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PERSONALquarterly 03/17
NEUE FORSCHUNG
_GERECHTIGKEIT
O
b vakante Schlüsselpositionen vorrangig durch be-
reits im Unternehmen beschäftigte Mitarbeiter oder
externe Bewerber besetzt werden, ist eine strate-
gische Entscheidung im Rahmen des betrieblichen
Personalmanagements. Unternehmen mit einem internen Ar-
beitsmarktfokus, die also offene Schlüsselpositionen primär
unternehmensintern ausschreiben und besetzen, produzieren
hierbei regelmäßig Gewinner und Verlierer innerhalb der Be-
legschaft. Im Unterschied zur externen Personalbeschaffung,
bei der abgelehnte Bewerber weder vor noch nach Abschluss
der Stellenbesetzung in einem Arbeitsverhältnis mit dem Un-
ternehmen stehen, besteht die organisationale Mitgliedschaft
bei abgelehnten internen Bewerbern fort (Ford/Truxillo/Bauer,
2009). Hierbei hat die Nichtberücksichtigung möglicherweise
Einfluss auf die Einstellung des Mitarbeiters gegenüber seiner
Arbeit (Arbeitszufriedenheit) und seinem Arbeitgeber (Com-
mitment) – bis hin dazu, dass der Mitarbeiter seine erfolglose
Bewerbung gar zum Anlass einer Aufkündigung des Arbeits-
verhältnisses nimmt. Die Bindung abgelehnter interner Be-
werber und die Aufrechterhaltung ihrer Leistungsbereitschaft
stellt mithin eine personalwirtschaftliche Herausforderung
dar, der jedoch bislang kaum wissenschaftliche Aufmerksam-
keit geschenkt wurde.
In der Perspektive der organisationalen Gerechtigkeits-
forschung (Cropanzano/Ambrose, 2015) wird die Einstellung
und das Verhalten von Bewerbern maßgeblich davon beein-
flusst, inwiefern sie den Stellenbesetzungsprozess als gerecht
erlebt haben (Gilliland, 1993). Die hier vorgelegte Studie fo-
kussiert daher die organisationale Gerechtigkeit der internen
Personalauswahl. Sie hat das Ziel, das Ausmaß der mitarbeiter-
seitig wahrgenommenen Gerechtigkeit der Personalauswahl in
einem Unternehmen mit einem primär internen Arbeitsmarkt-
fokus zu ermitteln. Hierzu wurden leitfadengestützte Inter-
views mit Mitarbeitern eines auf den internen Arbeitsmarkt
fokussierten Kreditinstituts geführt, die den Prozess der inter-
nen Personalauswahl mit und ohne Erfolg durchlaufen haben.
Organisationale Gerechtigkeit als gedeutete Gerechtigkeit
Während die bereits in der Antike grundgelegten und ungleich
traditionsreicheren philosophischen Gerechtigkeitstheorien
Organisationale Gerechtigkeit
im Rahmen der internen Personalauswahl
Von
Denise Bross
und
Prof. Dr. Stefan Huf
(Duale Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart)
das Ziel verfolgen, Gerechtigkeitsnormen mit präskriptivem
Charakter inhaltlich zu bestimmen und zu begründen, beschäf-
tigt sich die sozialpsychologische Gerechtigkeitsforschung mit
den mitarbeiterseitigen Wahrnehmungen und Deutungen des
organisationsintern realisierten Ausmaßes an Gerechtigkeit
sowie den sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Mit-
arbeiterverhalten (Greenberg, 1990).
Um die Gerechtigkeitswahrnehmungen systematisch er-
fassen zu können, werden in der sozialpsychologischen
Gerechtigkeitsforschung drei Gerechtigkeitsdimensionen
unterschieden: distributive, prozedurale und interaktionale
Gerechtigkeit (Cropanzano/Bowen/Gilliland, 2007). Mitar-
beiter können nämlich zum einen die Gerechtigkeit der Ver-
teilungsergebnisse zum Gegenstand ihrer Deutung machen
(bezogen auf die Personalauswahl mithin das Ergebnis der
Auswahlentscheidung, also welcher Bewerber ausgewählt
wurde). Zum anderen kann sich die Bewertung der Fairness
auf die eingesetzten Verfahren beziehen, die zum Verteilungs-
ergebnis geführt haben (z.B. die verwendeten Instrumente
im Rahmen der Personalauswahl). Und schließlich kann sich
die Gerechtigkeitsdeutung auf die Behandlung durch die am
Entscheidungsprozess beteiligten Personen beziehen (z.B. den
Umgang von Führungskräften und Mitarbeitern der Personal-
abteilung mit Bewerbern). Mit anderen Worten: Gegenstand
der mitarbeiterseitigen Gerechtigkeitswahrnehmungen kön-
nen jegliche Managemententscheidungen sein, die zu interner
Ungleichheit (hinsichtlich Entgelt, Stellenbesetzungen, Karri-
ereperspektiven etc.) führen, weshalb sich die Gerechtigkeits-
deutung seitens der Mitarbeiter auf die Angemessenheit des
Entscheidungsergebnisses (distributive Gerechtigkeit), auf
die Angemessenheit des gewählten Entscheidungsverfahrens
(prozedurale Gerechtigkeit) und die Angemessenheit der Be-
handlung durch die Entscheidungsbeteiligten (interaktionale
Gerechtigkeit) beziehen kann.
Mit Greenberg (1993) kann die Kategorie interaktionale
Gerechtigkeit hierbei nochmals in informationale und inter-
personale Gerechtigkeit differenziert werden. Informationale
Gerechtigkeit bezieht sich demnach auf den Umfang und die
Qualität der von den Interaktionspartnern zur Verfügung
gestellten Informationen und interpersonale Gerechtigkeit