personalmagazin 1/2017 - page 57

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THOMAS MUSCHIOL
ist Rechtsanwalt mit
Schwerpunkt im Arbeits- und Sozialversi-
cherungsrecht.
kann nach dem neuen System der flie-
ßenden Hinzuverdienstgrenzen zwar in
Erfüllung gehen. Der Mitarbeiter muss
hier jedoch mit spitzen Bleistift vorgehen
und seinen gewünschten Hinzuverdienst
richtig prognostizieren (siehe Grafik). Er
muss zudem wissen, dass seine Prognose
jedes Jahr in einer Nachschau überprüft
wird und jede Überschreitung seines
Hinzuverdiensts zu einer nachträglichen
Rentenkürzung führen kann.
Aus der Frage des möglichen Hinzuver-
dienstes sollte sich der Arbeitgeber daher
tunlichst heraushalten. Schon deshalb,
weil der Hinzuverdienst auch durch ande-
re Einkünfte des beschäftigten Rentners
beeinflusst werden kann. Seine Pflicht
beschränkt sich auf die abrechnungstech-
nische Differenzierung auf der Grundla-
ge der Situation „vor oder nach Erreichen
der Rentenaltersgrenze“.
Auch ein grundsätzlicher arbeitsrecht-
licher Anspruch auf Arbeitszeitreduzie-
rung aufgrund der Inanspruchnahme
einer Rente vor Beginn der Regelalters-
rente besteht nicht. Ein einseitiges Recht
auf Arbeitszeitverkürzung unter Aus-
nutzung des rentenrechtlich optimalen
Hinzuverdienstes könnte sich zwar in
Form eines Teilzeitverlangens nach dem
Teilzeit- und Befristungsgesetz ergeben.
Dieses Vorgehen versagt aber dann,
wenn der Mitarbeiter seinen zukünf-
tigen Arbeitsumfang dynamisch auch
hinsichtlich möglicher Korrekturen ge-
stalten will.
Jenseits einer juristischen Betrach-
tung und vorausgesetzt, dass auch der
vom Fachkräftemangel geplagte Perso-
nalverantwortliche oft ein vitales Inte-
resse an der optimalen Ausnutzung der
Hinzuverdienstgrenzen hat, ist in diesen
Fällen die Fantasie und der Wille gefragt,
das Arbeitsverhältnis jeweils einver-
nehmlich an einen veränderten Hinzu-
verdienst anzupassen.
Arbeitsvertragliche Gestaltung:
nach Eintritt der Regelaltersgrenze
Da in den Fällen nach dem Eintritt der Re-
gelaltersgrenze – wie bisher auch – der
Hinzuverdienst keinerlei Einschränkun-
gen auf den Rentenbezug bewirkt, sind
bezüglich Art und Umfang der arbeits-
vertraglichen Gestaltung keine Grenzen
gesetzt. Ist der Mitarbeiter – was der
Regelfall sein dürfte – aber schon im
Unternehmen beschäftigt, so sollte die
Vereinbarung über ein Weiterarbeiten,
nicht erst nach dem Erreichen der Re-
gelaltersgrenze getroffen werden. Dies
würde arbeitsrechtlich zu einem neuen,
unbefristeten Arbeitsverhältnis führen.
Befristungsabreden könnten allenfalls
mit einem Sachgrund durchgeführt wer-
den, der im Konfliktfall jedoch nicht sel-
ten auf wackligen Beinen steht.
Für den praktischen Regelfall, bei dem
das Arbeitsverhältnis automatisch mit
Erreichen der Regelaltersgrenze endet,
hält § 42 SGB VI ein ideales Gestaltungs-
werkzeug vor. Hier ist geregelt: „Sieht
eine Vereinbarung die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen
der Regelaltersgrenze vor, können die
Arbeitsvertragsparteien durch Vereinba-
rung während des Arbeitsverhältnisses
den Beendigungszeitpunkt, gegebenen-
falls auch mehrfach, hinausschieben.“
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