personalmagazin 10/2018 - page 39

Recruiting
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Sie können sich neue Technologien wie Virtual-Reality-Brillen,
3-D-Drucker oder Drohnen ansehen, Dinge selbst ausprobieren.
Transformation und Digitalisierung sind so sperrige Wörter.
Nicht jeder weiß, worum es dabei geht und ob ihm das Angst
machen sollte. Wir wollen Digitalisierung erlebbar und anfassbar
machen. Denn die Chancen überwiegen die Herausforderungen
bei Weitem. Bei der DB gibt es Beschäftigungssicherung und ei-
nen Tarifvertrag „Arbeit 4.0“, der einen Qualifizierungsanspruch
enthält. Die Mitarbeiter müssen sich also keine existenziellen
Sorgen machen. Aber wir müssen das Thema handhabbar und
konkret machen: Was heißt das für mich in meinem Arbeitsum-
feld? Wo sind die Perspektiven? Welchen Beitrag muss ich selbst
leisten? Welche Unterstützung erhalte ich vom Unternehmen?
Die Mitarbeiter in die digitale Zukunft mitzunehmen, kann
sich auch darin äußern, dass alle mit einem mobilen End-
gerät ausgestattet werden, wie Ihr Unternehmen es plant.
Damit nehmen wir dem Thema das, was ich als Montagmor-
gen-Effekt bezeichne. Im privaten Umfeld sind alle in irgend-
einer Form digital unterwegs und vernetzt. Das muss mehr
und mehr ins Berufsleben Einzug halten. Daher haben wir ent-
schieden, dass bis zum Ende nächsten Jahres alle Mitarbeiter
in Deutschland, die bisher kein dienstliches Endgerät haben,
mit einem Tablet oder einem Smartphone ausgestattet werden.
Sie sagen, dass Sie die digitale Transformation unter ande-
remmit Neueinstellungen in dieWege leitenwollen. Zu Ihrer
Recruitingstrategie gehört aber auch, dass Sie gezielt ältere
Menschen einstellen. Widerspricht sich das nicht?
Nein, denn wir müssen zunächst etwas anderes berücksichti-
gen: Die Personalgewinnung ist schwieriger geworden und wir
benötigen innovative Recruitingwege. Dazu gehört es auch, neue
Märkte und Zielgruppen zu erschließen. Wir suchen Menschen,
die über 50 sind, eine entsprechende Motivation mitbringen und
gut zu uns passen. Wir schauen uns auch mit großem Erfolg
Studienabbrecher an oder haben nach der Insolvenz von Air
Berlin einige Mitarbeiter übernommen. Außerdem: Nur weil
jemand über 50 ist, heißt das nicht, dass er keinen Bezug zur
Digitalisierung hat. Digitalisierung bedeutet nicht nur, ein Tablet
zu bedienen, sondern auch ein entsprechendes Mindset zu ha-
ben: Was bin ich bereit zu lernen? Es ist unsere Verantwortung,
die Leute zu qualifizieren. Das ist aber nur möglich, wenn das
richtige Mindset da ist. Das ist keine Altersfrage.
Einige Unternehmen haben Innovationsteams ausgeglie-
dert, die außerhalb der Gesetzmäßigkeiten des Konzerns
arbeiten. Gibt es in Ihrem Konzern Bereiche der Personal-
gewinnung, die sich aus der Konzernstruktur gelöst haben
und ihren eigenen Weg gehen?
Bei uns findet das innerhalb der Personalgewinnung statt,
etwa mit einem Thinktank. Hier wird grüne Wiese gedacht. Je-
der kann und soll seine Ideen einbringen. Innovation ist einer
unserer Erfolgsfaktoren in der Personalgewinnung. Entschei-
dend bei allen Überlegungen ist aber: Der eigentliche Kunde
des Recruiters ist der Bewerber. Er muss immer im Zentrum des
Handelns stehen. Bei allen technischen Lösungen – auf unserer
Karriereseite gibt es zum Beispiel Chatbots – machen wir die Er-
fahrung, dass für die Bewerber der persönliche Kontakt immer
noch das Entscheidende ist.
Digitalisierung live erlebten die Mitarbeiter bei der „Zukunft Bahn
Erlebnistour“, die auch Martin Seiler in Hannover besuchte.
Rund 500 Personen sind für die Personalgewinnung der
Deutschen Bahn tätig. Nicht jedes Unternehmen hat diese
Mannschaftsstärke, nicht jedes hat 250.000 Bewerbungen
pro Jahr zu bearbeiten. Welche Tipps würden Sie Firmen
geben, die ihr Recruiting in neue Bahnen lenken wollen?
Wir stellen sogar noch neue Recruiter ein! Aber hier muss jeder
seinen eigenen Weg finden. Jedes Unternehmen ist anders, eher
regional unterwegs oder zentral organisiert, spezialisiert oder
breit aufgestellt. Da gibt es keine One-size-fits-all-Ratschläge.
Grundsätzlich kann ich aber sagen: Stellen Sie die Bewerber
ins Zentrum, seien Sie innovativ und mutig, betrachten Sie
das Thema ganzheitlich und nutzen Sie aktuelle Technologie.
Schauen Sie ganz genau, wie die Märkte, in denen Sie suchen,
funktionieren. Es gilt, stärker den Blick nach außen zu lenken:
Wo kommen die Bewerber her? Welche Wünsche und Bedürfnis-
se haben sie? Die Kandidaten verändern sich und das erfordert
neue Vorgehensweisen.
Oder anders gefragt: Was macht bei Ihrem Recruiting den
Unterschied?
Ich denke, es ist der Dreiklang aus Innovationskraft, ganzheit-
lichem Ansatz und Technologie. Diese Elemente sehe ich als
zentral für ein erfolgreiches Recruiting an. Und diejenigen, die
das umsetzen, sind längst keine Administratoren mehr, sondern
professionelle Berater und Arbeitsmarktexperten. Das Rollen-
verständnis des Recruiters hat sich radikal verändert. Aber die
Zeiten, in denen man Stellenanzeigen gepostet und sich dann
zurückgelehnt hat, die sind eben vorbei. Personalgewinnung im
Besonderen und HR im Allgemeinen ist heute so erfolgskritisch
für ein Unternehmen wie nie zuvor.
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