personalmagazin 3/2018 - page 61

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03/18 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
D
as Urteil des BAG zur Wirk-
samkeit von befristeten
Arbeitsverträgen mit Fuß-
ballprofis darf nicht den Blick
auf die eigentliche Problematik im hoch
bezahlten Profisport verstellen: das
Festhalten an den Kriterien der Einglie-
derung in eine Organisation und der
Weisungsverpflichtung für Ort, Art und
Weise einer Tätigkeit. Liegen diese Vo-
raussetzungen vor, greift meist das Ar-
beitsrecht und dessen Begründung als
unabdingbares Schutzrecht des sozial
Schwächeren. Diese Betrachtung ändert
sich auch nicht, wenn der angeblich so-
zial unterlegene Arbeitnehmer einen
monatlichen Lohnzettel erhält, bei dem
die Sorge besteht, dass für die Anzahl
der Bruttolohnziffern nicht ausreichend
Platz vorgesehen ist, oder weil die Ver-
tragsbedingungen vom Arbeitnehmer
– unter Zwischenschaltung eines Spie-
lerberaters – einseitig diktiert werden.
Alles oder nichts bedeutet hier, dass
auch ein Fußballprofi im Konfliktfall
sämtliche Register des feingliedrigen Ar-
beitnehmerschutzrechts ziehen kann. Er
könnte sich beispielsweise einem Spiel­
einsatz verweigern, wenn die Ruhezeit
zwischen zwei Arbeitsschichten nicht
Von
Thomas Muschiol
eingehalten wurde. Oder: Da die Vor-
schriften des Arbeitszeitgesetzes auch
einer öffentlich-rechtlichen Überwa-
chung unterliegen, wären die Behörden
sogar von Amts wegen gefordert, zum
Schutz des Fußballprofis die Einhaltung
des Arbeitszeitgesetzes und anderer
Vorschriften – wie etwa die Durchfüh-
rung einer Gefährdungsbeurteilung des
Arbeitsplatzes – zu kontrollieren.
Der Fußballprofi als Künstler?
An dieser Stelle ist also eindeutig zu
konstatieren: Der Sinn und Zweck des
arbeitsrechtlichen
Schutzgedankens
wird im hoch bezahlten Profisport kon-
terkariert. Man fragt sich, warum nie-
mand mehr auf den Gedanken kommt,
den Status derartiger Vertragsverhält-
nisse – als abhängiges Arbeitsverhältnis
– grundsätzlich infrage zu stellen. Dabei
gibt es in der BAG-Rechtsprechung im-
mer wieder Ansätze, die eine Einord-
nung des Profifußballers als selbststän-
dig Tätigen durchaus zulassen könnten.
Beispielhaft sei etwa die sogenannte „To-
desrad-Entscheidung“ des BAG genannt,
bei der Zirkusmitarbeiter als echte freie
Mitarbeiter akzeptiert wurden – obwohl
deren Tätigkeiten in Sachen Zeit, Ort
und Durchführung vordergründig die
klassische Definition einer abhängigen
Beschäftigung erfüllen. Wo aber soll
eigentlich der Unterschied zwischen ei-
nem Trapezkünstler im Zirkus und der
Vorführung eines exzellenten Umgangs
mit einem Ball während eines Fußball-
spiels sein? Böse gesprochen: nur in
der erheblich höheren Bezahlung des
Fußballprofis. Das lässt jedoch dessen
Einordnung als Selbstständigen nicht
als Minus gegenüber dem Artisten er-
scheinen, sondern würde dessen Status
als Unternehmer eher verstärken.
Die Sozialversicherung, die nicht auf
Einnahmen verzichten will, hat bereits
in den Achtzigerjahren vorgeschlagen,
Fußballprofis als selbstständige Künstler
anzusehen. Deren Absicherung würde
dann – wie beim Zirkusjongleur – über
die Künstlersozialversicherung erfolgen.
Wer jetzt einwendet, dass bekanntlich
einige Profifußballer über wenig oder
gar keine Ballkunst verfügen, der sei auf
eine Entscheidung des Bundessozialge-
richts (BSG) zum Kunstbegriff verwie-
sen. Das BSG hat einem gewissen Dieter
Bohlen in seiner Eigenschaft als Jurymit-
glied der Sendung „Deutschland sucht
den Superstar“ eine künstlerische Tätig-
keit bescheinigt und dabei darauf hin-
gewiesen, dass eine „Niveaukontrolle“
beim Kunstbegriff nicht durchgeführt
werden darf. Betrachten Sie das nächste
Bundesligaspiel Ihres Vereins doch mal
unter diesem Gesichtspunkt.
Unternehmer, nicht Angestellte
KOMMENTAR.
Profisportler sind keine klassischen Arbeitnehmer, trotzdem gilt für sie
das Arbeitsrecht. Thomas Muschiol sieht gute Gründe, das künftig zu ändern
THOMAS MUSCHIOL
ist
Rechtsanwalt im Arbeits- und
betrieblichen Sozialversiche-
rungsrecht in Freiburg.
Der Zweck des arbeitsrechtlichen Schutzgedankens
wird im hoch bezahlten Profisport konterkariert.
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