PERSONALquarterly 3/2017 - page 31

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der. Diese sind seit jeher mindestens zu zwei Dritteln mit
Mitarbeitern besetzt, die bereits ihre Ausbildung bei dem
Kreditinstitut absolviert haben. Jährlich beginnen rund 40
Nachwuchskräfte ihre Ausbildung (Berufsausbildung und
duales Bachelorstudium) im Unternehmen, denen in der Re-
gel am Ende der Ausbildung auch allen ein Übernahmeange-
bot unterbreitet wird. Schlüsselpositionen können dadurch
mittel- bis langfristig primär intern besetzt werden. Hierbei
gestaltet sich der Stellenbesetzungsprozess derart, dass nach
der Genehmigung einer Stellenanforderung und anschlie-
ßender Stellenausschreibung im Intranet die eingehenden
internen Bewerbungen einer Vorauswahl durch die ausschrei-
bende Fach- sowie die Personalabteilung unterzogen werden.
Geeignet erscheinende Bewerber werden sodann zu einem
strukturierten Vorstellungsgespräch eingeladen, welches der
potenzielle Vorgesetzte (ggf. unter Hinzuziehung eines Ver-
treters des Personalbereichs) führt. Bei Stellen mit direktem
Kundenkontakt wird i.d.R. ein Rollenspiel als simulierte Ar-
beitsprobe in das Vorstellungsgespräch integriert. Im Jahr
2013 wurden 82 Stellen auf diese Weise intern ausgeschrie-
ben und besetzt, wobei sich insgesamt 190 Mitarbeiter hierauf
beworben haben. 2014 bewarben sich 162 Mitarbeiter auf
47 vakante Stellen und im ersten Halbjahr 2015 wurden 77
Bewerber für 17 Stellen registriert.
Um ein tieferes Verständnis für das subjektive Erleben der
jeweils Betroffenen zu erhalten, wurde ein qualitatives For-
schungsdesign gewählt. Da es sich bei der Beurteilung der or-
ganisationalen Gerechtigkeit um subjektive Wahrnehmungen
handelt, erfolgte die Datenerhebung mittels qualitativer Leit-
fadeninterviews mit Einzelpersonen, wobei sich der hierbei
verwendete Leitfaden (vgl. Abb. 1) an den Dimensionen orga-
nisationaler Gerechtigkeit (distributive, prozedurale und inter-
aktionale Gerechtigkeit) orientiert. Konzeptionelle Basis des
Leitfadens bildet Gillilands Modell der Auswahlgerechtigkeit
und das hieraus von Bauer et al. entwickelte Messinstrument
SPJS („Selection Procedural Justice Scale“; Bauer u.a., 2001).
Da die Interviews im Sommer 2015 durchgeführt wurden
und den Interviewpartnern das Erleben des Auswahlprozesses
noch möglichst präsent sein sollte, wurden als potenzielle In-
terviewpartner diejenigen Mitarbeiter definiert, die zwischen
Juni 2014 und April 2015 den Prozess der internen Personal-
auswahl durchlaufen haben. Um den Schutz der persönlichen
Daten der internen Bewerber gewährleisten zu können, wur-
den die betroffenenMitarbeiter von der Personalabteilung über
das Forschungsvorhaben informiert und um die Bereitschaft
zur Teilnahme an der Studie gebeten. Insgesamt acht Mitarbei-
ter, wovon drei bereits mehrfach interne Stellenbesetzungspro-
zesse komplett durchlaufen haben, erklärten sich daraufhin zu
einem Interview bereit (vgl. Abb. 2).
Hierbei wurden die Interviews zunächst aufgezeichnet und
anschließend transkribiert. Um die transkribierten Interviews
systematisch erschließen, verstehen und interpretieren zu kön-
nen, wurde eine inhaltliche Strukturierung im Rahmen einer
qualitativen Inhaltsanalyse vorgenommen. Das Zusammenstel-
len eines Kategoriensystems, das eine eindeutige Zuordnung
von Textpassagen ermöglicht, stellt nach Mayring das „Herz-
stück dieser Technik“ (2002, S. 118) dar. Hierfür wurden die im
Leitfaden definierten und in Tabelle 1 dargestellten Haupt- und
Subkategorien zugrunde gelegt. Der Prozess des Kodierens
wurde mithilfe der Software „MAXQDA“ durchgeführt. Nach
dem Prozess des Kodierens wurden thematische Zusammen-
fassungen erstellt, die der Auswertung und Ergebnisdarstel-
lung dienten und sich ebenfalls an den gebildeten Haupt- und
Subkategorien orientieren.
Distributive Gerechtigkeit der internen Personalauswahl
Zur Ermittlung des erlebten Ausmaßes an distributiver Ge-
rechtigkeit wurden zwei Kategorien gebildet (Abb. 1). Fünf
der acht Mitarbeiter (A, B, C, E und G) haben das Ergebnis
des von ihnen durchlaufenen Personalauswahlverfahrens als
gerecht empfunden (Subkategorie „Wahrnehmung Ergebnis“).
Der abgelehnte Bewerber B führte bspw. aus: „Also, ich finde
das Ergebnis schon gerecht. Also ich muss auch sagen, wenn
ich so vom Gefühl her die Entscheidung hätte treffen müssen,
hätte ich sogar die gleiche Entscheidung getroffen, da bin ich
ehrlich.“ Zwei Mitarbeiter hingegen haben die Auswahlent-
scheidung in distributiver Hinsicht als ungerecht erlebt und
ein Mitarbeiter enthält sich eines diesbezüglichen Urteils.
Übereinstimmend geben die Befragten an, dass die Wahr-
nehmung der distributiven Gerechtigkeit maßgeblich davon
abhängt, inwiefern die Auswahlentscheidung plausibel und
nachvollziehbar für die Bewerber ist (Subkategorie „Einflüsse
auf die Wahrnehmung“). „Ich muss ja das Ergebnis verstehen
können oder zumindest die Chance dazu haben“ (F). Die Nach-
vollziehbarkeit des Auswahlergebnisses ist demnach entschei-
dend für die wahrgenommene distributive Gerechtigkeit.
Prozedurale Gerechtigkeit der internen Personalauswahl
Zur mitarbeiterseitigen Wahrnehmung der prozeduralen Ge-
rechtigkeit wurden im Leitfaden vier Subkategorien gebildet,
die die Berufsbezogenheit sowie die Vorhersagekraft der Per-
sonalauswahl und die Möglichkeiten zur eigenen Präsentati-
on sowie die Konsistenz des Personalauswahlprozesses zum
Gegenstand haben (Abb. 1). Als Personalauswahlinstrument
nutzt das Kreditinstitut primär das strukturierte, anforde-
rungsbezogene Interview. Bei Stellen mit direktem Kunden-
kontakt (Kundenberaterstellen) wird i. d .R. zusätzlich ein
Rollenspiel als simulierte Arbeitsprobe in das Vorstellungsge-
spräch integriert.
Die Subkategorie „Berufsbezogenheit (Inhalt)“ erfasst das
Ausmaß, in dem das Auswahlinstrument auf die Stelleninhalte
bezogen ist. Hierbei fällt auf, dass insbesondere Bewerber auf
1...,21,22,23,24,25,26,27,28,29,30 32,33,34,35,36,37,38,39,40,41,...56
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