personalmagazin 8/2016 - page 21

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08/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Elektrotechnik, Raumgestaltung, Bau-
technik, Textiltechnik, Hauswirtschaft
oder Agrartechnik. „Hat es einmal zwi-
schen dem Betrieb und dem Jugendli-
chen ‚gefunkt‘, absolviert er jedes wei-
tere Praktikum dort“, erläutert Görmar
das Konzept. So lernen sich Firmen und
Behinderte besser kennen. Wenn alles
klappt und der Gehandicapte gut ein-
gearbeitet ist, bekommt er dort einen
Arbeitsplatz.
Vom realen Arbeitsleben abgeschirmt
Görmar kann allerdings Unternehmen
gut verstehen, die Scheu davor haben,
selbst auszubilden: „Die Hürden sind
hoch und die Förderung, die es von
staatlicher Seite aus gibt, sind zu un-
flexibel und zu gering“, so die Sozialpä­
dagogin. Unternehmerin Beate Schwarz
kann diese Herausforderungen bestä-
tigen: „Wir hatten vor Jahren einmal
versucht, einen körperbehinderten Ju-
gendlichen bei uns kaufmännisch aus-
zubilden“, erzählt Beate Schwarz von
ihrer Erfahrung als inklusive Ausbilde-
rin. Die Geschäftsführerin und ihr Aus-
bildungsteam stießen dabei schnell an
ihre Grenzen. „Es war ein enormer Be-
treuungsaufwand. Der Junge war sehr
unsicher und unselbstständig.“ Obwohl
sie dem Auszubildenden einen Gleich-
altrigen zur Seite stellte, fand er sich im
normalen Leben nicht zurecht und war
den Anforderungen in ihrem Betrieb
nicht gewachsen. Der Grund: In seiner
Förderschule war der junge Mensch
vom realen Arbeitsleben abgeschirmt
worden. „Unsere Ausbilder und ich sind
nicht pädagogisch geschult. Wir haben
festgestellt, dass wir diese Aufgabe nicht
erfüllen können.“ Tatsächlich, so Gör-
mar, müssen Betriebe, die inklusiv aus-
bilden wollen, spezielle Qualifikationen
mitbringen. Einer der Ausbilder muss
die Fortbildung zum „Fachpädagogen
für berufliche Rehabilitation“ absolviert
haben. Diesen Lehrgang zu absolvieren
dauert 320 Stunden. Theoretisch darf
eine Fachkraft mit dieser Qualifikation
auch nicht von extern, etwa über einen
Bildungsträger, eingekauft werden.
In der aktuellen Novelle des Behin-
dertengleichstellungsgesetzes (BGG)
der Bundesregierung, wird gefordert,
dass junge Menschen zukünftig stärker
in Unternehmen ausgebildet werden.
Gerd Wielsch von den Neckartalwerk-
stätten in Stuttgart sieht diesen Wunsch
kritisch. „Es kommt auf die Zielgruppe
an. Allerdings gibt es behinderte Ju-
gendliche oder solche mit sozialen Stö-
rungen, die nie selbstständig arbeiten
können werden“, sagt der pädagogische
Leiter der Werkstatt. Stellt man ihnen,
wie vom Gesetzgeber vorgeschlagen, in
der assistierten Ausbildung einen sozia-
len Betreuer an die Seite oder lässt diese
Menschen mit Handicap in einem ge-
sonderten Bereich innerhalb der Firma
arbeiten, schaffe man wieder eine Aus-
nahme-Welt. So werde sich die Sonderlö-
sung bloß von der Behindertenwerkstatt
in den Betrieb verlagern.
Gerade die Menschen, die als nicht
ausbildungsfähig gelten, werden auch
in Betrieben nicht klarkommen. Und
Wielsch spricht hier weniger von Jugend-
lichenmit geistiger Behinderung, als von
Personen, die sich den normalen Regeln
eines Berufslebens nicht unterwerfen
können und in Aggression, Gewalt oder
Kriminalität verfallen. „Dieser Gruppe
zu helfen ist sehr schwer. Die Jugend-
lichen zählen sich selbst nicht zu den
Behinderten, sie haben hohe Ansprüche
an ihre Arbeit und die Entlohnung, wol-
len sich aber nicht anpassen.“ Durch ih-
re starken kognitiven Einschränkungen,
© FALKO KELLER
Für Falko Keller von der
Erdt-Gruppe ist die Beschäf-
tigung von Menschen mit
Behinderung Normalität.
„Meiner Erfahrung nach ist es enorm
wichtig, junge Behinderte so früh wie
möglich zu inkludieren.“
Robert Freumuth, Geschäftsführer der Stiftung My Handicap
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