PERSONALquarterly 3/2017 - page 29

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03/17 PERSONALquarterly
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Wird die interne Personalauswahl von Mitarbeitern als gerecht erlebt?
Methodik:
Datenerhebung mittels leitfadengestützter Interviews mit internen Bewerbern
und Datenauswertung mittels qualitativer Inhaltsanalyse.
Praktische Implikationen:
Identifikation von Maßnahmen zur Erhöhung der distributiven,
prozeduralen und interaktionalen Gerechtigkeit der internen Personalauswahl.
Fünftens sollten sie ein angemessenes Feedback („feedback“)
und sechstens Erläuterungen hinsichtlich des Auswahlinstru-
ments („selection information“) erhalten. Die siebte Prozess-
regel bezieht sich auf das bewerberseitige Erleben hinsichtlich
der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Kommunikation („ho-
nesty“) und die achte Prozessregel, wie respektvoll und pro-
fessionell sich die Bewerber behandelt fühlen („interpersonal
effectiveness“). Zweiwegekommunikation fordert die neunte
Prozessregel und damit die bewerberseitige Möglichkeit, ei-
gene Sichtweisen innerhalb des Auswahlprozesses einbringen
und thematisieren zu können („two-way-communication“) und
schließlich sollten die Bewerber zehntens den Eindruck ha-
ben, dass ihnen vorurteilsfrei begegnet wird und sie anständig
behandelt und befragt werden („propriety of questions“) (Gil-
liland 1993, S. 701-714).
Welche Konsequenzen zeitigt nun die wahrgenommene
Auswahlgerechtigkeit bei den Bewerbern? Die bislang vorge-
legten Metaanalysen (Chapman u.a., 2005; Hausknecht/Day/
Thomas, 2004; Truxillo u.a., 2009) betonen übereinstimmend,
dass das Ausmaß an erlebter Auswahlgerechtigkeit insbeson-
dere die wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität beeinflusst,
d.h. das Ausmaß, in dem die organisationale Mitgliedschaft als
wünschenswert erachtet wird. Wenn die Personalauswahl als
ungerecht erlebt wird, sinkt die wahrgenommene Arbeitgeber­
attraktivität und mithin die Bereitschaft, ein Stellenangebot
anzunehmen, den Arbeitgeber anderen für eine Bewerbung zu
empfehlen und die Bereitschaft einer erneuten eigenen Bewer-
bung zu einem späteren Zeitpunkt. Mithin ist es im Interesse
des Arbeitgebers, ein hohes Maß an organisationaler Gerech-
tigkeit in der Personalauswahl zu realisieren. Dies gilt umso
mehr für Unternehmen, die bestrebt sind, ihre Schlüsselposi-
tionen intern zu besetzen, da die Verlierer der internen Perso-
nalauswahl Mitarbeiter des Unternehmens bleiben. Aufgrund
der Subjektivität des Konzepts organisationaler Gerechtigkeit
ist es hierbei unerlässlich, die Perspektive der Mitarbeiter ein-
zunehmen. Daher wird nachfolgend das Erleben der internen
Personalauswahl aus der Perspektive der Mitarbeiter eines
Kreditinstituts im Rahmen einer qualitativen Fallstudie nach-
vollzogen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie das praktizierte
Verfahren der internen Personalauswahl des untersuchten Kre-
darauf, wie sehr sich der Mitarbeiter durch die Interaktions-
partner respektiert und geachtet fühlt.
Wahrgenommene Gerechtigkeit der Personalauswahl
Die organisationspsychologische Auseinandersetzung mit der
betrieblichen Personalauswahl wird seit jeher klar durch eine
arbeitgeberseitige Perspektive dominiert, in deren Zentrum
insbesondere Bemühungen stehen, die Güte eignungsdiagnos-
tischer Verfahren zu erhöhen (Schuler, 2014). Der Perspekti-
ve der Bewerber hingegen wurde erst in den 1990er-Jahren
wissenschaftliche Aufmerksamkeit zuteil. Dieses Forschungs-
feld der bewerberseitigen Wahrnehmungen und Reaktionen
wurde insbesondere durch Gillilands „Modell der Auswahlge-
rechtigkeit“ begründet, das explizit an der organisationalen
Gerechtigkeitsperspektive anschließt (1993, S. 695-698) und
unübersehbar den stärksten Einfluss auf die in der Folgezeit
geführte fachwissenschaftliche Diskussion hatte (Truxillo/
Steiner/Gilliland, 2004).
Das Modell der Auswahlgerechtigkeit gelangt im Ergebnis
zu der Aussage, dass die Personalauswahl durch die Bewer-
ber dann als fair erlebt wird, wenn sowohl distributive als
auch prozedurale sowie interaktionale Gerechtigkeit gegeben
ist (Gilliland, 1993, S. 721). Besondere Aufmerksamkeit wird
hierbei der prozeduralen Gerechtigkeit geschenkt, weshalb
die zehn Prozessregeln des Modells als das Herzstück des
Konzepts betrachtet werden können (Truxillo/Bauer/McCar-
thy, 2015, S. 622-623): Demnach ist prozedurale Gerechtigkeit
gegeben, wenn Bewerber erstens den Eindruck haben, dass
das Auswahlinstrument einen hohen Anforderungsbezug zur
zu besetzenden Stelle aufweist („job relatedness“). Zweitens
sollten sie davon überzeugt sein, dass ihnen in angemessenem
Umfang die Möglichkeit gegeben wurde, ihr Wissen und Kön-
nen im Rahmen des Auswahlprozedere zu zeigen („chance to
perform“). Drittens sollten die Bewerber den Eindruck haben,
dass für sie die Möglichkeit besteht, die Auswahlentscheidung
kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls auf eine Revision
der Entscheidung drängen zu können („reconsideration op-
portunity“). Weiterhin sollten sie, viertens, davon überzeugt
sein, dass das Auswahlinstrument gleichförmig bei allen Be-
werbern eingesetzt wird („consistency of administration“).
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