wirtschaft und weiterbildung 3/2016 - page 15

wirtschaft + weiterbildung
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warnte er: „Erfinder haben die größte Not, den Widerstand zu
überwinden, mit dem ihnen eine wohl geordnete, im Großen
und Ganzen selbstzufriedene Welt von allen Seiten entgegen-
tritt.“ Fischer nahm sich diesen Hinweis zu Herzen und entwi-
ckelte nur Lösungen für Probleme, die tatsächlich jemandem
auf den Nägeln brannten. Fischer: „Von Eyths Ansichten über
das Erfinden haben mich beeindruckt und geprägt.“ Wenn
Fischer erklären musste, was ihn auszeichne, zitierte er von
Eyth: „Erfindungen kommen aus der Tiefe der Seele, das kann
man nicht lernen.“
3 Das Handwerk: Taten, nicht Tinte!
Da seine Eltern das damals übliche Schulgeld nicht mehr auf-
bringen konnten, musste Fischer im Jahr 1934 die Realschule
verlassen und eine Lehre bei einem Schlossermeister in Stutt­
gart antreten. Die 1:1-Beziehung von Meister und Lehrling
galt schon im Mittelalter als ideale Form, Wissen und Können
von Generation zu Generation weiterzugeben. Heute versu-
chen sogar E-Learning-Programme, diese (den mittelalterlichen
Zünften abgeschaute) Lehr- und Lernbeziehung nachzubauen.
Fischer, der den vollen Namen seines Meisters (Wilhelm Müßig
in Stuttgart) wie ein Qualitätssiegel herausstellte, erwies sich
gleich ab dem ersten Lehrjahr als talentiert und gewann re-
gionale Lehrlingswettbewerbe. In der Lehre wurde ihm nicht
nur beigebracht, sorgfältig und genau zu arbeiten, er lernte
Ordnung zu halten („Ich kann nichts herumliegen sehen“) und
verinnerlichte, trotz aller Sorgfalt schnell zu arbeiten.
Eine intensive und interaktive Lehrling-Meister-Beziehung
sorgte zusätzlich dafür, dass geltende Normen („Geht-nicht-
gibt’s-nicht“-Haltung) und Rollenmuster verinnerlicht wurden.
Fischers Meister war sogar so selbstbewusst, sich Ingenieuren
und Architekten zu widersetzen, wenn diese wenig Ahnung
von der Beschaffenheit der einzusetzenden Materialien hatten.
Der Meister wusste, wie stark sich zum Beispiel bestimmte
Werkstoffe unter Hitze und Druck verändern würden und
nahm sich die Freiheit, Baupläne eigenmächtig abzuändern.
Dieses Selbstbewusstsein, allein seinem „Handwerkerver-
stand“ zu vertrauen, half Fischer später sehr, wenn er auf Qua-
lität bestand, wo andere aus Kostengründen deutliche Einspa-
rungen vornehmen wollten. Man könnte es sogar als Vorteil
ansehen, dass Fischer nicht durch ein Studium „verbildet“
worden war, weil er sich mit weniger Vorannahmen (über das,
was geht und was nicht geht) einer Sache nähern konnte. Viel-
leicht hätte ihm ein Studium die Unbefangenheit genommen,
Dinge anzuzweifeln und Unmögliches zu kombinieren.
4 Neugieriger Marktforscher.
Der Wille, etwas zu schaffen, war die treibende Kraft im Leben
von Artur Fischer. Seine drei bekanntesten Erfindungen sind
der Baukasten „Fischertechnik“, der Dübel aus Plastik und der
R
Familiensaga.
Helmut Engisch,
Michael Zerhusen: Die Fischers.
Konrad Theiss Verlag GmbH, Stutt-
gart 1998, 255 Seiten, 100 Euro
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