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          wirtschaft + weiterbildung
        
        
          03_2016
        
        
          titelthema
        
        
          „Ich bin keine Freundin der
        
        
          Defizitbetrachtung“
        
        
          INTERVIEW.
        
        
          Dr. Cornelia Edding, die Autorin des Buchs „Herausforderung Karriere
        
        
          – Strategien für Frauen auf dem Weg nach oben“, erklärt, warum sie das erste
        
        
          „Frauenseminar“ Deutschlands durchführte und welche Probleme Frauen trotz
        
        
          fortgeschrittener Emanzipation haben, in der Wirtschaft Karriere zu machen.
        
        
          worden bin: An einem Seminar zur Füh-
        
        
          rungskräfteentwicklung bei einem Kon-
        
        
          zern – vielleicht Anfang der 80er-Jahre
        
        
          – nahmen 20 Männer und zwei Frauen
        
        
          teil. Irgendwann fingen meine beiden
        
        
          Kollegen und ich an zu überlegen, ob sich
        
        
          die zwei Frauen in ihrem Führungsalltag
        
        
          mit denselben Problemen herumschlagen
        
        
          wie ihre männlichen Kollegen oder ob wir
        
        
          für diese Frauen eigentlich andere Semi-
        
        
          nare anbieten müssten. Das zweite Er-
        
        
          eignis: Zufällig erfuhr ich, dass mein Kol-
        
        
          lege für eine firmeninterne Veranstaltung
        
        
          einen deutlich höheren Tagessatz bekam
        
        
          als ich, obwohl wir beide dasselbe taten.
        
        
          Als ich mich beschwerte, wurde mir ge-
        
        
          sagt, ich solle mich lieber freuen, dass ich
        
        
          mitarbeiten dürfe.
        
        
          Wie haben Sie reagiert?
        
        
          Edding:
        
        
          Ich wurde vorsichtiger damit,
        
        
          mir selbst die Schuld zu geben, wenn ich
        
        
          einen Auftrag nicht bekam oder meine
        
        
          Honorarvorstellungen nicht durchsetzen
        
        
          konnte. Und eine Kollegin und ich haben
        
        
          ein Seminar für „Frauen, die überwie-
        
        
          gend mit Männern zusammenarbeiten“
        
        
          entwickelt. Das erste Frauenseminar die-
        
        
          ser Art in Deutschland, 1982 oder 1983...
        
        
          Sollten sich Frauen mehr „männliche“
        
        
          Verhaltensweisen antrainieren?
        
        
          Edding:
        
        
          Das ist ein Dilemma. Männer
        
        
          (und Frauen) im Topmanagement warnen
        
        
          Frauen: Bloß nicht männlich auftreten!
        
        
          Ich glaube, darunter verstehen sie dunkle
        
        
          Hosenanzüge, laute Stimme und ständige
        
        
          Kampfbereitschaft. Auf der anderen Seite
        
        
          wird jedoch Entscheidungsfreude und
        
        
          Durchsetzungsvermögen erwartet. Wie
        
        
          denn nun? Da hilft nur experimentieren:
        
        
          Wie können Sie freundlich und verbind-
        
        
          lich sein und trotzdem entschlossen eine
        
        
          Richtung vorgeben oder Ihre Claims ab-
        
        
          stecken? Im Idealfall entwickeln Sie ein
        
        
          Verhalten, das sowohl zur Person als
        
        
          auch zur Kultur des Unternehmens passt.
        
        
          Allerdings, auch wenn es die Weiterbil-
        
        
          dungsakademien nicht gerne hören: Es
        
        
          reicht nicht, ein Seminar zum Thema
        
        
          „Selbstmarketing“ oder „Schlagfertigkeit“
        
        
          zu besuchen, um die Karriere voranzu-
        
        
          treiben. Je höher es hinaufgeht auf der
        
        
          Sie sind nach dem Psychologie-Studium
        
        
          seit über 40 Jahren selbstständig als
        
        
          Trainerin, Beraterin und Coach. Wie sind
        
        
          Sie auf das Frauenthema gekommen?
        
        
          Dr. Cornelia Edding:
        
        
          Es handelt sich nicht
        
        
          um ein Frauenthema, sondern um ein Or-
        
        
          ganisationsthema, denn die Organisation
        
        
          behindert auf vielfältige Weise den Auf-
        
        
          stieg von Frauen. Allerdings habe ich es
        
        
          lange für ein Frauenthema gehalten. Es
        
        
          waren vor allem zwei Ereignisse, in deren
        
        
          Folge ich auf das Thema aufmerksam ge-
        
        
          Unruhestand.
        
        
          Dr. Cornelia Edding lebt auf dem „Hof zur Linde“ in der Ucker-
        
        
          mark, einer landwirtschaftlich geprägten Gegend in Nordostdeutschland.
        
        
          Foto: privat