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RECHT
_ARBEITSZEUGNIS
personalmagazin 04/17
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THOMAS MUSCHIOL
ist
Rechtsanwalt mit Schwerpunkt
Arbeits- und Sozialversiche-
rungsrecht in Freiburg.
wer hat schon Zeit und Lust, nach der
eigentlichen Einigung in einem Kündi-
gungsschutzprozess noch über den Text
eines Arbeitszeugnisses zu verhandeln?
Doch der exakte Wortlaut im Vergleich
ist die einzige vollstreckbare Variante,
bei der ein Folgeprozess verhindert wer-
den kann.
Das zeigt ein Urteil des Landesarbeits-
gerichts Hamm (Urteil vom14.11.2016, 12
Ta 475/16): Hier hatte sich ein Arbeitge-
ber in einem Vergleich verpflichtet, dem
Arbeitnehmer ein Zeugnis gemäß dessen
Entwurf zu erteilen. Nach Erhalt dieses
Zeugnisses erhob der Arbeitnehmer je-
doch erneut Klage. Was war passiert? Der
Inhalt des ausgeführten Zeugnisses wich
von dem Entwurf des Arbeitnehmers ab.
Allerdings keineswegs negativ. Vielmehr
ging das Zeugnis in mehreren Passagen
sprachlich über das hinaus, was der Ar-
beitnehmer in seinem Entwurf vorge-
schlagen hatte. So wurde beispielsweise
aus der Formulierung „seine sehr gut
entwickelte Fähigkeit“ ein „seine extrem
gut entwickelte Fähigkeit“ und aus der
Schlussbewertung „sehr gut“ wurde die
Steigerung „Wenn es eine bessere Note
als ‚sehr gut‘ geben würde, würden wir
ihn damit beurteilen.“ Das LAG sah in
der Abweichung vom Entwurf „nach
oben“ einen „ironisierenden Charakter“,
man könne erkennen, dass die Bewer-
tungen nicht ernst gemeint seien, und
entschied, dass der titulierte Zeugnisan-
spruch nicht erfüllt sei.
Kinderschrift wird nicht akzeptiert
Auch ein weiterer Fall hatte mit einem
Vergleich begonnen, in dem sich der Ar-
beitgeber verpflichtete, ein qualifiziertes
Arbeitszeugnis mit exakt bestimmtem
Wortlaut zu erstellen. Dem kam der Ar-
beitgeber auch nach, ohne etwas hinzu-
zufügen oder gar wegzulassen. Warum
die Angelegenheit die Arbeitsgerichte
dennoch über zwei Instanzen weiterbe-
schäftigte, hatte folgenden Grund: Die
erste zugestellte Zeugnisfassung hatte
nicht der Geschäftsführer, sondern der
Personalreferent unterzeichnet. Das
wollte der Arbeitnehmer nicht akzep-
tieren und klagte erneut. Hier kam es
wieder zum Vergleich, in dem sich der
Geschäftsführer verpflichtete, das Zeug-
nis erneut auszustellen und selbst zu
unterschreiben.
Das wiederum führte zu einem weite-
ren Prozess, denn die Unterschrift war
ungewöhnlich krakelig ausgefallen ge-
wesen und erinnerte, so das Urteil, an
eine Art „Kinderschrift“. Der Geschäfts-
führer erklärte, er habe „zum Zeitpunkt
der Unterzeichnung einen Schlüssel-
beinbruch erlitten“. Kein Grund für eine
Kinderschrift, entschied das Arbeitsge-
richt und verurteilte den Geschäftsfüh-
rer zur erneuten Unterzeichnung. Die
erfolgte sodann, allerdings in einem
„Winkel von ca. 30 Grad von links oben
nach rechts unten“. Eine nicht ordnungs-
gemäße Unterschrift, mit dieser Begrün-
dung ging es in die nächste und letzte
Runde des Zeugnisstreits und führte zur
erneuten Aufforderung an den Arbeit-
geber, einen Zeugnistext auszustellen
und diesmal schön gerade ausgerichtet
zu unterzeichnen. Die Begründung: Eine
„schräge“ Unterschrift begründe erheb-
liche Zweifel an der Ernsthaftigkeit des
Arbeitszeugnisses.
Angesichts der Tatsache, dass sich hier
die Parteien, nachdem man sich im Kün-
digungsschutzverfahren schön geeinigt
hatte, noch 14 Monate lang über zwei
Instanzen gestritten haben, ist der Hin-
weis, sich in einem Kündigungsverfah-
ren vielleicht die Zeit zu nehmen, über
ein qualifiziertes Arbeitszeugnis im ge-
nauen Wortlaut zu verhandeln, gar nicht
so unpraktisch, wie er klingen mag.
Will man allerdings auch noch dem
Risiko eines Streits über die richtige
Unterschrift aus dem Weg gehen, soll-
te man sich ernsthaft überlegen, einen
portablen Drucker mitzuführen und das
Zeugnis dann gleich im Gerichtssaal
zu unterschreiben und auszuhändigen.
Dann wird man auch den Zeugnisstreit
vermeiden können, der von einer Schul-
sekretärin vom Zaun gebrochen wurde.
Auch hier hatte sich Vergleich an Ver-
gleich gereiht. Schließlich hatte der
Arbeitgeber genervt aufgegeben und
den Zeugnisentwurf absolut wortgetreu
übernommen. Dennoch folgte ein weite-
rer Prozess, in dem die Schulsekretärin
monierte, dass in der ihr zugestellten
Version mit Silbentrennungen gearbei-
tet wurde. Das mache den Zeugnistext
jetzt negativ und nicht mehr berufsför-
dernd. Das wiederum brachte die Rich-
ter des LAG Baden-Württemberg in Rage,
die sich in ihrem neunseitigen Urteil
(LAG Baden-Württemberg, Urteil vom
27.11.2014, 3 Sa 21/14) dafür entschie-
den, dass Silbentrennungen nicht nur
durchaus gebräuchlich seien, sondern
gegenüber einem Blocksatz mit Lücken
zwischen den einzelnen Wörtern sogar
einen „ästhetischen Vorteil“ hätten.
Sinnvoll ist, im Vergleich den Wortlaut des Zeugnisses gleich festzuhalten. Nur so
können spätere Auseinandersetzungen um die Zeugnissprache vermieden werden.
Gut beraten ist, wer hier bereits auf ein Muster zur Orientierung zurückgreifen kann.
Streitvermeidend kann sich auswirken, wenn bei einer vergleichsweisen Einigung
beiden Parteien das letzte Zwischenzeugnis vorliegt. Wird dann die Pflicht zur Zeugnis-
erstellung in den Vergleich aufgenommen, so kann man einem späteren Streit elegant
aus dem Weg gehen, wenn folgende Klausel im Vergleichstext aufgenommen wird:
„Der Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis auf der
Grundlage des Zwischenzeugnisses vom … auszustellen“.
Das Zwischenzeugnis parat haben
PRAXISTIPP