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RECHT
_GEMEINSCHAFTSBETRIEB
personalmagazin 04/18
S
pätestens seit Inkrafttreten des
reformierten Arbeitnehmer
überlassungsgesetzes (AÜG) im
April 2017 suchen Unterneh
men nach alternativen Modellen zur Per
sonalkostenreduzierung. In Anbetracht
der deutlichen Verschärfung der Sank
tionen bei verdeckter Arbeitnehmer
überlassung hat das Geschäftsmodell der
(Schein-)Werkverträge endgültig ausge
dient. Jedoch: Ein nur wenig beachtetes
Gestaltungsinstrument zur Reduzierung
der Personalkosten ist die Gründung ei
nes sogenannten gewillkürten Gemein
schaftsbetriebs unter Einschaltung einer
Personalführungsgesellschaft.
Personaler verbinden mit einem Ge
meinschaftsbetrieb häufig lediglich die
unerwünschte Rechtsfolge, dass sich
die Sozialauswahl auch auf die Arbeit
nehmer des anderen Unternehmens
des Gemeinschaftsbetriebs erstreckt
und sich hierdurch der Kreis der po
tenziell vergleichbaren Arbeitnehmer
erweitert. Das ist grundsätzlich zutref
fend, allerdings lange nicht alles, was
der (gewillkürte) Gemeinschaftsbetrieb
potenziell zu bieten hat. So ist weniger
bekannt, dass nach ständiger Recht
sprechung des Bundesarbeitsgerichts
(BAG) – trotz Vorliegens eines Gemein
Von
Andrea Panzer-Heemeier
und
Carina Engelhard
schaftsbetriebs – der arbeitsrechtliche
Gleichbehandlungsgrundsatz nur in
nerhalb des jeweiligen vertragsschlie
ßenden Unternehmens, nicht jedoch
unternehmensübergreifend zur Anwen
dung kommt. Das Gegenmodell zum
Kündigungsrecht also.
Gemeinschaftsbetrieb und AÜG
Der Begriff der Arbeitnehmerüberlas
sung wird seit der AÜG-Reform gesetz
lich definiert. So bestimmt § 1 Absatz 1
Satz 2 AÜG, dass Arbeitnehmer zur Ar
beitsleistung überlassen werden, „wenn
sie in die Arbeitsorganisation des Ent
leihers eingegliedert sind und seinen
Weisungen unterliegen“.
Beim wechselseitigen Personalein
satz zweier Unternehmen in einem
Gemeinschaftsbetrieb ist dieses Merk
mal gerade nicht erfüllt. Durch die
Gründung oder durch den faktischen
Zusammenschluss zweier rechtlich
selbstständiger Unternehmen zu einem
Gemeinschaftsbetrieb entsteht eine
gemeinsame betriebliche Organisa
tion. Vor diesem Hintergrund ist das
strukturprägende Merkmal der Arbeit
nehmerüberlassung, die Eingliederung
des Arbeitnehmers in eine fremde Ar
beitsorganisation (außerhalb des Ver
tragsarbeitgebers), gerade nicht erfüllt.
In der Rechtsprechung und Literatur
ist daher anerkannt, dass sich ein Ge
meinschaftsbetrieb und das Vorliegen
von Arbeitnehmerüberlassung rechts
technisch ausschließen.
Daraus folgt für die Praxis: Zwei
rechtlich selbstständige Unternehmen
können trotz unterschiedlicher Arbeits
bedingungen hinsichtlich Entgelt, Ur
laub und Überstunden ihre jeweiligen
Arbeitnehmer gemeinsam für einen
einheitlichen arbeitstechnischen Zweck
einsetzen.
Beispiel zum Gemeinschaftsbetrieb
Eine Gestaltungsoption des Gemein
schaftsbetriebs soll der nachfolgende Fall
verdeutlichen, der Gegenstand der Ent
scheidungen des LAG Rheinland-Pfalz
(Beschluss vom 13. Oktober 2016, Az. 6
TaBVGa 2/16; Beschluss vom 24. Januar
2018, Az. 4 TaBV 9/17 und Urteil vom
6. Februar 2018, Az. 4 Sa 136/17) sowie
diverser Verfahren des Arbeitsgerichts
Trier gewesen ist (zum Sachverhalt siehe
Grafik „Beispiel“).
Die tarifgebundene A-GmbH produ
ziert und liefert unter anderem Technik
für großflächige Beschläge. Die A-GmbH
betreibt neben anderen Werken das
Werk P. In diesem Werk existiert ein
Betriebsrat. Die B-GmbH verfügte ur
sprünglich über keinen operativen Be
trieb und keine eigenen Arbeitnehmer.
Ihr Geschäftszweck bestand lediglich in
der „Verwaltung eigenen Vermögens“.
Neue Wege zu weniger Kosten
ÜBERBLICK.
Vor der AÜG-Reform haben einige Unternehmen versucht, mit (Schein-)
Werkverträgen die Personalkosten zu senken. Nun könnte eine andere Lösung helfen.