Österreich hatte, wollen wir bewahren. Das bedeutet auch, etwas
unkonventionell zu machen, ohne übermäßige Hierarchieschritte
durchlaufen zu müssen. Aber ich muss auch dazu sagen, dass das
mit zunehmender Mitarbeiterzahl nicht einfacher wird. Vor fünf
Jahren hatte Porsche noch etwa die Hälfte der Mitarbeiter von
heute. Es wird immer schwieriger, sich auf einer persönlichen
Ebene diese Schnelligkeit zu bewahren. Trotzdem glaube ich,
dass wir das im Moment noch gut hinbekommen.
Sie haben vorhin gesagt, dass in manchen Arbeitsfeldern
agile Arbeitsformen nicht unbedingt sinnvoll sind. Können
Sie Digitalisierung und neue Arbeitsformen auch in den
Arbeitsalltag der Produktion einbringen?
Schon heute können Mitarbeiter Fehler elektronisch doku-
mentieren und weiterleiten. Mit der Fertigung unseres Elekt-
rofahrzeugs Taycan werden wir einen weiteren Schritt gehen
und neue, wesentlich flexiblere Produktionsprozesse einführen.
Zwar werden wir in einem Teilbereich der Produktion weiterhin
Gehänge haben, bei denen die Fahrzeuge in einer bestimmten
Reihenfolge die Bänder durchlaufen. Aber es wird auch Ab-
schnitte geben, in denen die Fahrzeuge auf fahrerlosen Trans-
portsystemen laufen und jederzeit flexibel ein- und ausgesteuert
werden können. Doch das erfordert bei den Mitarbeitern auch
ein enormes Umdenken und zusätzliches Wissen. Dafür müssen
wir die Mitarbeiter noch schulen. Das wird für die Mitarbeiter
in der Produktion und in der Instandhaltung erhebliche Ver-
änderungen mit sich bringen.
Gibt es auch eine Möglichkeit für selbstbestimmte Arbeits-
zeiten in der Produktion?
In der klassischen Sportwagen-Produktion haben wir schon
relativ lange Arbeitstakte. Diese werden wir bei der Fertigung
des neuen Taycan nochmals deutlich erweitern. Das heißt, dass
ein Mitarbeiter das Fahrzeug bis zu zehn Minuten begleiten wird.
Das gibt ihm ganz andere Möglichkeiten, seine Zeit während
dieses Prozessschrittes individuell zu gestalten. Wir wollen beim
Taycan ganz bewusst neue Wege gehen. Die längeren Arbeitstakte
erlauben es dem Mitarbeiter, sich einem Thema intensiver zu
widmen, weil er ein anderes Thema vielleicht deutlich schneller
ausüben kann.
Ihr Unternehmen hat kürzlich erstmals die 30.000-Mitarbei-
ter-Marke überschritten. Und Sie planen, weitere Mitarbeiter
einzustellen. Wie schwierig ist das Recruiting für Porsche?
Im neuesten Universum-Ranking belegen Sie den ersten
Platz als Wunscharbeitgeber vonWirtschafts- und Ingenieur-
studenten.
Wir sind in der glücklichen Lage, sehr viele gute Bewerbun-
gen zu bekommen. Aber dennoch erreicht die Anzahl der guten
Bewerbungen nicht die Größenordnung, die wir letztendlich
benötigen. In der Region Stuttgart stehen wir mit vielen anderen
Unternehmen in einem intensiven Wettbewerb um die besten
Köpfe. Zudem stellen wir im Bereich der Softwareentwicklung
fest, dass wir nicht mehr nur mit den klassischen Wettbewerbern
konkurrieren, sondern auch mit der Start-up-Szene. Da gilt es
nicht nur, mit den Produkten zu punkten, sondern auch mit
ganz anderen Themen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns in
Sachen Unternehmenskultur und Arbeitsumfeld weiterbewegen
und zum Beispiel die neuen Arbeitswelten in unserem Digital
Office in Ludwigsburg einrichten. Unser Digital Lab haben wir
unter anderem auch aus diesem Grund ganz bewusst in Berlin
angesiedelt. Im Moment tun wir uns zum Glück noch nicht so
schwer, die richtigen Talente zu finden, aber wir müssen den-
noch aktiv bleiben.
Immerhin sind Sie im Universum-Ranking bei den IT-Stu-
denten von Platz neun auf Platz sieben geklettert.
Ich muss zugeben, dass IT-Entwicklung bei Porsche für IT-Ab-
solventen vielleicht nicht die allererste Wahl ist. Die klassischen
IT-Unternehmen Google, Microsoft, Apple und SAP belegen hier
die ersten Plätze. Aber ich glaube, wir können für unsere Größe,
unseren Standort und unsere Angebote mit diesem Platz im
Universum-Ranking zufrieden sein. Wir haben großen Bedarf an
Informatikern und versuchen konsequent alle Kommunikations-
wege auszuschöpfen. Mit unseren neuen Digital-Schmieden in
Berlin und Ludwigsburg, unserem Standort im Silicon Valley
und dem geplanten Standort in China eignen wir uns auch für
Menschen, die nach anderen Regeln und in einem anderen
Umfeld als dem klassischen Großunternehmen arbeiten wollen.
Neue Arbeitsformen werden häufig von Betriebsratsseite
kritisch beäugt. Wieso ist das bei Ihnen offenbar nicht so?
Der Betriebsrat mit Uwe Hück an der Spitze ist ein glühender
Befürworter der digitalen Transformation, weil er weiß, dass das,
was uns heute auszeichnet, ansonsten irgendwann nicht mehr
erreicht werden kann. Er sieht sich als Co-Treiber des digitalen
Transformationsprozesses und sieht das Thema als Chance an,
nicht als Hindernis. Das ist sicherlich nicht in vielen Unterneh-
men selbstverständlich.
Im neuen Digital Office in Ludwigsburg integriert Porsche
eine moderne Arbeitskultur in ehemalige Produktionshallen.
Strategie & Führung
personalmagazin 10.18
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Foto: www.dietmar-strauss.de 2017