personalmagazin 4/2017 - page 64

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RECHT
_BEFRISTUNGEN
personalmagazin 04/17
Vertretungsbedarfs (BAG, Urteil vom
18.07.2012 – 7 AZR 443/09). Eine miss-
bräuchliche Ausnutzung der an sich
eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbe-
fristung sei auch aufgrund einer Gesamt-
dauer eines Arbeitsverhältnisses von fast
15 Jahren und der Anzahl von zehn be-
fristeten Verträgen indiziert (BAG, Urteil
vom 29.04.2015 – 7 AZR 310/13).
Ohne schriftliche Befristung entsteht
ein unbefristetes Arbeitsverhältnis
Die Befristung des Arbeitsvertrages
bedarf zu ihrer Wirksamkeit stets der
Schriftform und natürlich auch der
Unterschrift beider Vertragsparteien
auf der Vertragsurkunde. Auch die
Vereinbarung einer befristeten Ver-
tragsverlängerung bedarf zwingend
der Schriftform. Ein Verstoß gegen die
Schriftformerfordernis führt nicht zur
Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages,
sondern zur Unwirksamkeit der Be-
fristungsabrede, sodass im Falle eines
Formverstoßes ein unbefristetes Ar-
beitsverhältnis besteht.
Die Befristungsabrede ist von den Ar-
beitsvertragsparteien vor Beginn des Ar-
beitsverhältnisses beziehungsweise vor
Ablauf des zu verlängernden Vertrages
zu unterschreiben. Eine nachträgliche
Befristung des Arbeitsverhältnisses
kommt nur bei sachgrundbefristeten
Arbeitsverhältnissen in Betracht und ist
vom Willen beider Vertragsparteien ab-
hängig. Bei sachgrundlos befristeten Ar-
beitsverträgen nach § 14 Abs. 2 TzBfG ist
eine nachträgliche Befristung und auch
eine nachträgliche Befristung einer Ver-
tragsverlängerung generell unwirksam.
Tipp: Nicht selten werden die strengen
Anforderungen an Befristungsabreden
gerade bei Vertragsverlängerungen ver-
nachlässigt. Um rechtliche Risiken zu
vermeiden, sollten Arbeitgeber daher
unbedingt auf eine formwirksame Befris-
tungsabrede achten. Wird ein befristeter
Arbeitsvertrag durch Weiterarbeit über
das Befristungsende hinaus fortgesetzt,
gilt das Arbeitsverhältnis als unbefristet
fortgesetzt, wenn der Arbeitgeber nicht
stimmungen, wie beispielsweise § 21
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz,
der die Befristung als Vertretung bei Mut-
terschutz und Elternzeit regelt.
Liegt ein Vertretungsfall vor, ist eine
Sachgrundbefristung grundsätzlich oh-
ne Weiteres möglich. Allerdings darf die
Möglichkeit zur Vertretungsbefristung
nicht rechtsmissbräuchlich genutzt
werden. Bei der Prüfung, ob ein Arbeit-
geber missbräuchlich auf befristete Ar-
beitsverträge zurückgegriffen hat, sind
sämtliche Umstände des Einzelfalles zu
berücksichtigen. Nach Ansicht des BAG
dürfen sich die Gerichte bei der Befris­
tungskontrolle nicht auf die Prüfung
des geltend gemachten Sachgrundes der
Vertretung beschränken. Sie sind viel-
mehr verpflichtet, alle Umstände des
Einzelfalles zu prüfen. Neben weiteren
Umständen sind dabei insbesondere die
Gesamtdauer der befristeten Verträge
sowie die Anzahl der Vertragsverlänge-
rungen von besonderer Bedeutung (BAG
Urteil vom 09.09.2015 – 7 AZR 148/14).
Zur Bestimmung, wann die Schwelle
einer rechtsmissbräuchlichen Gestal-
tung von Sachgrundbefristungen über-
schritten ist, kann nach Ansicht des
BAG auf die gesetzlichen Wertungen in
§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zurückgegrif-
fen werden. Sie kennzeichnen nach Auf-
fassung des Gesetzgebers den Bereich,
der unter allen Umständen unproblema-
tisch ist. Es bestehe daher, so das BAG,
regelmäßig kein gesteigerter Anlass
zur Missbrauchskontrolle, wenn ein
die Befristung an sich rechtfertigender
Sachgrund vorliegt und die für die
sachgrundlose Befristung bezeichneten
Grenzen von zwei Jahren und der höchs­
tens dreimaligen Verlängerung in die-
sem Zeitraum nicht um ein Mehrfaches
überschritten sind. Ist ein Sachgrund
nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lasse
nach Auffassung des BAG erst das erheb-
liche Überschreiten der Grenzwerte aus
§ 14 Abs. 2 TzBfG den Schluss auf eine
missbräuchliche Gestaltung zu.
Tendenzen der Rechtsprechung bei
der Missbrauchskontrolle
Etwas anderes könne nach Ansicht des
BAG dagegen gelten, wenn die in § 14
Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen
alternativ oder insbesondere kumulativ
mehrfach überschritten werden. Dann
sei eine umfassende Missbrauchskon-
trolle geboten. Bei gravierenden Über-
schreitungen sei eine missbräuchliche
Ausnutzung der an sich eröffneten
Möglichkeit zur Sachgrundbefristung
bereits indiziert.
Eine klare Aussage, unter welchen Um-
ständen eine Rechtsmissbräuchlichkeit
indiziert sei, hat das BAG bisher nicht
getroffen. Es lassen sich aber Tendenzen
erkennen: Das BAG hatte in einem Fall, in
dem ein Arbeitnehmer in sieben befriste-
ten Arbeitsverträgen und einer Gesamt-
dauer der befristeten Arbeitsverhältnisse
von insgesamt sechs Jahren und drei Mo-
naten beschäftigt war, entschieden, dass
kein Missbrauch indiziert sei. Lediglich
der für die Vertragsdauer geltende Ge-
samtwert sei, so das BAG, mehrfach über-
schritten worden. Dabei handele es sich
jedoch nicht um eine gravierende Über-
schreitung (BAG Urteil vom 09.09.2015
– 7 AZR 148/14).
Eine Rechtsmissbräuchlichkeit sah
das BAG dagegen als indiziert bei einer
Gesamtdauer von mehr als elf Jahren
und einer Anzahl von 13 Befristungen
sowie einer gleichbleibenden Beschäf-
tigung zur Deckung eines ständigen
Wird ein befristeter
Arbeitsvertrag durch
Weiterarbeit über das
Befristungsende hin-
aus fortgesetzt, gilt das
Arbeitsverhältnis als
unbefristet.
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