personalmagazin 4/2017 - page 43

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04/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
daher in der Fachkräftegewinnung und
einer Erhöhung der Arbeitgeberattrakti-
vität gesehen.
Innerhalb der Vorteile, die nach innen
wirken, benennen die Interviewpersonen
Schnelligkeit als einen zentralen Faktor.
In diesem Zusammenhang werden auch
die Aspekte Flexibilität und Zeitgewinn
erwähnt. Flexibilität wird so verstanden,
dass auf Veränderungen schnell und fle-
xibel reagiert werden kann. Da innerhalb
der Projekte immer wieder Reflexionen
stattfinden und Anpassungen vorgenom-
men werden können, entsteht ein Zeit-
gewinn. Ein weiterer Vorteil von Agilität
besteht nach Ansicht der Interviewten
in einem höheren Maß an Offenheit und
Transparenz; dies gilt sowohl für Struk-
turen und Prozesse, die transparenter
und nachvollziehbarer werden, als auch
für Ziele und Entscheidungen. Inhalte,
Ziele und Entscheidungen der Geschäfts-
führung werden ganz oder wesentlich
stärker der gesamten Belegschaft offen
kommuniziert. Transparente Strukturen
– inklusive Zuständigkeiten – und Pro-
zesse implizieren ihre klare Regelung
und Nachvollziehbarkeit für alle (betrof-
fenen) Organisationsmitglieder. Agili-
tät fordert zudem auch eine veränderte
Art der Führung und Zusammenarbeit.
So erhalten die Mitarbeitenden mehr
Verantwortung; nach Beobachtung der
Interviewpersonen erhöht dies das Qua-
litätsbewusstsein der Einzelnen und stei-
gert Zufriedenheit und Motivation – und
in der Folge die Bindung an das Unter-
nehmen (Commitment). Schließlich steht
für die Interviewten an zentraler Stelle
eine veränderte Fehlerkultur im Unter-
nehmen: „Bei uns wird niemand an den
Pranger gestellt, wenn ein Fehler pas-
siert ist“, lautete eine Aussage in einem
Interview. Erst dies ermöglicht demnach
den Mitarbeitenden, auch (mehr) Verant-
wortung zu übernehmen.
Gemeinsames Kernverständnis, aber
Unterschiede in der Gewichtung
Als Fazit lässt sich festhalten: In der Pra-
xis besteht ein gemeinsamer Kern des
Verständnisses von Agilität. Verbunden
werden damit insbesondere Schnellig-
keit und Anpassungsfähigkeit. Aller-
dings zeigen sich deutliche Unterschie-
de in der Gewichtung und Bezugnahme
auf agile Methoden (wie Scrum und
Ähnliches). Gerade Unternehmen, die
sich schon länger mit Agilität beschäfti-
gen, gehen über Methoden hinaus und
rücken eine agile Haltung in den Vorder-
grund. Als Beweggründe für die Ausei-
nandersetzung mit dem Thema Agilität
nennen die Unternehmen sowohl inter-
ne (Inwelt) als auch externe (Umwelt)
Faktoren.
Intern wirkenden Vorteilen von
Agilität kommt größeres Gewicht zu
Als tatsächliche (und teilweise auch
zunächst erhoffte) Vorteile von Agili-
tät werden in den Unternehmen zwar
externe Wirkungen betrachtet. So soll
Agilität dazu beitragen, schneller auf
Umweltveränderungen zu reagieren
und Kundenwünsche besser zu erfüllen.
In der Interviewstudie zeigt sich
jedoch, dass den intern wirkenden
Vorteilen noch ein größeres Gewicht
zukommt. Zu diesen positiven internen
Auswirkungen von Agilität wird insbe-
sondere eine veränderte Führung mit
mehr Offenheit und Transparenz ge-
nannt. Eng damit verknüpft findet sich
eine veränderte Fehlerkultur. So geben
in einem idealen Setting Führungskräfte
Verantwortung an ihre Mitarbeitenden
ab. Damit diese Strategie erfolgreich
ist, müssen jedoch Fehler erlaubt sein.
Grundlegend muss daher ein neuer, si-
tuationsadäquater Umgang mit Fehlern
entwickelt werden.
Spannend ist die Rückkopplung der
Befunde unserer Interviewstudie an die
üblicherweise ins Feld geführten Vor-
teile von Agilität. Hierunter finden sich
in der Regel eher die nach außen gerich-
teten Vorteile. Diese werden von unseren
Interviewten zwar auch gesehen und
benannt; auffällig ist jedoch, dass vor
allem diverse wahrgenommene Vorteile
von Agilität nach innen thematisiert und
expliziert werden.
Ausblick: Faktoren, die Agilität
fördern oder behindern
In unserer Interviewstudie konnten wir
überdies Faktoren identifizieren, die
Agilität in Unternehmen direkt fördern
sowie Faktoren, die eher hinderlich zu
sein scheinen. Diese Aspekte werden in
einer der folgenden Personalmagazin-
Ausgaben in einem weiteren Beitrag nä-
her beleuchtet.
PROF. DR. STEPHAN FISCHER
ist Direktor
des Instituts für Personalforschung an der
Hochschule Pforzheim.
DR. SABRINA WEBER
ist akademische
Mitarbeiterin am Institut für Personalfor-
schung an der Hochschule Pforzheim.
ANNEGRET ZIMMERMANN
ist akademi-
sche Mitarbeiterin am Institut für Personal-
forschung an der Hochschule Pforzheim.
LITERATUR
Cole, T. (2015): Digitale Transformation: Warum die deutsche Wirtschaft gerade die digitale Zukunft
verschläft und was jetzt getan werden muss! München.
Förster, K.; Wendler, R. (2012): Theorien und Konzepte zu Agilität in Organisationen. Dresdner Beiträge
zur Wirtschaftsinformatik Nr. 63/12. TU Dresden.
Goldman, S.; Nagel, R.; Preiss, K.; Warnecke, H. (1996): Agil im Wettbewerb: Die Strategie der virtuel-
len Organisation zum Nutzen des Kunden. Berlin/Heidelberg.
Häusling, A.; Fischer, S. (2016): Mythos Agilität – oder Realität. In: Personalmagazin 4/2016, 30-33.
Harsch, K. et al. (2016): Smart Workforce – Arbeitswelten der Zukunft. ESCP Europe/Haufe.
Haufe/TNS Infratest (2016): Haufe Agilitätsbarometer. Freiburg.
Komus, A.; Kuberg, M. (2015): Status Quo Agile. Studie zur Verbreitung und Nutzung agiler Methoden.
Koblenz/Berlin.
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