Schwerpunkt
personalmagazin 10.18
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soweit die zugrunde liegenden Daten zulässigerweise erhoben
werden durften und der Arbeitgeber damit Erkenntnisse über
die Eignung eines Bewerbers für die auszuübende Tätigkeit
treffen kann. Im Umkehrschluss sind sie unzulässig, soweit
diese Analysen Rückschlüsse auf allgemeine Eigenschaften
oder Persönlichkeitsmerkmale des Bewerbers erlauben, die
keinen Bezug zur auszuübenden Tätigkeit haben. Werden also
öffentlich verfügbare Texte, wie zum Beispiel Diplom-, Master-
oder Doktorarbeiten mittels Software analysiert und werden
hierdurch Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Bewerber
gezogen, ist dies grundsätzlich unzulässig. Denn ein Durch-
leuchten der Persönlichkeit ist für die Begründung des Arbeits-
verhältnisses nicht erforderlich.
Ist eine Bewerberauswahl aufgrund von
sogenannten Scoring-Verfahren zulässig?
Es gibt Bewerbertools, die die bereits gespeicherten Leistungs-
und Verhaltensdaten eines Bewerbers in einem Talentpool ana-
lysieren. Auf dieser Grundlage und unter Anwendung mathema-
tischer Algorithmen wird ein Wahrscheinlichkeitswert („Score“)
ermittelt. Dieser soll prognostizieren, wie wahrscheinlich es ist,
dass jemand die Eigenschaften für eine bestimmte Stelle mit-
bringt. Vor Geltung der DSGVO und des neuen BDSG war dies
unzulässig, da die Vorschriften über das Scoring-Verfahren §
28b Nr.2 BDSG (alte Fassung) nicht auf den früheren § 32 BDSG
verwiesen. Dies ist beim nun geltenden § 31 BDSG anders. Die
Norm verweist auf „sämtliche Vorschriften des Datenschutzes“.
Dennoch kann eine Entscheidung nur dann mithilfe eines Sco-
ring-Verfahrens getroffen werden, wenn
• ein wissenschaftlich mathematisches Verfahren zugrunde
gelegt wird,
• die Entscheidung nicht allein von dem ermittelten Wahr-
scheinlichkeitswert abhängig gemacht wird (der Scoring-
Wert darf lediglich eine Unterstützung zur Begründung des
Arbeitsverhältnisses sein),
• die zur Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts verwen-
deten Leistungs- und Verhaltensdaten nach allgemeinen
beschäftigungsdatenschutzrechtlichen Grundsätzen zulässig
erhoben worden sind. Dabei ist in einer Interessenabwägung
die Erforderlichkeit zu prüfen und die Grundrechte des Be-
troffenen zu beachten.
Welche Vorgaben des AGG sind gerade bei
Online-Stellenausschreibungen zu beachten?
Auch wenn Online-Tools häufig für eine Vielzahl von Stellen die
Ausschreibungen erstellen, muss dennoch jede einzelne Position
für sich diskriminierungsfrei formuliert sein. Beinhaltet sie
bereits ein Diskriminierungsindiz, führt das zu der Gefahr von
Entschädigungsklagen nach dem AGG. Daher ist unbedingt da-
rauf zu achten, dass die Stellenausschreibung wegen möglicher
Diskriminierungsmerkmale neutral ausgestaltet ist.
Insbesondere zu einer geschlechtsneutralen Stellenausschrei-
bung gehörte bisher einerseits die geschlechtsunspezifische Tä-
tigkeitsbezeichnung (zum Beispiel durch den Zusatz „m/w“).
Andererseits musste auch in der Tätigkeitsbeschreibung darauf
geachtet werden, nicht nur von „ihm“ oder „ihr“ zu sprechen.
Seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
(vom 10. 10. 2017, Az. 1 BvR 2019/16) wird dies schwieriger: Da-
nach soll es nun einen dritten Geschlechtseintrag im Behörden-
register geben – eine entsprechende Regelung muss der Gesetz-
geber bis Ende 2018 schaffen. Da jedoch das „dritte Geschlecht“
grundsätzlich anerkannt wird, könnte sich ein Betroffener schon
jetzt auf den BVerfG-Beschluss berufen. Dies hat – vor dem
Hintergrund des AGG – Auswirkungen auf die Formulierung von
Stellenanzeigen. Grundsätzlich gilt: Wer ein Geschlecht nicht
nennt, setzt sich dem Verdacht aus, dieses zu diskriminieren –
und er riskiert empfindliche Schadensersatzforderungen. Da das
BVerfG keine Vorgaben gemacht hat, wie das „dritte Geschlecht“
künftig zu bezeichnen ist, sollten Unternehmen etwa den Begriff
geschlechtsneutral „gsn“ in eine Stellenausschreibung aufneh-
men, um eine Benachteiligung nach dem AGG zu vermeiden.
Klassischerweise ist auch hinsichtlich der Bezugnahme auf ein
bestimmtes Alter Vorsicht geboten: neben der expliziten Suche
nach einem „jungen Mitarbeiter“ zum Beispiel auch durch Aus-
drücke wie „junges, dynamisches Team“, „langjährig“ oder „Be-
rufsanfänger“. Beim „Berufsanfänger“ gilt das jedoch nur, wenn
der Arbeitgeber ausschließlich nach Berufsanfängern sucht (und
nicht auch nach Menschen mit (erster) Berufserfahrung).
Auch altersneutral formulierte Stellenanzeigen können aber
Bewerber benachteiligen, wenn sie als Werbung in sozialen Netz-
werken nur Usern einer bestimmten Altersgruppe (zum Beispiel
zwischen 18 und 38 Jahren) angezeigt werden. Allerdings dürfte
ein solches Diskriminierungsindiz nur schwer zu beweisen sein.
Nicht zuletzt ist auch beim Absageschreiben Vorsicht geboten:
Die Begründung der Absage darf keinen (mittelbaren) Bezug zu
einem Diskriminierungsmerkmal aufweisen. Vielmehr sollte sie
allein auf die Qualifikation gestützt sein.
Welche Informationen dürfen nach dem AGG
vorab in einer Online-Maske abgefragt werden?
Unternehmen drohen nicht schon negative Konsequenzen, wenn
Bewerber freiwillig im Bewerbungsanschreiben personenbezo-
gene Daten mitteilen. Auch wenn Unternehmen diese Informa-
tionen von sich aus nicht erheben dürften, ist es nicht verboten,
sie dennoch entgegenzunehmen. Anders kann dies zu beurteilen
sein, wenn ein Unternehmen etwa mittels Online-Bewerber-
maske dazu auffordert, persönliche Informationen mitzuteilen.
Grundsätzlich darf es solche Fragen nämlich nur stellen, soweit
dies zur Begründung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist.
Bei sogenannten „Grunddaten“, wie Name, Anschrift oder
Telefonnummer des Bewerbers, ist das regelmäßig der Fall.
Grundsätzlich unzulässig sind aber Fragen nach dem Alter oder
dem Familienstand, der Schwerbehinderung, dem Kinder-
wunsch, der Ethnie oder der sexuellen Orientierung. Diese In-
formationen sind typischerweise nicht erforderlich, um ein
Arbeitsverhältnis zu begründen. Etwas anderes soll jedoch laut
BAG gelten, sofern der Arbeitnehmer die Frage nach dem Alter
nicht pflichtgemäß beantworten musste, sondern diese im On-
line-Formular (deutlich) fakultativ ausgestaltet war (Az. 8 AZR
418/15). Wie im Vorstellungsgespräch berechtigen Fragen zu
unzulässigen Themen den Bewerber, diese nicht wahrheitsge-
mäß zu beantworten. Zudem kann es ein Indiz für eine Diskri-
minierung sein, solche Informationen anzufordern beziehungs-
weise diesbezügliche Fragen zu stellen.