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01/18 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
rung zur Beschaffung neuer Arbeitsmit-
tel sowie Einzelvereinbarungen zu spe-
zifischen Arbeitsmitteln ausüben.
Der Betriebsrat könnte zudem auf
die Idee kommen, auf Grundlage sei-
nes Initiativrechts zur Vermeidung von
Gesundheitsgefahren die Anschaffung
neuer – bisher vom Arbeitgeber nicht
vorgesehener – Arbeitsmittel zu ver-
langen. Ob das Mitbestimmungsrecht
dies umfasst, ist jedoch zweifelhaft. Die
gesetzlichen Regelungen enthalten Vor-
gaben, die anzuschaffende Arbeitsmittel
erfüllen müssen. Pflichten, bestimmte
Arbeitsmittel bereitzustellen, ergeben
sich daraus nicht. Da die Mitbestimmung
nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG lediglich
„im Rahmen der gesetzlichen Vorschrif-
ten“ existiert, dürfte die Grenze des Ini
tiativrechts – bei der Mitbestimmung
hinsichtlich geplanter Anschaffungen
– überschritten sein (LAG Berlin-Bran-
denburg vom 25.3.2015, Az. 23 TaBV
1448/14). Bis zu einer höchstrichter-
lichen Klärung verbleibt insoweit jedoch
eine gewisse Unsicherheit.
BAG setzt Grenzen beim Initiativrecht
Angesichts der weit gefassten Regelun-
gen des § 3 ArbSchG – an diesen knüpft
die Mitbestimmung an – ließe sich an-
nehmen: Der Betriebsrat kann mit sei-
nem Initiativrecht jederzeit Einfluss auf
sämtliche Arbeitsprozesse, Begeben-
heiten in Arbeitsräumen et cetera neh-
men – mit dem Hinweis auf mögliche
gesundheitliche Auswirkungen. Dem ist
das BAG zu Recht entgegengetreten. Die
Generalklausel des § 3 Abs. 1 ArbSchG
verpflichtet den Arbeitgeber zu Maß-
nahmen des Arbeitsschutzes. Das setzt
zwar keine konkrete Gesundheitsgefahr,
wohl aber eine konkrete Gefährdung im
Sinne des § 5 Abs. 1 ArbSchG voraus.
Erst dann besteht das Mitbestimmungs-
recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (BAG
vom 28.3.2017, Az. 1 ABR 25/15).
Will der Betriebsrat Maßnahmen zum
Gesundheitsschutz vereinbaren, muss
er zunächst darlegen, woraus sich eine
derartige Gefährdung ergibt – zum Bei-
spiel aus einer durchgeführten Gefähr-
dungsbeurteilung. Ist keine Gefährdung
erkennbar, besteht auch kein Mitbestim-
mungs- und damit kein Initiativrecht.
Der Spruch einer Einigungsstelle, der
Maßnahmen zum Gesundheitsschutz
ohne erkennbare Gefährdung festlegt,
ist folglich unwirksam.
BAG: Gesamtbetriebsrat zuständig?
Für die Abgrenzung der Zuständigkei-
ten zwischen Standort- und Gesamtbe-
triebsrat gilt der folgende Grundsatz:
Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig,
wenn die in Rede stehende Regelung für
mehrere Betriebe nur einheitlich gere-
gelt werden kann. Dies wird bei der Mit-
bestimmung im Gesundheitsschutz nur
selten der Fall sein. Regelmäßig sind für
die Bewertung etwaiger Gesundheitsge-
fahren und die daraus folgenden Maß-
nahmen die Gegebenheiten vor Ort ent-
scheidend. Zuständig ist daher in aller
Regel der Standortbetriebsrat (BAG vom
18.7.2017, Az. 1 ABR 59/15).
Dies gilt auch für Maßnahmen des
Gesundheitsschutzes, die in Zusam-
menhang mit einer Regelung stehen,
die der Zuständigkeit des Gesamtbe-
triebsrats unterfällt. Wird beispielswei-
se die Vorgabe einer Dienstkleidung
unternehmenseinheitlich mit dem Ge-
samtbetriebsrat geregelt, unterliegt die
Vereinbarung von Ausnahmen von der
Bekleidungsvorschrift aus Gründen des
Gesundheitsschutzes (zum Beispiel der
Lockerung der Krawattenpflicht bei ho-
hen Raumtemperaturen) dennoch der
Zuständigkeit des Standortbetriebsrats.
Der Arbeitgeber sollte also sorgfäl-
tig differenzieren. Lassen sich Zweifel
an der Zuständigkeit nicht beseitigen,
sollten vorsorglich sowohl Standort- als
auch Gesamtbetriebsrat gleichzeitig ein-
gebunden werden.
Urteil: Mindestbelegschaft festlegen?
Wird bei einer Gefährdungsbeurteilung
eine drohende Gefährdung infolge ho-
her Arbeitsbelastung ermittelt, stellt
sich die Frage nach den Konsequen-
zen. Naheliegend ist die Aufstockung
des Personals. Lehnt der Arbeitgeber
dies ab, wird der Betriebsrat eventuell
versuchen, die Aufstockung über eine
Einigungsstelle durchzusetzen. Nach ei-
nem Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel
(Az. 7 BV 67c/16) ist die Einigungsstelle
grundsätzlich berechtigt, eine konkrete
Mindestbesetzung festzusetzen.
Ob die (nicht rechtskräftige) Entschei-
dung Bestand haben wird, ist ungewiss.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung
dürfte letztlich das BAG den Fall entschei-
den. Gewisse Bedenken bestehen, da der
Konflikt mit der unternehmerischen Frei-
heit aus Art. 12 GG evident ist. Die Fest-
legung einer Mindestbelegschaft wird
– wenn überhaupt – nur ausnahmsweise
dem billigen Ermessen entsprechen, das
der Einigungsstelle zusteht. Denn nach
der Systematik des BetrVG steht dem Be-
triebsrat in der Personalplanung lediglich
ein Informationsrecht (§ 92 BetrVG) zu.
Nur wenn ausnahmsweise eine besonde-
re Belastung aufgrund von Maßnahmen
eintritt, die arbeitswissenschaftlichen
Erkenntnissen offensichtlich widerspre-
chen, greift nach § 91 BetrVG ein Mitbe-
stimmungsrecht. Das Verhältnis von § 87
Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu diesen Normen
wird nun aufzuklären sein.
PROF. DR. STEFAN LUNK
ist
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht bei Latham &
Watkins LLP in Hamburg.
CHRISTOPH SEIDLER
ist
Rechtsanwalt bei Latham &
Watkins LLP in Hamburg.
Will der Betriebsrat
initiativ Maßnahmen
zum Gesundheitsschutz
vereinbaren, muss er
zunächst darlegen, wo-
raus sich eine konkrete
Gefährdung ergibt.