 
          wirtschaft + weiterbildung
        
        
          02_2016
        
        
          23
        
        
          Karriereleiter, desto wichtiger wird neben
        
        
          Kompetenz und Erfahrung die Frage, ob
        
        
          die Frau zu den Männern passt, die schon
        
        
          dort oben sitzen. Im letzten Jahr konnte
        
        
          jeder Zeitungsleser ohne große Mühe
        
        
          verfolgen, wie Frauen, die es bis in den
        
        
          Vorstand geschafft hatten, nach kurzer
        
        
          Zeit das Handtuch warfen. Waren die alle
        
        
          inkompetent? Wohl kaum.
        
        
          Weiterbildung ist nicht der zentrale
        
        
          Punkt?
        
        
          Edding:
        
        
          Natürlich hat Weiterbildung ihre
        
        
          Bedeutung, weil Sie bestimmte Kompe-
        
        
          tenzen trainieren können und müssen
        
        
          und weil Sie auf jedem Seminar interes-
        
        
          sante Menschen treffen, die Sie Ihrem
        
        
          Netzwerk einverleiben können. Aber
        
        
          Weiterbildung ist nicht der entscheidende
        
        
          Faktor, als der sie oft dargestellt wird. Sie
        
        
          merken schon, ich bin keine Freundin der
        
        
          Defizitbetrachtung, die sagt, wenn die
        
        
          Frauen nur dies und jenes machen wür-
        
        
          den, dann würde schon alles anders wer-
        
        
          den. Diese Betrachtungsweise hängt mir
        
        
          zum Hals heraus. Frauen machen sich
        
        
          seit 20 Jahren fit für das Topmanagement
        
        
          und die Ergebnisse sind höchst mager.
        
        
          Ich kann es nur noch einmal sagen: Der
        
        
          Aufstieg von Frauen in verantwortungs-
        
        
          volle Positionen ist kein Frauenthema,
        
        
          sondern ein Organisationsthema.
        
        
          Befürworten Sie eine Quote, um Frauen
        
        
          den Einzug ins Topmanagement zu
        
        
          erleichtern?
        
        
          Edding:
        
        
          Ja, sicherlich. Unternehmens-
        
        
          vorstände wünschen sich eher eine „na-
        
        
          türliche Entwicklung“ – aber schauen
        
        
          Sie sich die Zahlen in Deutschland an:
        
        
          5 % Frauen in den Vorständen der Top-
        
        
          200-Unternehmen im Jahre 2014. In die-
        
        
          sem Punkt ist der Fortschritt hierzulande
        
        
          eine Schnecke. Die erste Frau in einem
        
        
          Männergremium hat es nicht leicht, sie
        
        
          steht ständig im Rampenlicht, wird mit
        
        
          Klischees belegt und muss immer als Re-
        
        
          präsentantin „aller“ Frauen herhalten.
        
        
          Sobald eine zweite Frau da ist, wird es
        
        
          einfacher. Ich verfolge die Nicht-Entwick-
        
        
          lung der Frauen in hohe Führungsposi-
        
        
          tionen hinein seit vielen Jahren. Ange-
        
        
          sichts der geringen Fortschritte finde ich
        
        
          die Quote richtig.
        
        
          Ihr Buch liefert einer Frau, die vorwärts
        
        
          kommen will, Orientierung in vier zen-
        
        
          tralen Aktionsfeldern. Eines dieser Akti-
        
        
          onsfelder ist „eine Erfolg versprechende
        
        
          Position“. Was meinen Sie damit?
        
        
          Edding:
        
        
          Wenn Frauen sich auf eine Stelle
        
        
          bewerben, denken sie häufig nicht an
        
        
          eine mögliche Karriere. Sie habe andere
        
        
          Entscheidungskriterien. Oft finden sie
        
        
          weiblich konnotierte Stellen und Unter-
        
        
          nehmensbereiche interessant, wie zum
        
        
          Beispiel das Personal- oder das Bildungs-
        
        
          wesen. Wenn sie aber im Laufe ihrer Be-
        
        
          rufstätigkeit möglicherweise Lust auf Kar-
        
        
          riere bekommen, dann sitzen sie in einem
        
        
          Bereich fest, der kein ideales Sprungbrett
        
        
          für den Aufstieg ist. Natürlich kann man
        
        
          auch von Bereichen interner Serviceleis
        
        
          tungen aus Karriere machen, aber es ist
        
        
          schwerer als aus Bereichen, in denen
        
        
          Geld verdient wird.
        
        
          Der Carl Auer Verlag in Heidelberg ist
        
        
          „der“ Verlag der systemischen Personal-
        
        
          und Organisationsentwickler. Was ist
        
        
          „systemisch“ an Ihrem Buch?
        
        
          Edding:
        
        
          Das Buch macht klar, dass es
        
        
          für die Behinderung von Frauen in ihrer
        
        
          beruflichen Entwicklung und ihrer Kar-
        
        
          riere nicht im eigentlichen Sinne einen
        
        
          oder mehrere „Täter“ gibt, die nur ding-
        
        
          fest gemacht werden müssten, damit das
        
        
          Problem verschwindet. Es handelt sich
        
        
          vielmehr um „Schließungsprozesse“ in
        
        
          Unternehmen.  Diese werden gemeinsam
        
        
          erzeugt: Die beteiligten Personen spielen
        
        
          dabei eine Rolle, auch die Gesellschaft
        
        
          mit ihren tradierten und immer wieder
        
        
          neu erzeugten Klischeevorstellungen
        
        
          über das „wahre Wesen“ von Männern
        
        
          und Frauen. Eine Rolle spielen vor allem
        
        
          aber die Prozesse und Strukturen der je-
        
        
          weiligen Organisation, mit Hilfe derer die
        
        
          Ausschließung immer wieder neu herge-
        
        
          stellt und gesichert wird.
        
        
          Interview: Martin Pichler
        
        
          „Frauen sitzen manchmal in einem Bereich fest, der
        
        
          kein ideales Sprungbrett für den Aufstieg ist.“