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03/18 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
hier (noch) normale Arbeitnehmerrechte
anzuwenden seien und dem Kläger, also
dem Torhüter, ein unbefristetes Arbeits-
verhältnis zu bescheinigen sei. Erwar-
tungsgemäß ging der Rechtsstreit in die
Instanzen und so kam das Landesar-
beitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom
17.2.2016, Az. 4 Sa 202715) zum Zuge. Die
LAG-Richter übertrumpften die Entschei-
dungsgründe der Vorinstanz nicht nur in
der Länge um zwei Seiten, sie waren auch
in der Sache ganz anderer Meinung.
Da es sich schließlich um eine
grundsätzliche Angelegenheit han-
delt, beschäftigte sich sodann das
Bundesarbeitsgericht (BAG) mit den
Auswirkungen des Arbeitsrechts auf die
Fußballwelt und schloss sich der Sicht-
weise des LAG an (Urteil vom 16.1.2018,
Az. 7 AZR 312/16). Damit steht fest, dass
entgegen der normalen Betrachtung
des Befristungsrechts, bei dem der un-
befristete Arbeitsvertag als Regelfall zu
betrachten ist, die „Eigenart des Profi-
fußballs“ dazu führt, dass dort die Be-
fristung als Usus anzusehen ist. Was
aber waren die Knackpunkte und wie
begründen sich die unterschiedlichen
Rechtsauffassungen zwischen Normal-
und Fußballerwelt?
Knackpunkt 1: Das Verschleiß-
Argument
Die sachliche Begründung für die Befris-
tung von Arbeitsverträgen von Spitzen-
sportlern könnte darin liegen, so der ers-
te Diskussionspunkt, dass die Tätigkeit
dieser Arbeitnehmer typischerweise
Verschleißerscheinungen erwarten las-
se. Daher entspräche es der Verkehrsan-
schauung, dass eine solche Tätigkeit nur
solange ausgeübt wird, wie der Arbeit-
nehmer Leistungen in seiner persönli-
chen Bestform erbringen könne. Dieser
in der Literatur vertretenen Rechtsauf-
fassung widersprachen die Mainzer Ar-
beitsrichter aber vehement und ließen
auch eine Analogie zu Arbeitsverträgen
bei Rundfunk und Presse nicht zu, da
ein solche „Interessenlage den Vereinen
im Spitzensport nicht zukomme“.
Bereits 1995 wirbelte der EuGH mit der sogenannten Bosman-Entscheidung die da-
malige Profi-Fußballwelt mächtig durcheinander. Die Richter veränderten damals das
System der Ablösezahlungen sowie der Begrenzung ausländischer Spieler.
Der EuGH entschied am 15. Dezember 1995 (EuGH, Az. C-415/93), dass die Forde-
rung einer Ablösesumme für den Wechsel eines Spielers von einem EU-Staat in einen
anderen nach Vertragsende unwirksam ist. Auch die Ausländerregelungen einiger
Länder, nach denen nur eine bestimmte Anzahl von Ausländern in einer Mannschaft
eingesetzt werden durfte, wurden – soweit Spieler aus den EU-Staaten davon betroffen
waren – für ungültig erklärt. Der damals klagende Fußballer Jean-Marc Bosman bekam
rund 780.000 Euro Entschädigung zugesprochen. Das Urteil hat jedoch eine Tragweite,
die über die Fälle von Ablösevereinbarungen hinausgeht: Denn es enthält auch die all-
gemeine Feststellung, dass Profifußballer innerhalb der EU normale Arbeitnehmer sind
und grundsätzlich auch alle arbeitsrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind.
Die Auswirkungen von Bosman
EUGH
Nicht nur im Befristungsrecht zeigt sich eine Sonderrolle von Profifußballern. Auch im
Hinblick auf die Vereinbarung des Gehalts scheinen andere Gepflogenheiten üblich.
Was würden Sie im Bewerbungsgespräch auf die Frage antworten, ob das in Aussicht
gestellte Gehalt als Brutto- oder Nettolohn zu verstehen ist? Abgesehen vom Sonderfall
der geringfügigen Beschäftigung wird dies wohl Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Frage
provozieren. Denn bekanntlich bezieht sich im Regelfall ein Gehaltsangebot nur auf eine
Bruttovergütung. Eine Nettolohnabrede ist zwar wegen der Vertragsfreiheit möglich.
Sie ist jedoch kostentechnisch ein Blindflug, verpflichtet sie den Arbeitgeber doch, die
persönliche Steuerlast des Mitarbeiters zu übernehmen, „komme, was wolle“.
Im Profifußball sind Nettolohnabreden durchaus an der Tagesordnung – und zwar obwohl
der Blindflug wegen der exorbitanten Vergütungen teuer werden kann. Das zeigt ein
Rechtsstreit, den der italienische Stürmer Luca Toni gegen seinen Ex-Arbeitgeber, den
FC Bayern München, beziehungsweise gegen einen bei der Vertragsgestaltung beigezo-
genen Steuerberater führte. Unstreitig war: Aufgrund der Nettolohnabrede musste Toni
alles gezahlt werden, was sich steuerlich aus seiner Arbeitsvergütung ergab. So bestand
auch die Pflicht, Kirchensteuern in Höhe von stolzen 1,7 (!) Millionen Euro nachzuzahlen.
Der Einwand des FC Bayern, dass auf der Lohnsteuerkarte keine Konfession eingetragen
war, konnte hier nicht gelten – ebenso wenig wie die Erinnerung einer Mitarbeiterin,
dass der Mitarbeiter Toni ihre Nachfrage nach der Kirchenzugehörigkeit mit „Nein“ be-
antwortet habe. Denn Nettolohn heißt: Alles übernehmen, „komme, was wolle“.
Als Jahre später das in Bayern für den Kirchensteuereinzug zuständige Kirchensteuer-
amt aufdeckte, dass der italienische Superstar selbstverständlich römisch-katholischer
Konfession war, realisierte sich hier dieser Grundsatz. Das dennoch nicht der FC Bayern,
sondern ein Steuerberater auf Schadensersatz in Anspruch genommen wurde, ist einer
anderen juristischen Finesse zu entnehmen: Mit einer Aufhebungsvereinbarung zwischen
Toni und dem FC Bayern hatten die Parteien auch eine Ausgleichsklausel unterschrieben,
wonach auch unbekannte Forderungen als abgegolten bezeichnet wurden. Hier hätte, so
das OLG München, der anwesende Steuerberater eingreifen und Herrn Toni raten müs-
sen, mögliche Steuernachforderungen von der Abgeltungsklausel auszunehmen.
Die etwas andere Lohnabrede
NETTOLOHN
1...,49,50,51,52,53,54,55,56,57,58 60,61,62,63,64,65,66,67,68,69,...76
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