personalmagazin 04/2016 - page 32

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MANAGEMENT
_AGILITÄT
personalmagazin 04/16
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Beispiel ein Zielbild agiler Organisations-
strukturen, einer agilen Unternehmens-
kultur und auch eines agilen Führungs-
verständnisses. Damit wird deutlich, wo
und wie die Organisation verändert wer-
den muss.
Ein häufiges Beispiel aus der Praxis:
Viele Unternehmen starten agile Verän-
derungsprozesse in ihren IT-Bereichen.
Nach einiger Zeit stellt sich die Frage, ob
Agilität nur auf Projekt- oder Produktent-
wicklungsebene verstanden werden soll
oder doch für weitere Bereiche der Orga-
nisation. Spätestens dann hilft es, eine
gemeinsame Vorstellung zu entwickeln,
wie mit der „Agilität“ des Unternehmens
umgegangen wird.
2. Dimension: Entwicklung einer kun-
denorientierten Organisationsstruktur
Unternehmen benötigen Organisations-
strukturen, die eine Anpassungsfähig-
keit ermöglichen und fördern. Während
in traditionellen Organisationen in Py-
ramiden und Silos gedacht sowie gear-
beitet wird, sehen wir in agilen Organi-
sationen eine deutliche Ausrichtung auf
den Kunden. In der Praxis entwickeln
agile Organisationen netzwerkartige
Strukturen oder bringen die Ablauforga-
nisation mithilfe von cross-funktionalen
Teams in Richtung Kunde in den Mittel-
punkt des Denkens und Handelns. Die
Aufbauorganisation rückt in den Hin-
tergrund, weil dort keine unmittelbare
Wertschöpfung stattfindet. Sie wird nun
als Befähiger der Ablauforganisation
verstanden. Dies setzt in der Praxis
aber ein großes Umdenken im Selbst-
verständnis und der Haltung der Linien-
führungskräfte voraus.
3. Dimension: Einführen iterativer
Prozesslandschaften
Bisher ist es in traditionellen Organisati-
onen üblich, Projekte und Produkte was-
serfallartig zu planen. Fünf-Jahrespläne
führen zu „erzwungenen Lügen“, weil
noch keiner weiß, was wirklich passieren
wird. Es wird viel Zeit auf das Planen und
Konzipieren verwendet, bis schließlich
nach Monaten erste Ergebnisse präsen-
tiert werden. In agilen Organisationen
sehen wir bei den Prozessen einen zent­
ralen Platz des Kunden.
Um die Kundenbedürfnisse möglichst
rasch bedienen zu können, setzen agile
Unternehmen auf ein iteratives Vorge-
hen und das Liefern in Inkrementen,
also kurzfristigen Ergebnissen. Hierfür
nutzen sie häufig Vorgehensmodelle wie
zum Beispiel Scrum. Dadurch können
dem Kunden sehr schnell Ergebnisse
präsentiert werden. Die Teams arbeiten
so eng am Kunden, dass ein entspre-
chend hoher Grad an Selbstverpflichtung
herrscht und sie sich gegenüber dem
Kunden als ergebnisverantwortlich zei-
gen. Dies führt zu einer ausgeprägten
Selbstverantwortung der Mitarbeiter.
4. Dimension: Mitarbeiterzentriertes
Führungsverständnis
In den traditionellen Organisationen
arbeiten die Mitarbeiter für die funkti-
onalen Führungskräfte, die Führungs-
kräfte sind als ausgebildete Experten
häufig der Engpass oder erzeugen auch
sehr stark über Vorgaben Druck, um
Ergebnisse zu erzielen. In agilen Or-
ganisationen ändert sich die Rolle der
Führungskräfte komplett und damit
auch die Anforderung an deren Kompe-
tenzen und Haltungen. Die Führungs-
kraft stellt sich in den Dienst der Teams,
um zusammen schneller Nutzen für den
Kunden zu schaffen. Dieses „sich-in-
den-Dienst-Stellen“ wird auch als das
Prinzip des „Servant Leadership“ ver-
standen. Die Führungskraft will damit
den Reifegrad der Mitarbeiter erhöhen,
um den Teams weitere Verantwortung
übertragen zu können. Damit können
wiederum Kundenbedürfnisse noch
besser bedient werden.
Ein Führungsverständnis in agilen Un-
ternehmen ist von einer anderen Hal-
tung der Führungskräfte geprägt als
bisher. Hier zeigt sich in der Praxis häu-
fig, ob Agilität nur ein Modewort in den
Unternehmen ist oder die Prinzipien
und Werte verinnerlicht worden sind.
5. Dimension: Implementierung agiler
Personal- und Führungsinstrumente
In traditionellen Organisationen wird
HR oftmals als reiner Administrator
wahrgenommen. HR steht weit weg vom
echten Geschäftsleben und gilt sogar als
Verhinderer von Agilität. Wenn sich aber
das Führungsverständnis verändern soll,
benötigen Unternehmen andere Perso-
nal- und Führungsinstrumente: In agi-
len Organisationen übertragen nicht nur
Führungskräfte Verantwortung und Auf-
gaben zunehmend in die cross-funktiona-
len Teams, auch die HR-Bereiche treiben
dies an. Dies kann zum Beispiel die voll-
ständige Übertragung der Verantwortung
für die Entwicklung der Mitarbeiter (in
Form von Peer Feedback) oder auch Ver-
antwortungsübergabe in Recruiting-Pro-
zessen sein. Die Mitarbeiter werden dafür
stärker in die HR-Prozesse eingebunden,
passend zur vorherrschenden ausge-
prägten Feedbackkultur. Das bedeutet,
dass HR im Dialog mit Mitarbeitern und
Führungskräften arbeitet und mit einem
klaren Kundennutzen Werte schafft. HR
ist der entscheidende Katalysator agiler
Transformation. Ohne HR werden agile
Transformationen scheitern. Leider sind
in der Praxis die wenigsten Bereiche da-
für aufgestellt.
6. Dimension: Das Leben einer agilen
Unternehmenskultur
Die Kultur der traditionellen Organisa-
tionen verhindert häufig ein höheres
Maß an Agilität. Absicherungsmecha-
nismen, Monologe, enge Regeln, viele
standardisierte Vorgaben oder wenig
Entscheidungsfreiheiten für Mitarbeiter
sind Elemente solcher Kulturen. Agi-
le Organisationskulturen sind geprägt
von Transparenz, Dialog, einer Haltung
des Vertrauens sowie von kurzfristigen
Feedbackmechanismen. Diese Merkmale
zeigen sich auch darin, dass eine proak-
tive Wissensweitergabe erfolgt und offen
und konstruktiv mit Fehlern umgegan-
gen wird. Viele bisherige Statussymbole
werden unwichtiger, weil auf Augenhöhe
gehandelt wird. Agile Organisationen
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