 
          wirtschaft + weiterbildung
        
        
          03_2016
        
        
          21
        
        
          • Welche besonderen Hindernisse gilt es
        
        
          zu bemerken, zu überwinden oder zu
        
        
          umgehen?
        
        
          • Welche persönlichen Kompetenzen, die
        
        
          bei aller Organisationsbetrachtung na-
        
        
          türlich nicht vergessen werden sollten,
        
        
          helfen dabei?
        
        
          Besonders deutlich zeigen sich organisa-
        
        
          tionale und kulturelle Hindernisse zum
        
        
          Beispiel beim Aktionsfeld „Macht“. Da
        
        
          gibt es etwa den Chef, der seine neue Mit-
        
        
          arbeiterin nicht „anlernt“, wie man mi-
        
        
          kropolitisch agiert.
        
        
          Ein Beispiel: Wegen drohender Spar-
        
        
          maßnahmen ruft der Vorgesetzte einige
        
        
          seiner Mitarbeiter zu sich und bespricht
        
        
          mit ihnen die „Strategie der Abteilung“
        
        
          angesichts dieser Situation: Mit wem
        
        
          können wir uns verbünden? Was wollen
        
        
          wir auf jeden Fall verhindern? Was kön-
        
        
          nen wir im Vorfeld tun? Frauen sind bei
        
        
          solchen Gesprächen seltener dabei. Der
        
        
          Vorgesetzte kommt im Zweifelsfall gar
        
        
          nicht auf die Idee, auch die Mitarbeiterin
        
        
          einzuladen. Sie ist ihm fremder als der
        
        
          junge Kollege und wenn man ihn fragt,
        
        
          würde er wohl vermuten, solche Themen
        
        
          interessierten sie nicht. Es ist ihm nicht
        
        
          klar, dass diese Gespräche für den Füh-
        
        
          rungsnachwuchs wichtige Möglichkeiten
        
        
          darstellen, die Praxis der indirekten Ein-
        
        
          flussnahme zu erlernen und schrittweise
        
        
          zu üben.
        
        
          Auch viele andere informelle Aktivitäten
        
        
          bleiben Frauen verschlossen. Es gehört
        
        
          zum Wesen der mikropolitischen Schach-
        
        
          züge, dass sie inoffiziell geplant werden.
        
        
          Die männlichen Kollegen teilen viele in-
        
        
          formelle Kontakte miteinander, bei denen
        
        
          sie sich verabreden können, in denen sie
        
        
          „Deals“ besprechen oder sich Unterstüt-
        
        
          zung einkaufen. Frauen schätzen oft an-
        
        
          dere Freizeitbeschäftigungen als Männer
        
        
          und gemeinsam nach Feierabend noch
        
        
          ein oder zwei Bier zu trinken ist mög-
        
        
          lich, kann aber auch schnell falsch ver-
        
        
          standen werden. Es wäre unpraktisch für
        
        
          eine weibliche Karriere, wenn bestimmte
        
        
          Prinzipien einer Frau jegliches mikropo-
        
        
          litische Taktieren untersagen würden.
        
        
          Denn ohne gezielte Beziehungspflege,
        
        
          ohne das Herausstellen ihrer Leistungen,
        
        
          ohne Kuhhandel und gelegentliches Ver-
        
        
          schweigen der eigenen Absichten kom-
        
        
          men Frauen nicht weiter.
        
        
          Sagt eine Managerin zur anderen: „Stell
        
        
          Dir vor, in einem Unternehmen gäbe es
        
        
          nur weibliche Führungskräfte. Hätte
        
        
          ein Mann Angst vor Spott, wenn er nur
        
        
          wegen einer Männerquote vom Sachbe-
        
        
          arbeiter zum Abteilungsleiter befördert
        
        
          würde?“ Antwortet die andere: „Natürlich
        
        
          nicht. Er würde sagen: Hauptsache, ich
        
        
          hab den Job!“ Das soll kein Witz sein.
        
        
          Dieser Dialog war so ähnlich im Konfe-
        
        
          renzraum einer großen Bank zu hören.
        
        
          Ein Witz wäre es, wenn Frauen jetzt
        
        
          „Null-Skrupel“-Seminare besuchen wür-
        
        
          den, um genauso dreist und dickfellig zu
        
        
          werden wie die Klischee-Männer.
        
        
          Männliches Verhalten
        
        
          kopieren?
        
        
          Das eigentliche Problem besteht laut
        
        
          Edding darin, dass Frauen nur wenig
        
        
          Respekt ernten, wenn sie sich „aggres-
        
        
          siv-männlich“ aufführen. Andererseits
        
        
          dürfen sie sich aber auch nicht „die But-
        
        
          ter vom Brot“ nehmen lassen, wenn sie
        
        
          eine Führungskraft sein wollen. So bleibt
        
        
          Frauen nichts anderes übrig, als zu ex-
        
        
          perimentieren, welcher Durchsetzungsstil
        
        
          zu ihnen und zur Unternehmenskultur
        
        
          ihres Arbeitgebers passt. Dazu empfiehlt
        
        
          Edding drei Schritte:
        
        
          1.
        
        
          Man beobachte andere Führungskräfte,
        
        
          wie sie mit Kunden, Mitarbeitern oder
        
        
          Vorgesetzten in unterschiedlichen Situa-
        
        
          tionen umgehen. Verhaltensweisen, die
        
        
          Erfolge bringen und nachahmenswert er-
        
        
          scheinen, gilt es zu modellieren.
        
        
          2.
        
        
          Das beobachtete Verhalten muss jetzt
        
        
          im Alltag einmal ausprobiert werden.
        
        
          Frau sollte üben, ihren Mitarbeitern bei
        
        
          Bedarf noch klarer als sonst zu widerspre-
        
        
          chen oder unangemessene Forderungen
        
        
          schneller und auf unterschiedliche Arten
        
        
          abzulehnen.
        
        
          3.
        
        
          Jetzt kommt die Phase des Bewertens.
        
        
          Die Protagonistin fragt sich, ob sie ein
        
        
          bestimmtes Verhalten überhaupt zeigen
        
        
          konnte (zum Beispiel „ironisch sein“),
        
        
          wie ihr Verhalten auf andere wirkte, ob
        
        
          die erhoffte Reaktion eintrat und ob das
        
        
          Verhalten – selbst wenn es in Zukunft nur
        
        
          gelegentlich gezeigt werden sollte – über-
        
        
          haupt zum Selbstbild passt.
        
        
          Weil es kein Patentrezept gibt,
        
        
          hilft nur experimentieren
        
        
          Auch wenn es darum geht, die Mikropoli-
        
        
          tik zu erlernen, hilft das Experimentieren.
        
        
          Folgendes könnte Frau ausprobieren:
        
        
          • Wenn eine Frau erfährt, dass strate-
        
        
          gisch-taktische Überlegungen anste-
        
        
          hen, sollte sie ihren Vorgesetzten fra-
        
        
          gen, ob er sie beteiligt.
        
        
          • Wenn sie eine lästige Aufgabe gern los-
        
        
          werden würde, sollte sie üben, mit Kol-
        
        
          legen einen Tauschhandel einzugehen.
        
        
          • Wenn Frau eine Information bekommt,
        
        
          die für eine Kollegin wichtig sein
        
        
          könnte, dann sollte sie überlegen, ob
        
        
          sie ihr die Info schenken oder ob sie im
        
        
          Gegenzug etwas dafür verlangen will.
        
        
          • Wenn in einer Besprechung ein strit-
        
        
          tiges Thema verhandelt werden soll,
        
        
          könnte Frau sich vorher Unterstützung
        
        
          für ihre Position organisieren.
        
        
          Fazit:
        
        
          Aufstrebende Frauen dürften
        
        
          sich über diesen anschaulich geschrie-
        
        
          benen  Ratgeber mit seinen praxisnahen
        
        
          Lösungsstrategien freuen. Noch mehr
        
        
          freuen sollten sich Deutschlands Coachs,
        
        
          denn das Buch beschreibt nicht nur vier
        
        
          „Aktionsfelder“ für die Betroffenen, son-
        
        
          dern zeigt auch konkrete „Betätigungs-
        
        
          felder“ für  Business-Coachs auf, die dank
        
        
          Cornelia Edding jetzt endgültig wissen,
        
        
          wie wichtig die Unterscheidung zwischen
        
        
          individuellen Unzulänglichkeiten und or-
        
        
          ganisationalen Fallstricken ist.
        
        
          Martin Pichler
        
        
          Buchtipp.
        
        
          Cornelia Edding: Herausforde-
        
        
          rung Karriere – Strategien für Frauen auf
        
        
          dem Weg nach oben. Carl Auer Verlag,
        
        
          Heidelberg 2016, 192 Seiten, 19,95 Euro