wirtschaft + weiterbildung
02_2016
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Karriereleiter, desto wichtiger wird neben
Kompetenz und Erfahrung die Frage, ob
die Frau zu den Männern passt, die schon
dort oben sitzen. Im letzten Jahr konnte
jeder Zeitungsleser ohne große Mühe
verfolgen, wie Frauen, die es bis in den
Vorstand geschafft hatten, nach kurzer
Zeit das Handtuch warfen. Waren die alle
inkompetent? Wohl kaum.
Weiterbildung ist nicht der zentrale
Punkt?
Edding:
Natürlich hat Weiterbildung ihre
Bedeutung, weil Sie bestimmte Kompe-
tenzen trainieren können und müssen
und weil Sie auf jedem Seminar interes-
sante Menschen treffen, die Sie Ihrem
Netzwerk einverleiben können. Aber
Weiterbildung ist nicht der entscheidende
Faktor, als der sie oft dargestellt wird. Sie
merken schon, ich bin keine Freundin der
Defizitbetrachtung, die sagt, wenn die
Frauen nur dies und jenes machen wür-
den, dann würde schon alles anders wer-
den. Diese Betrachtungsweise hängt mir
zum Hals heraus. Frauen machen sich
seit 20 Jahren fit für das Topmanagement
und die Ergebnisse sind höchst mager.
Ich kann es nur noch einmal sagen: Der
Aufstieg von Frauen in verantwortungs-
volle Positionen ist kein Frauenthema,
sondern ein Organisationsthema.
Befürworten Sie eine Quote, um Frauen
den Einzug ins Topmanagement zu
erleichtern?
Edding:
Ja, sicherlich. Unternehmens-
vorstände wünschen sich eher eine „na-
türliche Entwicklung“ – aber schauen
Sie sich die Zahlen in Deutschland an:
5 % Frauen in den Vorständen der Top-
200-Unternehmen im Jahre 2014. In die-
sem Punkt ist der Fortschritt hierzulande
eine Schnecke. Die erste Frau in einem
Männergremium hat es nicht leicht, sie
steht ständig im Rampenlicht, wird mit
Klischees belegt und muss immer als Re-
präsentantin „aller“ Frauen herhalten.
Sobald eine zweite Frau da ist, wird es
einfacher. Ich verfolge die Nicht-Entwick-
lung der Frauen in hohe Führungsposi-
tionen hinein seit vielen Jahren. Ange-
sichts der geringen Fortschritte finde ich
die Quote richtig.
Ihr Buch liefert einer Frau, die vorwärts
kommen will, Orientierung in vier zen-
tralen Aktionsfeldern. Eines dieser Akti-
onsfelder ist „eine Erfolg versprechende
Position“. Was meinen Sie damit?
Edding:
Wenn Frauen sich auf eine Stelle
bewerben, denken sie häufig nicht an
eine mögliche Karriere. Sie habe andere
Entscheidungskriterien. Oft finden sie
weiblich konnotierte Stellen und Unter-
nehmensbereiche interessant, wie zum
Beispiel das Personal- oder das Bildungs-
wesen. Wenn sie aber im Laufe ihrer Be-
rufstätigkeit möglicherweise Lust auf Kar-
riere bekommen, dann sitzen sie in einem
Bereich fest, der kein ideales Sprungbrett
für den Aufstieg ist. Natürlich kann man
auch von Bereichen interner Serviceleis
tungen aus Karriere machen, aber es ist
schwerer als aus Bereichen, in denen
Geld verdient wird.
Der Carl Auer Verlag in Heidelberg ist
„der“ Verlag der systemischen Personal-
und Organisationsentwickler. Was ist
„systemisch“ an Ihrem Buch?
Edding:
Das Buch macht klar, dass es
für die Behinderung von Frauen in ihrer
beruflichen Entwicklung und ihrer Kar-
riere nicht im eigentlichen Sinne einen
oder mehrere „Täter“ gibt, die nur ding-
fest gemacht werden müssten, damit das
Problem verschwindet. Es handelt sich
vielmehr um „Schließungsprozesse“ in
Unternehmen. Diese werden gemeinsam
erzeugt: Die beteiligten Personen spielen
dabei eine Rolle, auch die Gesellschaft
mit ihren tradierten und immer wieder
neu erzeugten Klischeevorstellungen
über das „wahre Wesen“ von Männern
und Frauen. Eine Rolle spielen vor allem
aber die Prozesse und Strukturen der je-
weiligen Organisation, mit Hilfe derer die
Ausschließung immer wieder neu herge-
stellt und gesichert wird.
Interview: Martin Pichler
„Frauen sitzen manchmal in einem Bereich fest, der
kein ideales Sprungbrett für den Aufstieg ist.“