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RECHT
_BEFRISTUNGEN
personalmagazin 03/18
Schon an dieser Stelle positionierte
sich das LAG anders und sah im Ver-
schleißargument durchaus ein an-
zuerkennendes Argument aus der
Fußballwelt. Ein Grund sei auch, dass
ein Bundesligaverein ständig bestrebt
sein müsse, seine Mannschaft durch
die Verpflichtung neuer Spieler zu ver-
bessern und ein einzelner Spieler seine
Leistungsstärke innerhalb des sich neu
herausgebildeten Mannschaftsgefüges
nicht mehr abrufen könne.
Knackpunkt 2: Das „Das-Publikum-
erwartet-dies-so“-Argument
Auch dieses Argument wollte die erste
Instanz nicht als rechtserhebliche Be-
sonderheit der Fußballwelt gelten las-
sen. Anders als bei „exponierten Schau-
spielern“, an denen sich das Publikum
irgendwann „sattgesehen“ habe, stünde
die Beliebtheit von Profispielern nicht
im Zusammenhang mit ihrer Person,
sondern mit dem Erfolg der Mannschaft.
Hier konterten die LAG-Richter mit ei-
ner anderen Sichtweise zum Einfluss
des Publikums. Dieses habe nämlich
ein ausgesprochenes „Abwechslungsbe-
dürfnis“ und erwarte, dass die Zusam-
mensetzung der Mannschaft ständig
durch Verpflichtung neuer Spieler ver-
bessert und zugleich verändert werde.
Knackpunkt 3: Das Prekarisierungs-
oder Spitzenverdiener-Argument
Auf Hochbezahlte, so eine in der Lite-
ratur vertretene Meinung, könne der
Befristungsschutz des § 14 Teilzeit- und
Befristungsgesetz (TzBfG) nicht oder
nur eingeschränkt übertragen werden.
Schließlich bestünde in derartigen Fäl-
len nicht die Gefahr einer „Prekarisie-
rung“, die durch die europarechtlichen
Befristungsvorgaben verhindert wer-
den solle. Dies ließen die erstinstanz-
lichen Richter jedoch nicht gelten, da
man auch berücksichtigen müsse, dass
Fußballprofis typischerweise keine Ge-
legenheit zur Erlernung eines Berufs
hätten und eine Perspektive nach dem
Ende der Profilaufbahn fehle.
Für die LAG-Richter war dies wiede-
rum kein Problem. Sie verwiesen auf
eine Statistik, nach der Spieler der 1.
Bundesliga durchschnittlich 1,5 Millio-
nen Euro verdienen, was beweise, dass
die Gefahr der Entstehung eines Preka-
riats hier nicht als Auslegungsmaxime
herhalten könne.
Auch der EuGH könnte noch seine
Ansichten zum Fußball einbringen
Bekanntlich haben nicht die nationalen
Gerichte, sondern der Europäische Ge-
richtshof (EuGH) in Sachen Arbeitsrecht
das letzte Wort. Und der hat schließlich
schon im Bosman-Fall seinen Fußball-
Sachverstand unter Beweis gestellt.
Werden wir daher noch eine Nachspiel-
zeit in Sachen Befristungskontrolle von
Profifußballspielern erleben?
„Damit ist zu rechnen“, sagt der Frei-
burger Rechtsanwalt Peter Rambach.
„Der Fall hat das Potenzial für eine Über-
prüfung durch den EuGH, da das deut-
sche Befristungsrecht maßgeblich durch
das Unionsrecht und die entsprechende
Befristungsrichtlinie geprägt ist.“ Daher
habe sich auch das Berufungsurteil mit
der Richtlinie auseinandergesetzt. Diese
verfolge insbesondere den Zweck, die
Situation schwacher und damit sozial
schutzbedürftiger Arbeitnehmer zu ver-
bessern, ergänzt Rambach. Wegen der
außergewöhnlich hohen Vergütungen
der Profis verschiebe sich bei der ge-
botenen Interessenabwägung aber der
Bewertungsmaßstab. „Ob das der EuGH
ebenso sehen wird, ist aber offen“, er-
klärt der Freiburger Anwalt.
Wer sich nicht auf eine sachgrundlose Erstbefristung berufen kann, kann befristete
Arbeitsverträge nur bei Vorliegen eines anerkannten Sachgrunds wirksam abschlie-
ßen. Beispiele dafür finden sich im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).
Die einer Befristung zugrunde liegenden Sachgründe müssen nicht im Arbeitsvertrag
genannt werden. Ihre Voraussetzungen müssen aber im Streitfall vor Gericht dargelegt
und gegebenenfalls bewiesen werden. Als Beispielsfälle dafür hat der Gesetzgeber in §
14 TzBfG folgende Befristungsgründe aufgeführt:
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung besteht nur vorübergehend,
die Befristung erfolgt im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium, um den
Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
der Arbeitnehmer wird zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt,
die Eigenart der Arbeitsleistung rechtfertigt die Befristung,
die Befristung erfolgt zur Erprobung,
in der Person des Arbeitnehmers liegen Gründe, die eine Befristung rechtfertigen,
der Arbeitnehmer wird aus Haushaltsmitteln vergütet, die haushaltsrechtlich für eine
befristete Beschäftigung bestimmt sind, und wird entsprechend beschäftigt,
die Befristung beruht auf einem gerichtlichen Vergleich.
Grundlage für Sachgrundbefristungen
BEFRISTUNGSGRÜNDE
THOMAS MUSCHIOL
ist Rechtsanwalt im
Arbeits- und betrieblichen Sozialversiche-
rungsrecht in Freiburg.
1...,50,51,52,53,54,55,56,57,58,59 61,62,63,64,65,66,67,68,69,70,...76
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