Die Methode „Working Out Loud“
(WOL) ist einfach: In Zirkeln von vier bis
fünf Personen werden über zwölf Wochen
in einstündigen Treffen nach einer fest-
gelegten Dramaturgie individuelle Ziele
vorangebracht. Es ist eine Mischung aus
Peer-to-Peer-Beratung, Selbstreflexion
und Anleitung zum Netzwerken. WOL soll
die Fähigkeit zur Vernetzung fördern, die
digitale Transformation voranbringen, Si-
lodenken aufbrechen, Empowerment er-
möglichen und lernende Organisationen
kreieren.
Zum Erfolg eines Management-Trends
trägt eine eingängige Beschreibung von
Schmerzpunkten des Organisierens bei.
Das Harzburger Modell als erster deut-
scher Trend reagierte auf den vermeintli-
chen Missstand, dass zielorientiertes Den-
ken nur an der Spitze von Organisationen
zu finden sei. Holacracy adressiert die
Spannung zwischen starrer Formalstruk-
tur und tatsächlichen Anforderungen im
täglichen Handeln. Die Entstehung von
Scrum wiederum war eine Reaktion auf
das Bedürfnis nach schnellen Reaktionen
in Entwicklungsprozessen. WOL identifi-
ziert nun fehlende Vernetzung innerhalb
und außerhalb der Organisation.
Vernetzung ist schwer anzuweisen und
noch weniger steuerbar. Formalstrukturen
geben in Organisationen die Informati-
onsflüsse vor und definieren Kollabora-
tionsnotwendigkeiten. Aber jeder weiß:
Jenseits davon braucht es auch informale
Vernetzung, die formale Pfade ergänzt.
Dazu gehört Kollegialität genauso wie
die Ausbildung informaler Gruppen. An
diesem Punkt setzt WOL an – und kann
genau hier auch einiges leisten. Zugleich
aber ist dies auch der Grund für die Ver-
mutung, dass die Effekte begrenzter sein
werden, als der gegenwärtige Diskurs es
nahelegt, weil in der Euphorie die Bedeu-
tung des Zusammenspiels von formalen
und informalen Strukturen kaum mitge-
dacht wird. Drei Thesen dazu:
These 1: WOL ermöglicht es
den Akteuren, informal
anders zu arbeiten – lässt
die formalen Organisations
strukturen aber unverändert.
Das von John Stepper entwickelte Pro-
gramm wird als Grassroots-Bewegung
gehandelt, schließlich sollen weder die
Verwendung noch die Ziele top-down
Drei Thesen
zur
Zukunft
von WOL
Von Judith Muster und Jens Kapitzky
An „Working Out Loud“ (WOL)
kommt aktuell niemand vorbei.
Das Format schickt sich an,
das nächste richtig große Ding
zu werden – zumindest in HR-
Kreisen. Doch die Heilserwartungen
sind häufig überzogen. Drei
kritische Thesen zu einem
Management-Trend aus Sicht der
Organisationssoziologie.
Strategie & Führung
personalmagazin 10.18
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