personalmagazin 4/2017 - page 66

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RECHT
_ARBEITSZEUGNIS
personalmagazin 04/17
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er Großteil aller Streitigkei-
ten vor dem Arbeitsgericht
findet nicht durch ein Ur-
teil, sondern durch den Ab-
schluss eines Vergleichs sein Ende. Ein
solcher Vergleich, so § 779 BGB, ist ein
Vertrag, „durch den der Streit über ein
Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen
Nachgebens beseitigt wird“. Gerade in
Kündigungsstreitigkeiten ist dieses „ge-
genseitige Nachgeben“ der Regelfall, die
Vergleichsquote liegt hier imBereich von
90 Prozent. Damit ein solcher Vergleich
nicht nur bezüglich seines eigentlichen
Streitgegenstandes, nämlich der Frage,
ob eine Kündigung berechtigt war, ein
Ende findet und die Parteien in anderer
Sache nicht in Kürze wieder vor dem Ge-
richt erscheinen, wird er sinnvollerwei-
se auch auf sonstige Ansprüche aus dem
Vertragsverhältnis ausgedehnt, was sich
dann etwa in folgender Formulierung
niederschlägt: „Mit diesem Vergleich
sind sämtliche wechselseitigen Ansprü-
che, gleich aus welchem Rechtsgrund,
erledigt.“ Und ist man schon dabei,
schließen sich an das Ende eines solchen
Vergleichs noch weitere Aufgaben an, die
die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
mit sich bringt, wie etwa die Rückgabe
von Datenträgern, Schlüsseln oder dem
Geschäftswagen
Bis hierher gilt: Dieser Vergleich ist
wie ein gerichtliches Urteil ein „voll-
streckungsfähiger Titel“ und die im
Vergleich genannten Verpflichtungen
werden notfalls unter Zuhilfenahme
eines Gerichtsvollziehers vollstreckt. In
Von
Thomas Muschiol
der Sache selbst kann dank des rechts-
kräftigen Vergleichs jetzt nicht mehr ge-
stritten werden.
Ausstellung des Arbeitszeugnisses wird
meist im Vergleich mitbeschlossen
Dass dies in der Praxis häufig anders aus-
sieht, liegt an einem weiteren Vergleichs-
gegenstand, der ebenfalls regelmäßig
in arbeitsgerichtlichen Vergleichen zu
finden ist: der Verpflichtung des Arbeit-
gebers, aufgrund der Vertragsauflösung
ein Arbeitszeugnis auszustellen. Im
Vergleich wird das etwa wie folgt formu-
liert: „Der Beklagte verpflichtet sich, dem
Kläger ein qualifiziertes wohlwollendes
Arbeitszeugnis auszustellen.“ Eine un-
scheinbar klingende Formulierung mit
großer Wirkung. Unscheinbar deswegen,
weil ja nur auf das hingewiesen wird,
was der Arbeitgeber ohnedies tun muss,
nämlich nach Beendigung eines Arbeits-
verhältnisses ein Arbeitszeugnis ausstel-
len. Große Wirkung hat die Formulierung
deswegen, weil sie gewissermaßen ein
Hinweis darstellt, dass auf die scheinbar
friedliche Beendigung eines Kündigungs-
streits möglicherweise noch eine Nach-
spielzeit in Form eines Zeugnisberichti-
gungsprozesses folgen wird.
Im Gegensatz zu konkret benannten
Herausgabeansprüchen, die aufgrund
eines gerichtlichen Vergleichs ohne wei-
tere Maßgabe durch einen Gerichtsvoll-
zieher vollstreckt werden können, hat
die Verpflichtung zur Erstellung eines
Zeugnisses keine vollstreckungsrecht-
liche Wirkung. Mit der Zeugnisklausel
im Vergleich ist lediglich klargestellt,
dass der Arbeitnehmer auf seinen gesetz-
lichen Zeugnisanspruch nicht verzichten
möchte. Böse Zungen behaupten daher,
dass der Mitarbeiter erst mit der Erwäh-
nung des Zeugnisses im Vergleich auf
die Idee kommt, seinen Zeugnisanspruch
vehement in einem Folgeprozess zu re-
klamieren, man also eigentlich nur schla-
fende Hunde weckt. Und hier, so zeigt
es die Vielfalt an Urteilen zum Thema
Zeugnis, ist im Gegensatz zum vorange-
gangenen Kündigungsstreit urplötzlich
Schluss mit der Bereitschaft zum ge-
genseitigen Nachgeben. Im Gegenteil:
Oft wird in einem solchen Folgeprozess
alles an Streit nachgeholt, was während
Ende der Vergleichsbereitschaft
RECHTSPRECHUNG.
Bei einem Vergleich im Kündigungsstreit sollten auch die Einzel-
heiten zum Arbeitszeugnis geklärt werden. Sonst gibt das Grund für weiteren Streit.
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