personalmagazin 10/2016 - page 28

personalmagazin 10/16
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MANAGEMENT
_RECRUITING
I
m mexikanischen San José Chiapa
im Bundesstaat Puebla entsteht ge-
rade ein neues Audi-Werk: Dort soll
künftig der Audi Q5 produziert wer-
den. Audi México will dafür bis Ende des
Jahrs 3.200 Menschen in einer Vielzahl
sehr unterschiedlicher Stellen für die
Produktion an Bord holen. Rund 240.000
Bewerbungen sind bislang schon einge-
gangen, sowohl für produktionsnahe
als auch Angestelltenpositionen. Neben
einemgroßen Einzugsgebiet mit starkem
Bewerbervolumen bietet die Region um
San José Chiapa weitere günstige Bedin-
gungen für die Entwicklung des Werks
und die Einstellung neuer Mitarbeiter:
Die Regierung des Bundesstaats Puebla
unterstützt den Werksaufbau tatkräf-
tig. Zudem beherbergt die Region eine
vielfältige Zulieferindustrie, die Audi
gemeinsam mit dem seit 50 Jahren an-
sässigen VW-Konzern fördert. Auch
die lokale Universität, die Universidad
Tecnológica de Puebla, hilft als starker
Bildungspartner bei wichtigen Auswahl-
und Entwicklungsprozessen.
Doch die große Zahl der Bewerber be-
deutet auch einige Herausforderungen
an die Personalauswahl – ebenso wie
andere, landestypische Faktoren. So ist
etwa die Qualifikation der Kandidaten in
Mexiko oft nur schwer zu bewerten. Dies
gilt insbesondere für die Kandidaten, die
sich auf die Positionen in der Produk-
tion bewerben: Ihnen fehlen neben der
Vorerfahrung oft auch formale Qualifi-
kationsnachweise oder Arbeitsbeschei-
nigungen, die als Entscheidungsbasis
dienen könnten. Relevante diagnostische
Merkmale müssen deshalb komplett im
Bewerbungsprozess abgebildet und kön-
nen nicht biografisch erhoben werden,
wie es etwa in Deutschland auf Basis von
Facharbeiter-Qualifikationen möglich
wäre. Folglich sind maßgenaue diagnos-
tische Methoden äußerst wichtig, um
geeignete Bewerber zu identifizieren,
diese mit allen verfügbaren Stellen zu
matchen und weitere Qualifizierungs-
wege planen zu können.
Neben der Bewerberzahl und der oft
fehlenden formalen Qualifikationen
gilt es weitere Herausforderungen zu
meistern. Dazu gehört beispielsweise
die Tatsache, dass die mexikanischen
Ausbildungs- und Bildungswege mit
deutschen Standards nur schwer zu ver-
gleichen sind. Eine weitere Herausfor-
derungen bei diesem Recruiting-Projekt
ist eine – verglichen mit Deutschland
– schwächere Infrastruktur. Auch die
Internetabdeckung lässt in Mexiko oft
Lücken offen.
Dennoch sind wir optimistisch, dass
das Ziel erreicht wird, vor Ort die pas-
senden Bewerber zu finden und das
Potenzial der Gegend zu fördern: Bis
Ende August wurden bereits rund 2.400
Stellen im produktionsnahen Bereich
besetzt.
Gelungen ist dies mithilfe einer um-
fassenden Eignungsdiagnostik und
strukturierten Jobmatching-Methode,
die Audi mit HR Diagnostics entwickelt
hat und die wir im Folgenden vorstellen.
Methodik des Jobmatching
Der erste Schritt im Recruitingvorhaben
war, die offenen Stellen zu clustern. Ak-
tuell gibt es bei Audi México 45 Stellen-
beschreibungen für sieben Bereiche (si-
ehe Abbildung „Jobradar“). Aus diesen
45 Stellen wurden acht definierte Job-
cluster gebildet, die mithilfe von Work-
shops mit Experten aus produktionsna-
hen Bereichen, quantitativ-statistischen
Anforderungsanalysen und ergänzen-
den Interviews mit den Fachbereichen
entstanden sind. Ein Jobcluster umfasst
über die Gewerke hinweg Tätigkeiten,
die ähnliche Anforderungen an die
Mitarbeiter stellen. Zwischen den ver-
schiedenen Jobclustern bestehen dage-
gen größere Anforderungsunterschiede
– Unterscheidungsmerkmale sind zum
Beispiel Anforderungen an Problemlö-
sefähigkeiten, räumliches Vorstellungs-
vermögen,
technisch-physikalisches
Verständnis, rechnerische Fähigkeiten,
Gewissenhaftigkeit, Lesefähigkeit, sozi-
ale Kompetenzen und physische Koordi-
nation. Zusätzlich ist es möglich, Berufe
innerhalb eines Jobclusters spezifisch
nach Tätigkeit anzupassen. Beispiels-
weise ist die Dimension „Räumliches
Vorstellungsvermögen“ für den Jobclus-
ter „Logistik“ generell durchschnittlich
relevant. Innerhalb des Jobclusters sind
Der schnellste Test von Mexiko?
PRAXIS
. Viele Bewerber, die oft keine formalen Qualifikationsnachweise haben, in kur­
zer Zeit testen: Das will Audi México mit strukturierter Matching-Methode schaffen.
BILDERGALERIE
Weitere Einblicke in das Audi-Werk in
Mexiko und den Ablauf des Assess-
ments bekommen Sie in einer Bilderga-
lerie in der Personalmagazin-App.
Von
Franziska Krauss, Annika Olofsson
und
Andreas Frintrup
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