personalmagazin 10/2016 - page 14

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TITEL
_
CROWDWORKING
N
avigationsgeräte sind so gut
wie ihr Input. Was nach ei-
ner Binsenweisheit klingt,
ist fundamental. Denn Auto-
fahrer, die in die Irre gelenkt werden,
können für den Anbieter einen großen
Imageschaden anrichten. Das zeigt der
Fall einer Frau aus Unna, die in Bremen
statt in eine Tiefgarage eine Treppe hi-
nunterfuhr, oder der Fall eines Mannes,
der auf einem Feldweg stecken blieb
statt seinen Termin beim Kunden wahr-
nehmen zu können. Navihersteller Tom-
tom weiß das und hat die „Wer denkt
was GmbH“ in Darmstadt, Betreiber der
Plattform App-Jobber, damit beauftragt,
derartige Debakel vermeiden zu helfen.
180.000 Smartphonenutzer beschäftigt
App-Jobber in Deutschland. Sie erfas-
sen die Daten – von Kreuzungen über
Höchstgeschwindigkeiten bis zu Haus-
nummern. Die freien und vor allem mo-
bilen Zuarbeiter laden sich eine App auf
ihr Smartphone und erfüllen Aufgaben,
die rund um ihren Standort anfallen.
Digitale Fließbandarbeiter
Außer Tomtom ist auch Rewe Kunde –
die Warenpräsentation in Gemüseab-
teilungen und Regalen wird gecheckt.
Handyfoto genügt. Die Smartphoner
on tour sehen bei App-Jobber auf den
ersten Blick, ob sie mit einem Auftrag
einen Euro (Theater-Check) oder 12,50
Euro (Waschstraßen-Check) verdienen.
Bei Microtask-Plattformen wie App-
Jobber sind die Aufgaben einfach, die
Apps leiten den Nutzer intuitiv und
Von
Ruth Lemmer
jeder, der ein Smartphone besitzt und
bedienen kann, ist willkommen. So
wächst die Crowd, die man mit Masse
übersetzen kann, mit Gewühl oder An-
drang, aber auch mit Haufen oder etwas
altmodischer mit Schar – und es ist tat-
sächlich eine Millionenschar, deren ein-
zige Gemeinsamkeit die Arbeit per Klick
ist. Diese Crowdworker arbeiten in einer
heterogenen Gruppe an einem Projekt:
Preisvergleiche für die Konkurrenzbe-
obachtung, Geodaten, Werbeplatzie-
rungen. Die digitalen Fließbandarbeiter
liefern schnell und unkompliziert, die
Plattformen sammeln und sichten, die
Auftraggeber erhalten einen regionalen
oder gar grenzüberschreitenden Über-
blick. Die einzelnen Crowdworker haben
in der Regel keinen Kontakt miteinan-
der, sondern sind vielfach Menschen im
Nebenjob und Arbeitslose, Schüler und
Studenten, Hausfrauen und -männer, die
einfach in ihrer Stadt unterwegs sind.
Der Durchschnittsverdienst der Micro-
tasker liegt bei 144 Euro im Monat.
Unterschiedliche Plattform-Typen
Diese Zahl nennt die Studie „Crowd
Work in Deutschland“. Professor Jan
Marco Leimeister, Wirtschaftsinforma-
tik-Lehrstuhlinhaber an der Universität
Kassel und Direktor des Instituts für
Wirtschaftsinformatik an der Universi-
tät St. Gallen, und sein Team haben für
die Hans-Böckler-Stiftung empirisch das
Arbeitsumfeld der externen Plattformen
untersucht. Sie definieren weitere Platt-
form-Typen:
• Auf Marktplatz-Plattformen tummeln
sich meist Know-how-Anbieter mit Spe-
Ein Feld zum Experimentieren
ÜBERBLICK.
Crowdworking steckt noch in den Kinderschuhen. Unternehmen brauchen
Pilotprojekte, um sich die neue, agile Form der Arbeitsorganisation zu erschließen.
© TAI111 / FOTOLIA.COM
Über Plattformen können Arbeits-
aufträge transparent und flexibel
vergeben werden.
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