personalmagazin 8/2016 - page 16

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TITEL
_AUSBILDUNG
personalmagazin 08/16
O
hne die Dokumentation bishe-
riger Ausbildungsleistungen
und Berufserfahrung ist es
für Migranten schwierig, die
Befähigung für den Arbeitsmarkt nach-
zuweisen. Zusätzliche Sprachdefizite
reduzieren die Chancen eines Direktein-
stiegs auf ein Minimum. Wenn gleich-
zeitig Fluchtkosten refinanziert werden
müssen, ist der Druck, schnell Geld zu
verdienen, hoch. Doch auf dem Weg zum
ersten bezahlten Job sind viele Hürden zu
überwinden. Daher ist es für Migranten
zentral zu erkennen, welche beruflichen
Optionen Erfolgsaussichten bieten. Nur
wenn klar ist, welche Fördermaßnah-
men Erfolg versprechen, sind Bildungs-
investitionen rentabel — für die Person
selbst und die Gesellschaft. Hierfür
bedarf es eines Abgleichs individueller
Ressourcen und Interessen mit den An-
forderungen des Arbeitsmarkts. Kom-
petenzfeststellungen müssen deshalb
zunächst breit angelegt werden; erst im
weiteren Verlauf des Erkenntnisgewinns
sollte enger fokussiert werden, damit
keine Potenziale vernachlässigt werden.
Dies gilt umso mehr, weil viele Men-
schen, die ohne Ausbildungsnachweise
eingereist sind, auch keine faktische
Erfahrung mit hierzulande üblichen
Berufsbildern haben. Klassische Ar-
beitsproben, wie sie die Handwerkskam-
mern häufig vorsehen, sind ein gutes
Instrument der Fähigkeitsbeurteilung,
allerdings sind die Arbeitsprozesse in
den Herkunftsländern von Flüchtlingen
häufig nur schwer mit jenen hierzulande
Von
Andreas Frintrup
und
Maik Spengler
vergleichbar. Wo die berufliche Biografie
ein nach unserenMaßstäben unbeschrie-
benes Blatt ist, sollte zu Beginn der indi-
viduellen Berufsorientierung eine breit
angelegte, ergebnisoffene und gleich-
zeitig für große Teilnehmerzahlen ska-
lierbare Methode der Kompetenzanalyse
stehen. In anschließenden Schritten kön-
nen in Abhängigkeit von der Erstanalyse
zielgerichtete Gespräche, Arbeitsproben
oder -erkundungen sowie Praktika wirt-
schaftlich sinnvoll geplant werden.
Kompetenzanalyse für Flüchtlinge
Für
diesen
Einsatzzweck
wurde
„Caidance-R“ entwickelt, eine Kompetenz­
analyse speziell für Flüchtlinge. Der Pro-
duktname setzt sich aus den englischen
Begriffen „Career“ und „Guidance“ zu-
sammen, das „-R“ wiederum verweist auf
die spezifische Umsetzung für Refugees,
also Flüchtlinge. Das Verfahren prüft
mit sprachfreien und sprachgebundenen
Methoden einen breiten Kanon berufs-
relevanter Merkmale und hilft so, indi-
viduelle Stärken und Talente zu identifi-
zieren. Dabei kommen wissenschaftlich
evaluierte psychologische Testverfahren
zur Anwendung, die aus Gründen der
Skalierbarkeit webbasiert umgesetzt
sind und auf PC, Laptop oder Tablet be-
arbeitet werden können. Somit eignet
sich „Caidance-R“ auch für die Nutzung
in Großgruppen. Die Teilnehmer wählen
selbst die Bearbeitungssprache — zur
Wahl stehen Deutsch, Englisch, Arabisch
und Persisch (Farsi). Für alle Tests liegen
psychometrische Kennwerte zu Objekti-
Integrative Eignungsdiagnostik
INSTRUMENTE.
Bewerbung ohne Zeugnis? Für viele Flüchtlinge ist das Realität. Ein
spezielles Diagnostikverfahren kann helfen, Potenziale künftiger Azubis zu erkennen.
Die Abbildung zeigt
die Verfahrensschritte der
beruflichen Kompetenzermittlung
bei Migranten ohne belastbare
Berufsbiografie.
KOMPETENZERMITTLUNG
Breite Kompetenzanalyse, überfachlich:
Kognitive Voraussetzungen, Sprachkenntnisse, berufliche Interes-
sen, berufsrelevante Persönlichkeitsmerkmale
Individuelle Beratungsgespräche
Erläuterung naheliegender Berufsfelder und arbeitsmarktliche
Orientierung, Abgleich mit Interessen und Biografie
Arbeitsproben, fachspezifisch:
Ausführung typischer Arbeitsvollzüge
in Labor-Situation
Betriebspraktika
Auswahl
für Vorqualifizierung,
EQ, Ausbildung
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