personalmagazin 3/2018 - page 63

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03/18 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Dies ist der Fall, wenn der Tarifvertrag in
seinem Geltungsbereich für die Gestal-
tung der Arbeitsbedingungen überwie-
gende Bedeutung erlangt hat oder wenn
die Absicherung der Wirksamkeit der
tarifvertraglichen Normsetzung gegen
die Folgen einer wirtschaftlichen Fehl-
entwicklung eine AVE verlangt.
In den konkreten Fällen sah das BAG
die erforderliche Befassung des zustän-
digen Ministers und/oder das Vorliegen
der überwiegenden Bedeutung in den je-
weiligen Jahren als nicht gegeben. Dies
brachte nun aber das Sozialkassenver-
fahren in Not, Rückforderungsansprü-
che nicht-tarifgebundener Unternehmen
standen im Raum.
Um den Fortbestand der Sozialkassen-
verfahren im Baugewerbe zu sichern,
hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur
Sicherung der Sozialkassenverfahren im
Baugewerbe (SokaSiG, BT-Drucksache
18/10631) die bislang nach § 5 TVG für
allgemeinverbindlich erklärten Tarifver-
träge beginnend mit dem 1. Januar 2006
kraft Gesetzes für alle Arbeitgeber ver-
bindlich angeordnet. Das Gesetz schafft
damit eine eigenständige Rechtsgrundla-
ge für die Sozialkassenverfahren im Bau-
gewerbe. Das SokaSiG trat am 25. Mai
2017 in Kraft. Man mag dieses Vorgehen
für unrühmlich halten, jedoch wird auf
diesem Wege für die Praxis Rechts- und
Planungssicherheit geschaffen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte
nun einen Fall zur Anwendbarkeit des
Abfindungsverbots in § 3 BetrAVG auf
einen Geschäftsführer zu entscheiden.
Die Versorgungszusage des Geschäfts-
führers sah vor, dass nach Eintritt des
Versorgungsfalls die monatlichen Ver-
sorgungsansprüche durch Kapitalzah-
lung abgefunden werden können. Ob
diese Klausel wirksam ist? In dem Ur-
teil vom 23. Mai 2017 (Az. II ZR 6/16)
schloss sich der BGH der Argumentation
des BAG an, dass von den Vorschriften
des BetrAVG zum Nachteil von Organ-
mitgliedern einer Kapitalgesellschaft in
demselben Umfang abgewichen werden
kann, wie Abweichungen durch einen
Tarifvertrag zulässig sind. Dies schafft
für die Praxis endlich eine einheitliche
Grundlage zur Gestaltung von Versor-
gungszusagen und deren Änderung mit
Geschäftsführern und Vorstandsmitglie-
dern.
Betriebsrentenanpassung: Sind aktive
latente Steuern zu berücksichtigen?
Die Prüfung einer Betriebsrentenan-
passung ist die größte Fehlerquelle im
BetrAVG. Das BAG gibt in einer Entschei-
dung (Urteil vom 21.2.2017, Az. 3 AZR
455/15) eine konkrete Hilfestellung für
die Prüfung. Den Erfurter Richtern stell-
ten sich Fragen im Zusammenhang mit
der Erstellung einer Prognose im Rah-
men des § 16 Abs. 1 BetrAVG. Konkret:
Sind für eine solche Prognose aktive la-
tente Steuern im Sinne von § 274 Abs.
1 Satz 2 HGB, die in der Bilanz des die
Versorgung schuldenden Unternehmens
ausgewiesen sind, als Beurteilungs-
grundlage für die künftige wirtschaftli-
che Entwicklung des Unternehmens ge-
eignet? Ferner konnte das BAG zu einer
Frage im Zusammenhang mit der vom
Versorgungsschuldner vorzunehmen-
den Anpassungsprüfung nach § 16 Abs.
1 BetrAVG Stellung nehmen, nämlich:
Ist hierbei auf die wirtschaftliche Lage
eines Contractual Trust Arrangements
(CTA) abzustellen, in das der Versor-
gungsschuldner seine Pensionsverbind-
lichkeiten aus Direktzusagen zur Ausfi-
nanzierung ausgelagert hat?
Das BAG hat richtigerweise beide
Fragen verneint. Aktive latente Steuern
sind als Beurteilungsgrundlage für die
künftige wirtschaftliche Entwicklung
eines Unternehmens im Zusammenhang
mit der Anpassungsprüfung nach § 16
Abs. 1 BetrAVG ungeeignet. Und: Ein
CTA-Vermögen ist nicht zu berücksich-
tigen. Die Anpassungsprüfungspflicht
nach § 16 BetrAVG trifft den Versor-
gungsschuldner und allein auf dessen
wirtschaftliche Lage kommt es an. Hier
bestätigt das BAG also seine Urteile aus
den Jahren 2014 und 2015.
Soka-Bau: Allgemeinverbindlichkeit
passé, Gesetz schließt die Lücke
Im Jahr 2017 hat schließlich der Gesetz-
geber eingegriffen – aufgrund einiger
BAG-Beschlüsse zur Allgemeinverbind-
licherklärung (AVE) des Tarifvertrags
über das Sozialkassenverfahren im Bau-
gewerbe aus den Jahren 2008, 2010 und
2014 (Beschlüsse vom 21.9.2016, Az. 10
ABR 33/15 und Az. 10 ABR 48/15). Das
BAG legte dazu im Januar 2017 mit zwei
Beschlüssen zu den AVE für die Jahre
2012 und 2013 nach (BAG-Beschluss
vom 25.1.2017, Az. 10 ABR 43/15 und
Az. 10 ABR 34/15). Das Gericht hat diese
AVE für unwirksam erklärt, wenn auch
mit unterschiedlicher Begründung.
Die Soka-Bau ist eine zentrale Insti-
tution des Baugewerbes. Sie erbringt
in Umsetzung von Tarifverträgen als
gemeinsame Einrichtung für die Bau-
branche eine Vielzahl von Leistungen,
einschließlich der Altersversorgung. Die
Soka-Bau ist dabei finanziell darauf ange-
wiesen, dass auch nicht-tarifgebundene
Unternehmen durch Allgemeinverbind-
licherklärung (AVE) dieser Tarifverträ-
ge gemäß § 5 TVG einbezogen werden.
Das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales (BMAS) kann gemäß § 5 TVG
einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit
einem Tarifausschuss für allgemeinver-
bindlich erklären, wenn die AVE im öf-
fentlichen Interesse geboten erscheint.
TOBIAS NEUFELD
ist Fach-
anwalt für Arbeitsrecht und
Partner bei Allen & Overy LLP
in Düsseldorf.
Urteil
Das BAG-Urteil zur Betriebsrenten­
anpassung im Volltext (HI10666974).
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
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