personalmagazin 10/2018 - page 48

ne Thomsen heute. Einen klaren Fahr-
plan habe es dafür nicht gegeben, nur
die Vorgabe, sich wirklich am Kunden
auszurichten, entlang der Service Value
Chain: „Es war das große Ganze: ein tolles
Führungsteam, das Mitarbeiter begeis-
tert, Mitarbeiter, die wirklich mitgestalten
und die Kunden einbeziehen. Und dabei
sollte letztendlich natürlich auch Profita-
bilität entstehen. Nur wer selbst von sich
und seinen Produkten begeistert ist, kann
damit auch die Kunden anstecken.“
Kettenreaktion unter den
Mitarbeitern
Den Anfang machte das „Leadership Chal-
lenge Team“, zwölf Querdenker aus dem
Mittelmanagement, die der Geschäftslei-
tung Feedback geben sollten. Eine Art Ta-
lentpool, der Augenhöhe und Kulturver-
änderung vorlebt – mit Stefan Bauer als
Leiter. Dann kam Simone Thomsen mit
der Idee, dass das Leadership Challenge
Team die jährliche „Leadership Confe-
rence“ für rund 150 Führungskräfte orga-
nisieren sollte. Die Konferenz war vielen
bisher ein lästiges Übel, Powerpoint-Fo-
lien den ganzen Tag. Erstmals wurde die-
se Veranstaltung nun transformativ und
interaktiv gestaltet, das Leadership Chal-
lenge Team moderierte und organisierte
Workshops. „Alle Teilnehmer haben ge-
merkt, dass da etwas Transformatorisches
stattfindet“, analysiert Bauer.
Gleichzeitig haben sich die Mitarbeiter
viele Gedanken über die Vision gemacht,
diesen Superlativ, das kundenfreund-
lichste Unternehmen. „Da kommen wir
doch nie hin!“, meinten Anfang 2015 noch
viele. „Wir haben uns gefragt, müssen
wir nicht kleinere Schritte gehen“, erzählt
Thomsen. Plötzlich war da die Angst vor
der eigenen Courage – ein großer Konzern
mit seinen Strukturen beschließt jetzt so
eine Vision ohne einen klar vorgegebenen
Weg. „Wir haben aber so viele Menschen
intern auf dieser Reise begeistert und sie
haben als Leuchttürme die Idee weiter-
getragen und in der Praxis ausprobiert.“
Einer von diesen Leuchttürmen war
Nicola Fusch, damals Chief Operating Of-
ficer und treibende Kraft für bessere „Cus-
tomer Experience“. „Es ging nun darum,
wie man eine gute Führungskraft wird
und Mitarbeiter mitnehmen kann. Das
Leadership Challenge Team zeigte Augen-
höhe-Filme im Foyer, das passte wie die
Faust aufs Auge“, meint sie. Sie gründete
es zu Diskussionen, wie das gehen solle.
„Wir haben gemerkt, wenn wir wirklich
auf Augenhöhe arbeiten möchten, dann
müssen wir als Organisation alle zusam-
men daran arbeiten.“
Mehrere Teams begannen zu experi-
mentieren. Statt selbst zu entscheiden,
gab die Führungskraft ein Problem oder
eine Aufgabe ins Team. Der Auftrag hieß:
Organisiert Euch und kommt als Team
zurück. Die Mitarbeiter diskutierten wo-
chenlang über eine mögliche Struktur.
Dabei konnten sie selbst entscheiden, ob
sie Führungsaufgaben übernehmen und
in welchen Teams sie arbeiten wollten.
„Oft kam dann die Struktur heraus, die
auch die Führungskraft im Kopf hatte,
zum Beispiel ein Team mit zwei Team-
leitern, aber entscheidend war der Weg
dahin“, so Thomsen.
Katrin Blank, verantwortlich für Com-
munications bei Lilly Deutschland, ver-
setzt sich auch noch einmal in diese Zeit
zurück: „Der Funke springt von Mensch zu
Mensch über. Und das beginnt nicht da,
wo der Kundenkontakt stattfindet, son-
dern in der gesamten Wertschöpfungsket-
te. Wir hatten die Erkenntnis, dass jeder
hier in der Organisation dazu beiträgt,
dass am Ende dieses Scharnier greift.“
Falle 1: In alte Muster
zurückfallen
Führungskräfte hatten die Aufgabe, Mit-
arbeiter zu begeistern und so aufzustel-
len, dass sie sich stärker für ihre internen
und externen Geschäftspartner interes-
sierten. Das war für Nicola Fusch, die als
COO treibende Kraft in der Visionsumset-
zung war, keine leichte Aufgabe: „Mein
Lernprozess hat dieses Jahr erst richtig
angefangen“, sagt sie ganz selbstkritisch.
Zwei Restrukturierungswellen hatte Lilly
seit 2014 schon zu überwinden. Eine da-
von erlebte Fusch am eigenen Leib. Seit
Februar 2017 hat sie eine neue Rolle, ist
nun nicht mehr COO, sondern leitet das
Team „Ethics & Compliance“, ein völlig
anderes Umfeld. Mit ihr ist das Team zu
viert. Der Wechsel war nicht ganz frei-
willig, aber eine gute Chance, in der Füh-
rungsetage zu bleiben und weiterhin die
Transformation des Unternehmens zu
begleiten. „Ich hatte immer die Einstel-
lung, dass gute Ergebnisse nicht von einer
Person alleine kommen, sondern von uns
allen zusammen. Für mich war es logisch,
auch hier auf Augenhöhe zu arbeiten.“
das „Service Value Chain Council“ mit
einem Dutzend kreativen Denkern, die
konkret etwas verändern wollten und die
für die Strategieentwicklung zuständig
waren. „Wir haben uns einmal im Monat
getroffen, manchmal mit Aufgaben, an
denen wir konkret gearbeitet haben oder
auch einfach, um zu reden und zu re-
flektieren. Bei manchen Treffen dachten
wir, heute kommt nix bei rum. Aber es
hat sich immer etwas Wertvolles heraus-
kristallisiert.“
Ziel 2.0: das menschlichste
Unternehmen werden
Stefan Bauer unterstützte mit transfor-
mativen Workshops. „Wir haben immer
mehr Leute auf die Reise mitgenommen“,
so der Transformationsexperte. Lilly
holte sich Inspirationen von außen, be-
gann gleichgesinnte Organisationen zu
besuchen, wie die Drogeriemarktkette
DM in Karlsruhe, die Sys-Telios Klinik
in Siedelsbrunn, die Sparda-Bank in
München, den Wasch- und Reinigungs-
mittelhersteller Sonett in Deggenhausen.
„Wir haben anhand dieser Inspirationen
unsere Vision adaptiert. Wir wollten nun
auch das menschlichste Unternehmen
sein“, so Simone Thomsen. Wieder kam
Die große Vision
von Lilly: Das
Unternehmen will in
der Pharmaindustrie
neue Maßstäbe
setzen und das
menschlichste Unter­
nehmen sein. Einen
klaren Fahrplan dafür
gibt es nicht. Die
einzelnen Mitarbeiter
werden selbst aktiv.
Strategie & Führung
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Fotos: Thomas Mailaender; Heinrich Voelkel
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