personalmagazin 4/2015 - page 23

23
04/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
rung, Komplexität und Beschleunigung
in Unternehmen nur noch bedingt oder
gar nicht mehr“, erklärt der Arbeits-
wissenschaftler. „Gute Kultur heute
setzt auf Vertrauen und Eigeninitiative.
Schlechte Kulturen setzen auf Kontrolle
und demotivieren die Leistungsträger“,
beschreibt de Molina den gegenwärtigen
Status. Diese Aussage unterstützt auch
Vätervertreter Baisch: „Eine gute Unter-
nehmenskultur verzichtet auf die bloße
Präsenz- und öffnet sich hin zu einer
Ergebniskultur. Fachkräfte haben freie
Hand bei der Umsetzung von Aufgaben,
können sich ihre Zeit frei einteilen. Da-
durch verbessert sich die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf.“
Kulturelles Miteinander ist
auch in virtuellen Welten möglich
Die neuen Arbeitswelten verändern
zwar die Unternehmenskultur, machen
sie aber keinesfalls obsolet, darüber
sind sich die Gesprächspartner also ei-
nig. Doch der Wandel beeinflusst auch
das Miteinander – bei virtuell geprägter
Arbeitsweise und einem stetigen Trend
zur Individualisierung wird die Ent-
wicklung der Unternehmenskultur an-
ders ablaufen müssen als bisher.
„Kulturen leben vom menschlichen
Austausch. Dieser ist durch persönlichen
Kontakt am stärksten ausgeprägt“, gibt
de Molina zu Bedenken, verweist aber
gleichzeitig darauf, dass soziale Medien
und digitale Kollaborationskonzepte die
Möglichkeiten von Austausch und Zu-
sammenarbeit erhöhen. „Gerade in den
neuen virtuellen Arbeitswelten mit zeit-
lich und räumlich flexiblen Arbeitswei-
sen ist Unternehmenskultur quasi der
Klebstoff, der alles zusammenhält“, sagt
Michael Bartz. In virtuell arbeitenden
Unternehmen komme den Führungs-
kräften eine Schlüsselrolle zu bei der
Vermittlung von Unternehmenskultur
und ihren Werten. Das Vorleben und
die Orientierung des eigenen Führungs-
verhaltens an der Unternehmenskultur
seien die konkreten Ansatzpunkte für
die Mitglieder des Managements.
Und fehlende räumliche Nähe, so
Bertelsmann-Personalentwickler Rose,
könne auch durch „relationale Nähe“,
also der gedachten oder gefühlten Nähe,
ersetzt werden. Rose erklärt: „Diese Art
von Nähe ergibt sich nicht aus dem phy-
sischen Zusammensein, sondern dem
Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Wer-
tegemeinschaft, einem ‚Tribe‘, wie es
Seth Godin nennt. Die Mitglieder eines
Tribes können über den ganzen Erdball
verstreut sein. Solange ein regelmäßiger
virtueller Kontakt besteht, zum Beispiel
über Enterprise-2.0-Tools, kann auch
der Tribe fortbestehen.“ Unternehmen,
die sich dieses Prinzip zunutze machen,
könnten so auch mit einemMinimum an
physischem Kontakt von einer starken
Kultur profitieren.
Und wer treibt in Zukunft die Kultur?
Idealerweise mehrere, meint Michael
Bartz. „Verantwortung der Geschäfts-
führung ist, dass an dem Thema ‚Un-
ternehmenskultur‘ gearbeitet wird. Die
Belegschaft verantwortet das Mitarbei-
ten an der Entwicklung. HR ist der Mode-
rator des Prozesses.“ Nico Rose erwartet
darüber hinaus, dass sich die Unterneh-
menskultur künftig immer mehr von der
Entwicklung „top down“ verabschiedet:
„Der digitale Wandel verändert viele
Branchen so schnell und umfassend,
dass ein von oben vorgegebener, kaska-
dierender Wandlungsprozess zu lange
dauert. Der Wandel muss unter solchen
Extrembedingungen praktisch überall
zugleich angestoßen werden.“ Dies, so
Rose, funktioniert am besten in sehr
dezentral oder selbstorganisatorisch ge-
führten Unternehmen.“
„In virtuellen Arbeitswelten ist Unter-
nehmenskultur quasi der Klebstoff, der
alles zusammenhält.“
Prof. Michael Bartz, New World of Work Forschungszentrum IMC FH Krems
„Eine Kultur der Vereinbarkeit von Fa-
milie und Beruf wird der Vorzeigefaktor
für ein positives Arbeitgeberimage
.
Volker Baisch, Väter gGmbH, Hamburg
Eine vertiefende Auseinandersetzung der Diskussionspartner und weiterer Experten
mit dem Thema Kulturwandel finden Sie im Buch „Arbeitskultur 2020“.
Das Buch zeigt praktische Erfahrungen und Projekte des Wandels der
Arbeitskultur. Beiträge von Unternehmenspraktikern, Wissenschaftlern
und Verbandsvertretern liefern Denkanstöße für die Arbeit der Zukunft.
Arbeitskultur in Gegenwart und Zukunft
BUCHTIPP
Prof. Dr. Werner Widuckl, Dr. Karl de Molina, Prof. Dr. Max Ringlstetter,
Prof. Dr. Dieter Frey (Hrsg.): Arbeitskultur 2020. Herausforderungen und
Best Practices der Arbeitswelt der Zukunft. 583 Seiten, Springer-Verlag
Heidelberg, 2014. 49,99 Euro.
1...,13,14,15,16,17,18,19,20,21,22 24,25,26,27,28,29,30,31,32,33,...84
Powered by FlippingBook