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spezial Kanzleien im Arbeitsrecht 2017
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
automatisiert und von IT-Systemen ab-
gewickelt werden. Außerdem sagt die
Studie auch voraus, dass sich die Ar-
beitsweisen und Geschäftsmodelle in
der Rechtsbranche deutlich wandeln
werden. Outsourcing einzelner Teilauf-
gaben und Teilprozesse bei Mandaten
werde demnach stark an Bedeutung ge-
winnen. Projektmanagement werde zu
einer wesentlichen Aufgabe von Kanz-
leien werden. Neue Anbieter und neue
IT-gestützte Lösungsansätze würden die
Strukturen des Rechtsmarkts spürbar
verändern.
„Ich bin überzeugt davon, dass Legal
Tech unsere Branche tiefgreifend beein-
flussen und verwandeln wird. Wer diese
Entwicklung verpasst, der läuft Gefahr,
dass der Zug ohne ihn abfährt und er
komplett abgehängt wird“, sagt Tobias
Heining, Director of Business Develop-
ment & Communications bei der Wirt-
schaftskanzlei CMS – und Mitglied im
Vorstand des neu gegründeten Verbands
„European Legal Tech Association“, kurz
Elta. Erst vor rund einem halben Jahr
wurde Elta ins Leben gerufen, als Platt-
form für all jene, die sich mit Legal Tech
befassen: Rechtsabteilungen, Kanzleien,
IT-Unternehmen, Beratungsfirmen,
Hochschulen, Forschungseinrichtungen,
berufsständische Organisationen, aber
auch interessierte Einzelmitglieder,
darunter nicht zuletzt Studierende. An-
gestoßen wurde das Ganze gemeinsam
von der Unternehmensberatung Roland
Berger, dem Softwarehause Leverton,
den Anwaltskanzleien CMS und Baker
McKenzie sowie der Bucerius Law
School. Mittlerweile zählt Elta laut Tobi-
as Heining rund 150 Mitglieder.
Warnung vor übertriebenen
Erwartungen
Allerdings sind nicht alle gleicherma-
ßen euphorisch, was das tatsächliche
Marktpotenzial von Legal Tech angeht.
Der Rechtsanwalt Michael Grupp bei-
spielsweise, selbst Mitgründer und
Mitinhaber des Lega-Tech-Start-up-
Unternehmens Lexalgo (siehe Kasten
Praxisbeispiele), betrachtet die Sache
deutlich nüchterner. „In den vier Jahren
in dem Geschäft, bei dem wir daran ar-
beiten, juristische Entscheidungswork-
flows in einer Software abzubilden und
somit Prozesse zum Beispiel für Kanz-
leien effizienter zu machen, merken
wir immer wieder, wie schwierig es ist,
skalierbar zu arbeiten. Und es ist gene-
rell schwierig, hierfür Venture-Kapital
anzuziehen“, erklärt Grupp. Zum einen
sei die Aufgabe recht komplex und auf-
wendig. „Juristische Subsumtion so zu
digitalisieren und zu automatisieren,
dass am Ende weit überwiegend etwas
Vernünftiges herauskommt, auch wenn
etwa Nicht-Juristen die Software bedie-
nen, das ist noch immer alles andere als
trivial.“ Zum anderen seien die Lösun-
gen von Lexalgo wie viele weitere Legal-
Tech-Anwendungen nicht so einfach zu
skalieren wie Softwarelösungen für an-
dere Branchen, was das Renditepoten-
zial deutlich begrenze. „Medizinische
Entscheidungen laufen zum Beispiel
weltweit gleich ab, da besteht im Prinzip
ein globaler Markt. In der Rechtsbran-
che haben Sie hingegen mit vielen ver-
schiedenen Rechtsräumen zu tun“, er-
klärt der Legal-Tech-Unternehmer. „Und
dann ist es eben nicht so, dass durch
vermehrte Rechtsdienstleistungen die
Erlöse gesteigert werden können. Mehr
Rechtsdienstleistungen bedeuten nicht
mehr Geschäft, wie es zum Beispiel bei
Marketing-Investitionen der Fall ist –
auch das ist eine klare Limitierung der
Legal-Tech-Geschäftschancen.“
Grupp sieht zwar klare Anwendungs-
felder für Legal-Tech-Produkte, wie etwa
die seines eigenen Unternehmens, und
auch entsprechende Nachfrage. Doch
derzeit erlebe das Thema einen über-
triebenen Hype. In der kommenden Zeit
würden die übertriebenen Erwartungen
sicherlich wieder auf ein realistisches
Maß zurückgestutzt. „Jemand hat kürz-
lich gesagt, Legal Tech ist wie Teena-
ger-Sex. Alle reden davon, aber keiner
macht’s. Das trifft es ziemlich gut“, so
Michael Grupp.
Breites Spektrum an Werkzeugen
und Lösungen
Dass es stark unterschiedliche Ein-
schätzung zu den Perspektiven für
Legal-Tech-Lösungen gibt, hat nicht zu-
letzt damit zu tun, dass unter diesem
Schlagwort ein sehr breites Spektrum
ganz unterschiedlicher Werkzeuge, Lö-
„Jemand hat kürzlich
gesagt, Legal Tech ist
wie Teenager-Sex. Alle
reden davon, aber kei-
ner macht’s. Das trifft
es ziemlich gut.“
Michael Grupp, Rechtsanwalt,
Mitgründer und Mitinhaber von Lexalgo
Was kann in
Kanzleien künftig
automatisch lau-
fen? Darüber wird
gerade so intensiv
nachgedacht wie
wohl noch nie.
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