Verträge und vor allem auch
die Abläufe in der Zusammenarbeit prüfen zu
lassen. Hierdurch kann frühzeitig vermieden
werden, dass das Unternehmen sich erheb-
lichen Strafzahlungen sowie die handelnden
Personen erheblichen strafrechtlichen Sankti-
onen ausgesetzt sehen.
Die Digitalisierung wirkt sich auf verschie-
dene Arbeitsbereiche im Unternehmen
aus. Welche arbeitsrechtlichen Fragen stel-
len sich dabei nach Ihrer Erfahrung?
Richter:
Die Digitalisierung des Arbeitslebens
wirkt sich letztlich auf alle Ebenen und Be-
reiche des Arbeitsrechts aus. Es beginnt bei
der Frage, ob im Zeitalter der immer mehr
IT-geprägten Arbeitswelt und Industrie 4.0
das bisherige Verständnis zum Betriebsbegriff
noch passt und welche Auswirkungen eine
modernisierte Betrachtung mit sich bringt.
Es reicht über Fragen der Implementierung
von Bring-your-own-Device-Modellen, Desk-
Sharing und Mobile-Office. Schließlich sind
neue Arbeitsformen, wie das sogenannte
Crowdworking oder Crowdsourcing rechtlich
einzuordnen. Betroffen von all diesen Frage-
stellungen sind nahezu alle Bereiche des Ar-
beitsrechts, insbesondere naturgemäß die Ar-
beitsvertragsgestaltung, die Mitbestimmung
sowie arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften,
vor allem das Arbeitszeitrecht.
Muss hier der Gesetzgeber tätig werden?
Richter:
Handlungsbedarf des Gesetzgebers
sehen wir insbesondere im zuletzt genannten
Interview
mit Dr. Macus Richter, Leiter Service-Line Arbeitsrecht, Köln
Dr. Marcus Richter
Themenkomplex. Das bestehende Arbeits-
zeitrecht hält mit einer – jedenfalls in vielen
Bereichen – flexibilisierten und IT-lastigen
Arbeitswelt nicht mehr Schritt. Ähnliches gilt
in Teilen auch für die Betriebsverfassung. Der
Gesetzgeber hat dies bereits erkannt und
erste Arbeitsschritte eingeleitet. Dass er aller-
dings zeitnah zureichende Gesetzesänderun-
gen umsetzt, ist bei dem von ihm initiierten
Diskurs nicht abzusehen.