Schwerpunkt
personalmagazin 10.18
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In dieser Abbildung haben wir vier Szenarien hervorgehoben, die
gänzlich unterschiedliche Aktivitäten, Prinzipien, Ressourcen
und Verantwortlichkeiten erfordern. In der Praxis haben sich für
diese Szenarien charakteristische Begriffe etabliert. Immer mehr
Unternehmen sprechen hierbei von Simple Hiring, Specialist
Hiring, Difficult Mass Hiring oder Strategic Hiring.
• Im Fall von Simple Hiring geht es um einfach zu deckende
Bedarfe. Bei diesen Funktionen ist aufgrund hoher Verfüg-
barkeit von Personal kaum ein Fachkräftemangel spürbar.
• Specialist Hiring beschreibt jene Fälle, bei denen singuläre
Bedarfe gedeckt werden müssen (geringes Volumen), sich
dies aber als besonders schwer darstellt. Hierbei handelt es
sich zum Beispiel um Expertenpositionen, die eher selten
neu besetzt werden müssen.
• Bei Difficult Mass Hiring geht es um ein hohes Bedarfs-
volumen. Jedes Jahr wird eine Vielzahl von Kandidaten
eingestellt, die hinsichtlich ihrer Profile mehr oder weniger
vergleichbar sind. Zugleich stellt sich deren Gewinnung aber
als sehr schwierig dar. Solche Funktionen werden auch als
„Engpassfunktionen“ bezeichnet.
• Das Szenario Strategic Hiring ist mit Specialist Hiring
durchaus vergleichbar. Allerdings besteht hier eine hohe
strategische Relevanz. Es wird daher nicht nach einem ge-
eigneten Kandidaten gesucht, sondern nach dem bestmög-
lichen.
Ausgehend von den unterschiedlichen Szenarien stellt sich nun
die Frage nach den jeweils geeigneten Ansätzen bei der Perso-
nalgewinnung. Es ist offenkundig, dass Simple Hiring gänzlich
andere Maßnahmen, Ressourcen und Prioritäten erfordert, als
dies bei Difficult Mass Hiring der Fall ist.
Bausteine einer Personalgewinnungsstrategie
Eine Personalgewinnungsstrategie beschreibt, welche Ansätze,
Ressourcen, Prinzipien und Verantwortlichkeiten in Bezug auf
unterschiedliche Szenarien der Personalgewinnung als sinnvoll
ARMIN TROST ist Professor für Arbeits-
und Organisationspsychologie an der
Hochschule Furtwangen. In diesem Jahr
ist beim Verlag Springer Gabler sein Buch
„Neue Personalstrategien zwischen Stabili-
tät und Agilität“
erschienen.
erachtet werden. Das Beispiel in der Abbildung auf Seite 35 kann
als Grundlage für die eigene Strategie herangezogen werden. Etli-
che Aspekte darin sind naheliegend. Andere wiederum erfordern
eine unternehmensspezifische Betrachtung und Bewertung. Im
Folgenden werden ausgewählte Punkte eingehender erläutert.
Bei Simple Hiring bietet es sich an, klassische Recruiting-An-
sätze heranzuziehen. Im Vordergrund stehen Stellenanzeigen,
da von aktiv suchenden Bewerbern auszugehen ist. Je nach
Volumen setzen Unternehmen hier auf Effizienz, Standardisie-
rung und die Auswahl der Richtigen (Validität). Fachbereiche
können sich hier eher zurücklehnen. Nicht selten wird Simple
Hiring aus einem zentralen Shared Service Center heraus be-
trieben. Ein Recruiter (ein FTE) schafft pro Jahr möglicherweise
50 Neubesetzungen.
Im Falle von Strategic Hiring setzen die meisten Unternehmen
auf das Engagement von externen Personalberatungen, da sie
selbst nur selten den Zugang zu internationalen Zielgruppen
haben. Zudem spielen Recruiting-Kosten (Cost-per-Hire) bei
strategischen Besetzungen meist eine untergeordnete Rolle. Da
die Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens von
dieser Besetzung betroffen sind, geht es nicht um Effizienz,
sondern um Exzellenz.
Employer Branding ist in erster Linie bei Difficult Mass Hiring
angebracht, weil sich diese Bemühungen aufgrund des Volumens
besonders rechnen. Es könnte ratsam sein, gerade für ausge-
wählte Engpassfunktionen besondere Kampagnen auf die Beine
zu stellen. Dabei werden die attraktiven Besonderheiten dieser
Zielfunktionen über zielgruppenrelevante Kanäle wirksam trans-
portiert. Talent Communities sind nur im Kontext von Difficult
Mass Hiring sinnvoll. Vor allem dort lohnt sich die langfristige
Bindung vielversprechender Kandidaten. Es würde schlichtweg
keinen Sinn ergeben, eine Talent Community für singuläre Be-
darfe (Specialist Hiring) aufzubauen und zu pflegen.
Bei Specialist Hiring bietet sich die aktive Suche von Kandi-
daten etwa über Linkedin oder Empfehlungsprogramme an,
weil in diesem Fall in erster Linie passive Kandidaten in Frage
kommen und Stellenanzeigen bei diesem Szenario erfahrungsge-
mäß versagen. Active Sourcing ist – richtig angewendet – extrem
aufwendig. Deshalb lohnt sich dieser Ansatz in erster Linie bei
Bedarfen mit geringem Volumen. Anstatt einer breit angelegten
Arbeitgebermarkenkampagne sollte hier vor allem ein stellen-
spezifisches Arbeitgeberversprechen vermittelt werden.
Das Zusammenspiel mit den Fachbereichen
Im traditionellen Verständnis vieler Unternehmen ist die Perso-
nalabteilung für die Gewinnung neuer Mitarbeiter verantwort-
lich. Nachdem die Bedarfe durch den Fachbereich artikuliert
wurden, liegt es an den Kollegen aus dem Recruiting und Per-
Specialist Hiring
Difficult
Mass Hiring
Verfügbarkeit
von Talenten
Simple Hiring
Strategic Hiring
Strategische
Relevanz
gering
gering
hoch
hoch
Volumen
gering
groß
Bedarfe und Herausforderungen priorisiert