DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 3/2017 - page 61

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Digitalisierungslandkarte
Ein Werkzeug für die Digitalisierung
Besserer Kundenservice, mehr Effizienz, Erschließung neuer Geschäftsfelder und damit Ausschöpfung
zusätzlicher Erlöspotenziale – die Digitalisierung ermöglicht ein hohes Wertschöpfungspotenzial für
Wohnungsunternehmen. Sie bietet den Unternehmen damit Möglichkeiten der Kosteneinsparungen und
Erlössteigerungen, die hier im Einzelnen vorgestellt werden.
In einer Studie von DMK Innovations und dem
FOG-Institut für Markt- und Sozialforschung aus
dem Jahr 20151 gaben 72% von 113 befragten
Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften
an, sich schon über die Frage Gedanken gemacht
zu haben, wie ein über das Kerngeschäft hinaus-
gehendes digitales Geschäftsmodell aussehen
könnte. Dennoch werden Digitalisierungspoten-
ziale in der Wohnungswirtschaft noch zu selten
genutzt. Von den 113 befragten Wohnungsun-
ternehmen verfügen 8% über keinerlei digitale
Strategie, der Großteil (58%) sieht sich durch die
Verwendung von digitalen Vertriebs- und Ver-
marktungskanälen bereits als digital.
Die Digitalisierungslandkarte
Bei der Digitalisierungslandkarte handelt es sich
um ein Werkzeug, das die Ritterwald Unterneh-
mensberatung entwickelt hat, um Digitalisie-
rungsziele zu erkennen und ihre Umsetzbarkeit
zu prüfen. Anhand dieser Landkartemisst man den
Status quo und zeigt Digitalisierungspotenziale
entlang der gesamten Wertschöpfungskette auf.
In der Wohnungswirtschaft besteht sie aus der
Komponente „Wohnungsunternehmen“, die die
Aspekte Verträge, Prozesse, Technologie sowie
Mitarbeiter abbildet, sowie aus den Komponenten
„Mieter“ und „Dienstleister“ (siehe Abbildung 1).
Die Digitalisierung interner Prozesse
Oft tun sich Unternehmen schwer damit, jahrelang
bewährte Prozesse und Strukturen zu verändern
oder neue Software und Hardware einzuführen.
Die Grundlage für die Digitalisierung interner
Prozesse ist dabei eine saubere und umfassende
Prozesserfassung. Die Erstellung einer Digitali-
sierungslandkarte erfordert daher zunächst eine
genaue Erfassung der internen Prozesse sowie
deren Bedeutung für das Unternehmen. Soweit
diese erfasst sind, ist der Grad der Digitalisierung
der internen Prozesse im nächsten Schritt zu be-
stimmen. Ein digitalisierter Prozess zeichnet sich
durch die Erfüllung der Kriterien Automatisierung,
Vernetzung, Datenspeicherung und Auswertung
aus. Anschließend können anhand von Hardware-,
Softwarelösungen und innovativen IT-Systemen
Digitalisierungsmöglichkeiten für noch nicht digi-
tale Prozesse und Strukturen aufgezeigt werden.
Dieses methodische Vorgehen garantiert eine
strukturierte Analyse. Interne Prozesse werden
über alle Unternehmensbereiche hinweg optimiert
und vereinfacht.
Digitalisierter Vermietungsprozess
Ein Beispiel für die Digitalisierung interner Pro-
zesse ist der Vermietungsprozess. Dieser teilt sich
in mehrere Unterprozesse und umfasst i. d. R. die
Erstellung und Veröffentlichung eines Exposés,
die Bearbeitung von Anfragen, die Auswahl po-
tenzieller Mieter, die Besichtigung der Wohnung
und letztendlich das Finden eines idealenMieters.
Häufig ist der Vermietungsprozess nur zum Teil
digitalisiert, vor- und nachgeschaltete Prozesse
sowie einzelne Unterprozesse finden üblicherwei-
se noch analog statt und sind folglichmit viel Auf-
wand verbunden. Eine typische Vermietung dauert
im Durchschnitt 20 bis 25 Arbeitsstunden und ist
verbunden mit 380 bis 420 € Personalkosten pro
Vermietung (in einer Stadt wie Berlin).
Mit digitalen Lösungen ist hier ein erheblicher Ef-
fizienzgewinn möglich. Um dies zu verifizieren,
muss zunächst nach passenden Digitalisierungs-
lösungen gesucht werden. Tatsächlich existiert am
Markt eine Vielzahl von Anbietern, die beispiels-
weise Matching-Lösungen für Wohnungsunter-
nehmen anbieten und so den Vermietungsprozess
digitalisieren – z. B. indem sie anhand eines vorab
definierten Profils die Wunschmieter finden und
auswählen. Dies spart Zeit und Aufwand auf Seiten
der Vermieter und der Kunden, da z. B. Mieter-
selbstauskünfte undMassenbesichtigungstermine
wegfallen.
Das Einführen eines digitalen Mietermatchings
kann den Vermietungsprozess von 20 bis 25 Ar-
beitsstunden pro Vermietung auf 7 bis 10 Arbeits-
stunden senken. Dies geht einher mit der Senkung
der Personalkosten von 380 bis 420 € auf 130 bis
170 € pro Vermietung - eine Einsparung von bis
zu 66%.
Digitalisierte Mieterkommunikation
Ein weiteres Beispiel ist die Digitalisierung der
Kommunikation mit dem Mieter. Hier erhält der
Mietermeistens Briefe von seinemVermieter (wie
etwa die Nebenkostenabrechnungen), oder der
Mieter ruft an, wenn er z. B. einen Schaden mel-
denmöchte. EinWohnungsunternehmenmit rund
10.000Wohnungen zahlt für die analoge und bis-
her dominierende Kommunikationmit demMieter
(Telefonie und Briefpost) ca. 310.000 € pro Jahr.
D. h., es fallen proWohnung und Jahr rund 31 € für
die Kommunikation an, davon 28 € für Telefonie
(Callcenter) und 2,85 € für den Briefverkehr.
Dr. Mathias Hain
Partner
Ritterwald Unternehmens-
beratung GmbH
Berlin
Holger Grüneberg
Project Manager
Ritterwald Unternehmens-
beratung GmbH
Berlin
1...,51,52,53,54,55,56,57,58,59,60 62,63,64,65,66,67,68,69,70,71,...84
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