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der Erscheinungsebene (Artefakte), den
in der Organisation unterstützten Über-
zeugungen und Werten sowie grundle-
genden Annahmen (zum Beispiel über
Zeit, menschliche Aktivität und Natur),
die Wahrnehmen, Verhalten, Denken
und Fühlen beeinflussen und derer sich
die Akteure imAlltag nicht bewusst sind.
Unternehmenskultur und Werte
In der Praxis wird der Begriff der Un-
ternehmenskultur mit Werten, Normen
und Praktiken in Verbindung gebracht,
die als positiv gelten (zum Beispiel
Wertschätzung oder Integrität). Unter-
nehmenskultur wird als Werteverständ-
nis postuliert, von dem angenommen
wird, dass es als gute moralische Ori-
entierung innerhalb des Unternehmens
gewollt und geteilt und von der Umwelt
positiv aufgenommen wird. Die Begriffe
„Kulturwandel“ und „Unternehmens-
kultur“ fungieren daher häufig als Pos-
tulat einer „moralischen Läuterung“.
Aus diesen unterschiedlichen Begriffs-
verständnissen ergeben sich weitere
Fragen: Welche Beziehungen haben die
Unternehmenskulturen zu Werten? Wie
sind Unternehmenskulturen veränderbar
und welche Rolle spielt diese in Verände-
rungsprozessen? Vor welchen Herausfor-
derungen stehen Unternehmenskulturen
in Deutschland gegenwärtig?
Geteilte Werte und Überzeugungen
bilden einen prägenden Bestandteil von
Unternehmenskulturen. In Unterneh-
men bildet sich ein bestimmter Pfad
im Rahmen der organisationalen Ent-
wicklung heraus, der geteilte Werte und
Überzeugungen zu einem Teil der orga-
nisationalen Identität werden lässt. Dies
bedarf einer Legitimation, die sich nicht
allein aus der Erfolgswirksamkeit von
Werten und Überzeugungen ableiten
lässt. Hier wirken gesellschaftliche Wert-
und Leitvorstellungen auf Unternehmen
ein. Diese Einwirkung ist aber nicht
immer eindeutig, weil diese Wert- und
Leitvorstellungen gesellschaftlich um-
stritten sein können (Beispiel Toleranz).
Deshalb bedarf es einer handlungslei-
tenden Interpretation gesellschaftlicher
Erwartungen in Unternehmen. Diese
Interpretation kann innerhalb von Un-
ternehmen oder in der Beziehung zur
Umwelt kontrovers sein. Hierauf haben
Macht- und Interessenbeziehungen ei-
nen starken Einfluss.
Dieses potenzielle Spannungsver-
hältnis wird besonders wirksam, wenn
bisher erfolgreiche Geschäftspraktiken
und Leistungsziele sowie Bewertungs-
systeme gesellschaftlich nicht mehr
akzeptiert werden. Dies führt zu einem
Veränderungszwang, der nicht ohne Wi-
derstände bewältigt werden kann. Die
Postulierung von veränderten Werten
und Überzeugungen allein reicht hierfür
nicht aus. Der geforderte kulturelle Wan-
del kann erst dann als erfolgreich ange-
sehen werden, wenn er in neue geteilte
Werte und Überzeugungen gemündet ist,
die zu einer Veränderung von Praktiken
führen. Hierzu müssen Grundannahmen
im Sinne von Edgar Schein verändert
werden. Dies erfordert eine reflexive
Auseinandersetzung mit der kulturellen
Tiefenstruktur des Unternehmens und
der Notwendigkeit von Veränderungen.
Diese Notwendigkeit ist jedoch nicht
hinreichend durch die unvermeidbare
Anpassung an äußere Zwänge begründ-
bar. Vielmehr muss ein Zusammenhang
zwischen Umwelterwartungen sowie
geteilten Werten und Überzeugungen
hergestellt werden, der auch eine mo-
ralische Legitimation umfasst. Dies ist
eine Grundvoraussetzung für die Glaub-
würdigkeit des Wandels nach innen und
außen. Wer derartige Veränderungspro-
zesse ausschließlich mit wirtschaftlichen
Erfolgskriterien begründet, setzt sich
dem Verdacht auswechselbarer Überzeu-
gungen aus. Sollen Werte und Überzeu-
gungen eine stabilisierende Funktion für
eine Organisation haben, dann müssen
diese auch „an sich“ begründet werden
und dürfen nicht ausschließlich instru-
mentellen Zwecken unterliegen. Ohne
eine Integration des Wandels in die geteil-
ten Werte und Überzeugungen und ohne
die Reflexion der Grundannahmen ist nur
eine Veränderung der „Oberfläche“ zu er-
warten. Ein Beispiel: In der Öffentlichkeit
wird befürwortet, dass männliche Mana-
ger Elternzeit in Anspruch nehmen, wäh-
rend bei der Personalauswahl und den
Die zentrale Frage lau-
tet: Sind Unternehmens-
kulturen überhaupt
geplant veränderbar?
Diese Frage lässt sich
nicht einfach bejahen
oder verneinen.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
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