Wirtschaft und Weiterbildung 5/2019 - page 25

wirtschaft + weiterbildung
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benden Angriff auf das Wahrheits- und
Wirklichkeitsempfinden nicht nur seiner
Anhänger, sondern der gesamten Bevöl-
kerung dar, betont der Psychologe und
Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirt: „Er
erfindet die Wirklichkeit, wie sie ihm
passt und terrorisiert die Welt mit seinen
Twitter-Salven.“ Die Traumatherapeutin
Betty P. Teng berichtet, dass Psychothe-
rapeuten nach der Wahl von Trump zum
US-Präsidenten von einer zunehmenden
Zahl von Klienten mit starker Angst auf-
grund der Twitter-Flut und der impulsi-
ven Handlungen Trumps berichteten.
Denn sie führe dazu, dass die Menschen
nicht mehr abschalten, nachdenken und
sich ihre eigene Meinung bilden könnten.
Die „Gefahr“ kommt von den
inneren Feinden
Dazu komme Trumps ständiger Kampf-
Modus. „Je psychotischer ein Mensch
mit einer narzisstischen Persönlichkeits-
störung wird, desto mehr versucht er die
anderen zu überzeugen, dass sie die Ver-
rückten sind und die Realität nicht mehr
richtig wahrnehmen“, schreibt Craig Mal-
kin, Psychologe und Autor des Buches
„Der Narzissten-Test“. Dabei gerieten sie
immer tiefer in eine psychotische Spirale,
sobald sie mit der Wahrheit konfrontiert
werden, dass sie doch nicht so besonders
sind, wie sie glauben. Narzissten könnten
sich niemals eingestehen, wie verletzlich
und unsicher sie seien. Und weil das Ge-
fühl einer drohenden Gefahr nicht von
außen, sondern von innen komme, müss-
ten sie ihre mutmaßlichen Feinde immer
stärker attackieren, damit sie sich wieder
sicher fühlen könnten.
Trump „spiegelt“ zum Teil die
kollektive Psyche Amerikas
Der Psychologe John D. Gartner
beschäftigt sich in seinem Kapitel
mit dem bösartigen Narzissmus, der
schwersten Form der Pathologie, die der
Psychiater Otto Kernberg anhand von vier
Komponenten definierte: narzisstische
Persönlichkeitsstörung, antisoziales
Verhalten, paranoide Charakterzüge und
Sadismus – Merkmale, die sich auch bei
Trump beobachten lassen. Menschen mit
einer antisozialen Störung lügen, beuten
andere aus und verletzen ihre Rechte,
ohne Gewissensbisse oder Empathie für
ihre Opfer zu empfinden.
Bösartiger Narzissmus habe mit norma-
lem Narzissmus so viel zu tun wie ein
gutartiger mit einem bösartigen Tumor,
schreibt Gartner. Bösartige Tumore träten
seltener auf und seien viel gefährlicher,
meist führten sie zum Tod. Thomas Sin-
ger, Psychiater und Psychoanalytiker in
San Francisco, analysiert die Schnittstelle
zwischen Trump und der Kollektivpsyche
Amerikas. „In mancher Hinsicht spiegelt
Trump unsere kollektive Aufmerksam-
keitsstörung, unsere Soziopathie und
unseren Narzissmus wider, ja verstärkt
diesen sogar“, schreibt er. Er attestiert
der amerikanischen Gesellschaft eine
kollektive Unfähigkeit, die Illusion von
der Wirklichkeit zu unterscheiden. Dazu
käme der Prominentenkult, bei dem nie-
mand irgendeinen Wert besitze, der „über
seine Erscheinung, Nützlichkeit oder Fä-
higkeit zum Erfolg hinausgeht“. In Ame-
rika könne man alles tun, um Geld zu
verdienen, glücklich zu sein und berühmt
zu werden. Trumps Narzissmus lasse sich
daher als vollkommener Kompensations-
spiegel für die narzisstischen Bedürfnisse
und Verletzungen derjenigen verstehen,
die sich als Verlierer sehen. Durch die
Identifikation mit seiner Größe könnten
sie ihren verwundeten amerikanischen
Traum zu neuem Leben erwecken.
„Die Verwüstungen sind nicht
zu unterschätzen“
Doch auch wenn Trumps Erfolg viel mit
der amerikanischen Geschichte und Psy-
che zu tun haben mag, das Verständnis
der psychologischen Zusammenhänge
kann helfen, den heute noch nicht abzu-
sehenden langfristigen Einfluss Trumps
auf das gesellschaftspolitische Denken
weltweit zu verstehen. Hans-Jürgen
Wirth fasst das so zusammen: „Die psy-
chokulturellen Verwüstungen, die ein
solches destruktives und letztlich auch
selbstdestruktives Menschenbild auslöst,
sind nicht zu unterschätzen.“
Um die Frage, ob jemand mit einer psy-
chischen Erkrankung doch irgendwie
funktionieren und regieren könne, zu
beantworten, muss man die mögliche
Gefahr, die von ihm ausgeht (für sich
selbst oder für andere) genau beurtei-
len, sagt Craig Malkin. Die Kombination
von pathologischem Narzissmus und
Politik könne leider zu einer giftigen, ja
tödlichen Mischung werden. Wenn der
Frieden im eigenen Land und in ande-
ren Ländern auf dem Spiel stehe – nicht
nur die Gefühle von Kollegen, Freunden
oder Partnern –, könnte ein ungezähmter
pathologischer Narzissmus zum Dritten
Weltkrieg führen. Malkin: „Wie wir an
Präsident Nixon gesehen haben, besteht
die größte Gefahr darin, dass Personen,
die an pathologischem Narzissmus lei-
den, auf subtile Weise den Kontakt mit
der Realität verlieren, was im Laufe der
Zeit extrem gefährlich werden kann.“
Bärbel Schwertfeger
Time Magazine.
Die US-Zeitschrift zeigt
einen strahlenden Donald Trump, dem
seine Widersacher (Stichwort: „Russland-
affäre“) offenbar nicht wirklich gefährlich
werden können.
Buchtipp.
Brandy X. Lee: „Wie gefährlich ist
Donald Trump?“, Psychosozial Verlag,
Gießen 2018, 385 Seiten, 32,90 Euro.
27 Psychiater/Psychologen beurteilen das
Verhalten unter Gefährlichkeitsaspekten.
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