personalmagazin 10/2016 - page 18

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TITEL
_CROWDWORKING
personalmagazin 10/16
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RUTH LEMMER
ist Wirtschaftsjournalistin in
Düsseldorf.
der Unternehmen gegen Crowdworking
selbst in der Informationswirtschaft
sind, zeigte 2015 eine repräsentative
ZEW-Befragung: Rund 45 Prozent kann-
ten das Crowdworking-Konzept noch
nicht, 52 Prozent sahen Schwierigkeiten
bei der Qualitätskontrolle, 46 Prozent
waren unsicher über die juristischen
Rahmenbedingungen und den Abfluss
von Wissen befürchteten ebenfalls 46
Prozent. Die Folge der Unkenntnis: Nur
drei Prozent der Unternehmen setzen
derzeit Crowdworking ein.
Professor Jan Marco Leimeister warnt:
„Auf Crowdworking basierende Arbeits-
formen kommen wie die Digitalisierung
– das kann man nicht aussitzen.“ Des-
halb müssten Firmen entscheiden, was
für sie das höhere Gut ist, meint Leimei-
ster — „Agilität mit Tempo, Heterogenität
und der Parallelisierung von Prozessen
oder Kontrolle und Wissensbunker.“
Handlungsfeld für Personalmanager
Eine Botschaft an Personalmanager
formuliert der Hochschullehrer auch:
„Crowdworking weitet den Handlungs-
raum für Personaler aus, das birgt Chan-
cen und Risiken für den Berufsstand.“
Tatsächlich müssen sie ihr Terrain mit
der Einkaufs- und der Forschungs- und
Produktentwicklung neu abstecken.
Und mitdiskutieren, welche Geschäfts-
strategie die richtige für die eigene Fir-
ma ist. Forscher Leimeister vermisst die
Experimentierfreude in Firmen. Crowd-
working müsse man ausprobieren. Pilot-
projekte seien der richtige Weg.
Die Konzerne bleiben vorsichtig. Bosch
zieht bei wettbewerbsunkritischen
Aufgaben eher die Form der Werkver-
tragsleistung vor. Audi probierte Crowd-
working beim Thema „Family on board“.
Und der Daimler-Betriebsrat spielte die
Idee der internen Crowd durch, während
das Management nur in einzelnen Fach-
abteilungen marginale Versuche mit Ex-
ternen startet. Pilotprojekte intern und
extern scheinen fürs Crowdworking ein
guter Weg, wenn dieser nicht zu lang-
sam beschritten wird. Professor Leimei-
ster jedenfalls sieht die Unternehmen
am Zug: „Statt um Hierarchiesilos geht
es um Job-Enrichment mit einem ganz
neuen Zungenschlag“, sagt Jan Marco
Leimeister dazu.
Plattformen breiten sich aus
Plattformen selbst bewältigen jeden-
falls nicht nur Kundenaufträge mit der
Crowd, sie wollen sich über diese Ar-
beitsform auch selbst zukunftsfest ma-
chen. Die Braunschweiger Projektbörse
und Freelancer-Plattform Proitex rief im
August Software-Entwickler dazu auf,
das System aktiv mitzugestalten. Vor-
schläge zu Sonderfunktionalitäten wie
projektbezogener Zeiterfassung, Rech-
nungserstellung, Teamarbeit und ein
Empfehlungswesen schlug die Crowd-
Community aus Arbeitsanbietern und
Auftraggebern bereits vor. Jetzt will
Proitex Einfälle sammeln für eine detail-
liertere und aussagekräftigere Darstel-
lung der IT-Expertenprofile und sucht
nach innovativen neuen Funktionen, die
sowohl den Freelancern als auch den su-
chenden Unternehmen den Akquisepro-
zess erleichtern. Diskutiert wird in der
Gruppe Xing.to/proitex, konkrete Ideen
können bei Proitex eingereicht werden.
Ziel ist nichts Geringeres als die perfek-
te Projektplattform.
Crowdworking ist derzeit in der Ar-
beitswelt noch eine kleine Nische, die
sich entwickeln muss. Im Umfeld der
Gründerszene wird befürchtet, dass
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles
das zarte Pflänzchen mit Regulierungs-
vorschlägen amweiteren Wachstum hin-
dern könnte. Carlos Frischmuth, Leiter
der Hauptstadtrepräsentanz von Hays,
plädiert dafür, dieser neuen Form der
Arbeitsbeauftragung eine Chance zum
Wachstum zu geben: „Bei jetzigem Rei-
fegrad sind der gesellschaftliche Beitrag
und die Chancen von Crowdworking für
den Arbeitsmarkt deutlich größer als
mögliche negative Effekte.“
„Personalmanager müssen Crowdwor-
king ausprobieren. Pilotprojekte sind
dazu der richtige Weg.“
Professor Jan Marco Leimeister, Wirtschaftsinformatiker, Uni Kassel
„Hier in Berlin sprießen Plattformen
wie Pilze aus dem Boden, und wir sind
gespannt, wo die Reise hingeht.“
Ines Ziminski, Vorständin Deutscher Crowdsourcing-Verband
„Der gesellschaftliche Beitrag von
Crowdworking ist deutlich größer als
mögliche negative Effekte.“
Carlos Frischmuth, Leiter Hauptstadtbüro Hays
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