Wirtschaft und Weiterbildung 5/2019 - page 27

wirtschaft + weiterbildung
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die kundenspezifisch von 3D-Druckern
hergestellt werden: Die Disruption eta­
blierter Geschäftsmodelle ist nicht auf die
IT begrenzt. Auch scheinbar etablierte
Branchen sind bedroht. Energieerzeu-
gung in dezentralen Kleinstanlagen statt
in Großkraftwerken, Mobilitätskonzepte
statt Autobesitz, Lieferdienst statt Anste-
hen an überfüllten Supermarktkassen –
die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
Das exponentielle Wachstum innovativer
Technologien macht es möglich, mit einer
Handvoll Leuten und einem innovativen
Algorithmus etablierte Platzhirsche zu
bedrohen. Mit der Verbreitung von künst-
licher Intelligenz wird das Disruptions­
karussell in Zukunft so richtig Fahrt auf-
nehmen.
Ein disruptiver Innovator hat eine la-
tente Marktnachfrage identifiziert, die
von etablierten Unternehmen entweder
nicht gesehen oder nicht bedient wird.
Die Innovation gewinnt mehr und mehr
Aufmerksamkeit, sodass sozusagen von
unten her der etablierte Markt angegrif-
fen wird. Wie im Beispiel von Nokia kann
das zum Untergang ganzer Geschäftsmo-
delle führen.
Wenn die Nachfrage nicht
gesehen wird ...
Disruption ist kein Donnerschlag, son-
dern ein Prozess. Allerdings kann dieser
Prozess dank technologischer Innovation
sehr schnell ablaufen. Die populäre Ant-
wort auf diese Bedrohungen ist wohlfeil.
„Agil“ ist das neue Zauberwort. Zäh-
flüssiges Projektmanagement soll durch
agile Methoden wie Scrum und Kanban
ersetzt werden, und zwar in jeder Ecke
des Unternehmens. Hierarchien abschaf-
fen. Führungskräfte werden Coachs.
Raus mit dem Muff, rein mit innovativen
Nerds und Change-Initiativen im Sekun-
dentakt. Das sind die besten Rezepte,
um den Change so richtig vor die Wand
zu fahren. Drei Gründe sprechen dafür,
gründlich nachzudenken, bevor man dem
Agilitäts-Hype hinterherrennt:
1.
Ein im Markt gut positioniertes Un-
ternehmen ist ja genau deshalb in einer
solchen Position, weil es erfolgreich ist.
Wie wir aus der Systemtheorie wissen,
kommt diese stabile Marktposition aus
der Fähigkeit, sich kontinuierlich selbst
zu erneuern. Stabilität gewinnen durch
Selbsterneuerung, das waren die Spiel-
regeln für den Unternehmenserfolg. In
der Disruption gelten andere Spielregeln,
nämlich das bewusste Angreifen dessen,
weswegen man als Unternehmen im
Markt erfolgreich ist. Die langjährigen
Markt-Champions haben Entscheidungs-
und Handlungsmuster entwickelt, die so
sehr Routine geworden sind, dass man
gar nicht mehr merkt, wie man so wurde,
wie man ist. Mit anderen Worten: Man
weiß nicht, wie man es geschafft hat,
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