Key Account Backoffice gerade daran, wie
wir uns komplett selbst organisieren kön-
nen. In diesen drei Bereichen machen wir
ähnliche Dinge, mit einem unterschied-
lichen Schwerpunkt.“ Keiner kennt ihre
Arbeit so gut wie sie selbst, dennoch stol-
pern sie noch über viele bürokratische
Hürden im operativen Geschäft. Wer wird
ihre Gehaltsanpassung ins System ein-
geben? Was wird passieren, wenn sie sich
einmal untereinander streiten? Ein Work-
shop mit einem externen Partner soll für
Klarheit sorgen. „Der soll aus uns allen
herauskitzeln, was wir für Hoffnungen
und Sorgen haben und wo wir hinwollen.“
Es gibt schon andere Teams, die mal
ohne Führungskraft gearbeitet haben.
Aber bei Analytics Capabilities ist das
eine bereichsübergreifende Entwick-
lung. Auch die Methode ist neu: Es gibt
kein festes Ziel, keine Meilensteine, kein
Fertigstellungsdatum. Doch das schürt
auch Ängste. Die vielen Reorganisationen
hinterlassen Spuren, Vertrauen ist nicht
selbstverständlich. „Da ist die Angst, dass
man an seinem eigenen Stuhl sägt.“
„Jeden Tag Augenhöhe und dieses posi-
tive Grundverständnis für uns alle – das
ist ganz viel Arbeit und kostet uns enorm
viel Energie. Und wenn man dann keine
Rückendeckung in seinem eigenen Team
hat, fühlt man sich schnell alleine“, ver-
rät Carla Schürmann. Der Ausstrahl-Ef-
fekt hat also auch seine Tücken, kann
ins Negative umschlagen. „Erst gestern
hatte ich so eine Phase, da dachte ich, ich
schaffe das alles nicht. Doch dann gibt
es auch wieder Tage, da fühlt man sich
mindestens wie die kleine Schwester von
Gandhi.“ Ihr hilft das Andocken an Gleich-
gesinnte, wenn mal wieder jemand in alte
Muster zurückfällt und Augenhöhe ver-
gisst. „Letztlich bin ich eine Optimistin.“
Ziel 3.0: Auch die Gesellschaft
nachhaltig verändern
„Wenn wir nah amMenschen sind, intern
wie extern, dann folgen auch die Ergeb-
nisse“, hat Simone Thomsen beobachtet.
Und die von Lilly Deutschland sind seit
2015 herausragend. Vorher galt man als
Standort, der nie seine Ziele erreichte. Mit
Augenhöhe hat Bad Homburg den Rest
der Welt überholt. „Viele im Konzern fra-
gen sich, ob das wegen oder trotz Augen-
höhe möglich war“, wirft Simone Thom-
sen ein. Mit den Ergebnissen triggerte der
Standort Interesse, Leute aus Indianapolis
kamen vorbei, um zu begreifen, was hier
geschieht. Das zu vermitteln, ist schwer-
gefallen. „Es passiert bei jedem Einzelnen
so viel an verschiedenen Stellen. Aber wir
haben versucht, unsere Geschichte immer
besser zu erzählen.“ So entstand die Idee,
kurze Videos auf Englisch zu produzieren,
die die Eckpunkte von Augenhöhe auf den
Punkt bringen. Der frühere Vorstandsvor-
sitzende John Lechleiter kam 2016 nach
Deutschland. Simone beschreibt ihn als
einen intelligenten Mann, der verstand,
was hier passiert und sie zum Weiterma-
chen animierte.
Zuerst schien die Vision 2020 zu groß.
Nun folgt schon die Strategie 2025: „Bis-
her lag der Fokus auf der transformatio-
nalen Veränderung unserer Organisation.
Jetzt richten wir die Vision auf die Ge-
sellschaft: Wir möchten die Gesund-
heit in Deutschland, Österreich und der
Schweiz verbessern, mit Gleichgesinnten
kooperieren und unser Geschäftsmodell
entsprechend erweitern“, erklärt der
Transformationsarchitekt Stefan Bauer.
Was Upstalsboom für die Hotelindustrie,
Buurtzorg für die Pflege und die Spar-
da-Bank im Bankensektor ist, soll Lilly für
die Pharmaindustrie werden. Das Ziel: ein
Pharmageschäftsmodell auf Augenhöhe.
Der nächste Wandel steht
schon wieder an
Hürden gibt es auf demWeg dahin genug.
2017 musste Lilly Deutschland zwei Wel-
len von Personalabbau überstehen. Nun
ist der Wechsel in der Geschäftsführung
die nächste Probe für Lilly. Simone Thom-
sen macht Karriere im Konzern, sie wird
Vice President International Marketing in
Indianapolis. Der Neue heißt Kadir Tepe-
basi. Der studierte Pharmazeut und Mas-
ter of Business Administration türkischer
Herkunft leitete bis Ende 2017 das gesam-
te Diabetes-Geschäft bei Lilly in Kobe, Ja-
pan, der zweitgrößten Lilly-Niederlassung
nach den USA. „Kadir kommt aus einem
anderen Kultur- und Führungskreis“, sagt
die ehemalige Geschäftsführerin, die es
wissen muss. Schließlich war sie selbst vor
ihrer Tätigkeit in Deutschland in Japan
tätig. „Der Führungsstil dort ist komplett
anders als hier und es braucht sicher eine
Umstellungsphase.“ Sie hat jedoch „ma-
ximales Vertrauen“ in das Team und den
Augenhöhe-Weg.
Gerade läuft ein gegenseitiges Be-
schnuppern, wie es bei einem Wechsel
in der Geschäftsführung normal ist. Mit-
arbeiter haben ein Video gedreht für den
Neuen und ihn damit auf eine ganz indi-
viduelle Weise empfangen. Alle machen
sich viele Gedanken um sein Onboarding.
„Die Organisation ist ja nichts ande-
res als alle Mitarbeiter zusammen. Wenn
alle weitermachen, dann geht Augenhöhe
nicht weg, bloß weil wir einen Führungs-
kräftewechsel haben“, sagt Thomsen. Die
Organisation dreht den Spieß um: Sie will
den Neuen mitnehmen und ihm zeigen,
wie Augenhöhe geht. „Es gibt sehr viel
Austausch und Gespräche darüber. Für
Kadir ist es nicht einfach, auf einen so
schnell fahrenden Zug aufzusteigen. Er
steht unter einem hohen Druck, er ist
neu, Deutschland eines der größten Nie-
derlassungen und jetzt geht hier was ganz
Ungewöhnliches ab. Das ist nicht einfach
und wir brauchen Zeit. Wir sind alle hier,
um ihn einzubetten“, betont Stefan Bauer.
„Es geht weiter, es gibt keine Alternati-
ve. Das bedeutet wieder mehr Verantwor-
tung für das Lead-Team und für die ganze
Organisation. Was für ein Armutszeugnis
wäre das zu sagen, das war nur Simone“,
findet Nicola Fusch. Trotzdem brauche es
wohl wieder mehr Energie und Gespräche.
„Dann haben wir die Chance, noch weiter
zu springen und ein noch stärkeres Zu-
sammengehörigkeitsgefühl zu schaffen.“
Bisher sind die Mitarbeiter von Kadir Te-
pebasi und seinen Umgangsformen an-
getan, er hat immer noch ein Wort des
Dankes übrig oder erkundigt sich nach
der Gesundheit von Kollegen. Carla
Schürmann sagt es so: „Man muss ihn
einfach darin bestärken, diese Verhal-
tensweise, die er uns gegenüber gezeigt
hat, beizubehalten und nicht etwa zu
glauben, dass das in seiner Position nicht
angebracht ist. Ich bin wirklich zuver-
sichtlich. Man hat immer mehr Spiel-
raum, als man glaubt.
STEFANIE HORNUNG ist freie Journa
listin in Tübingen. Sie hat sich direkt vor
Ort ein Bild von den Veränderungen bei
Lilly gemacht.
Strategie & Führung
personalmagazin 10.18
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