personalmagazin 4/2017 - page 73

04/17 personalmagazin
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RECHT
_ROBOTISIERUNG
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A
utomatisierte Arbeitsprozesse sind der Sache nach
nichts Neues in der Arbeitswelt. Schon seit den Sieb-
zigerjahren des 20. Jahrhunderts hat sich „Kollege
Computer“ in die Büros gesellt, und Roboter prägen
die Produktionsprozesse vieler Branchen. Die damaligen Ver-
änderungen legten zwar den Weg offen für den massenhaften
Wegfall unterschiedlich qualifizierter Tätigkeiten.
Sie bildeten zugleich neue Berufsbilder aus,
eine Entwicklung, die bis heute – siehe
den IT-Bereich – noch längst nicht abge-
schlossen ist.
Hierzu parallel verläuft seit jün-
gerer Zeit eine weitere, ebenso die
Arbeitswelt maßgeblich beeinflus-
sende Entwicklung. Mit der Ver-
besserung künstlicher Intelligenz
(artificial intelligence) greifen au-
tomatisierte Prozesse, IT-Systeme
und Maschinen Arbeitsbereiche
an, die von den Entwicklungen seit
den Siebzigerjahren als resistent und
scheinbar von Maschinen als nicht ero-
berbar galten. Zunehmend werden jedoch
administrative Tätigkeiten, pflegerische Arbei-
ten wie auch intellektuell anspruchsvolle Arbeiten,
die vermeintlich von Maschinen nicht zu ersetzende Fähigkei-
ten voraussetzten – zumindest in der Vision vieler Forscher
– von Maschinen ersetzt. Als Beispiel gelten Pflegeroboter,
die imstande sind, an Demenzerkrankungen leidende Pati-
enten bei der Orientierung zu unterstützen oder Computer-
programme, die präzise Dokumente erfassen und auswerten
können und so die Arbeit vieler Juristen ersetzen können.
Wirken Mensch und künstlich intelligente Maschine zusam-
men (sogenannte „Cobots“, der Fachbegriff für die Kooperation
von Mensch und Roboter), entstehen kollegiale Beziehungen,
wie sie bisher nur zwischen zwei Menschen praktiziert worden
sind. Hier stellt sich die grundsätzliche Frage, ob es recht-
lich möglich ist, einen Menschen unter die Weisungsmacht
Von
Manteo Eisenlohr
einer – wenn auch intelligenten – Maschine zu stellen. Zwar
sind automatisierten Prozessen vergleichbare Beziehungen
bekannt, nach denen der Mitarbeiter entsprechend dem Ak-
kord einer Maschine seine Tätigkeiten ausrichtet. Situations-
bezogene Weisungsabhängigkeit von einer Maschine scheint
indes rechtlich nicht lösbar zu sein: Ist der Verstoß gegen eine
maschinelle Weisung zugleich ein Verstoß gegen den Arbeits-
vertrag? Und wie sieht es mit der Haftung aus, wenn die
maschinelle Weisung durch künstliche Intelligenz
zu einem Schaden führt?
Auch im Hinblick auf die Mitbestim-
mung des Betriebsrats wirft der Ein-
satz künstlicher Intelligenz Fragen
auf. So ist grundsätzlich zu erwä-
gen, ob die erste Einführung von
Methoden künstlicher Intelligenz
der Mitbestimmung des Betriebs-
rats unterliegen muss, da mit
ihrer Einführung neue Arbeits-
prozesse geschaffen werden, die
die Geschwindigkeit der Arbeits-
erbringung deutlich erhöhen und
somit stark in betriebliche Organisa-
tionsmuster eingreifen. Wie dies insge-
samt im Hinblick auf die Digitalisierung
von Arbeitsprozessen in Betrieben der Fall ist,
ist auch bei der Einführung künstlicher Intelligenz
das gesetzliche Rahmenwerk des Betriebsverfassungsgesetzes
nicht hinreichend ausgestaltet. Die Einführung künstlicher In-
telligenz in der Arbeitswelt hat folglich nicht – anders als bei
der frühen Automatisierung – ausschließlich den Wegfall von
Arbeit zur Folge. Vielmehr werden sich Strukturen massiv
verändern. Endgültige praktische Lösungen hierfür bestehen
angesichts der rasanten Entwicklung noch nicht.
KOLUMNE.
Roboter werden zum Kollegen – doch wie gestaltet sich ihre Beschäftigung
rechtlich? Der Einsatz künstlicher Intelligenz erfordert Ergänzungen im Arbeitsrecht.
Vertragspartner Roboter
DR. MANTEO EISENLOHR,
Rechtsanwalt und
Partner bei K&L Gates LLP, äußert sich regelmäßig an
dieser Stelle zu den aktuellen Entwicklungen in der
digitalen Arbeitswelt.
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