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wirtschaft + weiterbildung
01_2018
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Wer regelmäßig zur „Learntec“ kommt,
fragt sich zuerst, welcher namhafte E-
Learning-Guru als Keynote Speaker ver-
pflichtet werden konnte. Diesmal kommt
die Rolle des Kongresshighlights dem Bri-
ten Charles Jennings zu. Am 30. Januar
wird er zum Thema „Exploiting Learning
in the Workplace: informal learning and
the 70-20-10-model“ sprechen. Wie un-
schwer zu erraten ist, ist Jennings der
herausragende Vertreter eines modernen
70-20-10-Modells, das die Bedeutung des
informellen Lernens für die Unternehmen
herausstellt.
Die Zahlen stehen für drei unterschiedli-
che Lernformen: Die „70“ steht für Ler-
nen durch Arbeit, Erfahrungen, Praxis
und Reflexion. Die „20“ steht für Lernen
von und mit anderen wie etwa Kollegen,
Vorgesetzten, Leistungsträgern oder Mit-
gliedern von Communities. Die „10“ ist
das formelle Lernen in den traditionellen
Seminaren. Für Jennings ist informelles
Lernen am Arbeitsplatz wichtiger ist als
formelles Lernen. Je näher das Lernen am
Arbeitsplatz stattfinde, desto effektiver
sei es. Für Jennings steht die Personal-
entwicklung vor einem Rollenwechsel,
weil sie intensiver in den produktiven
Arbeitsprozess eingreifen muss als je-
mals zuvor. Bislang beschäftigte man
sich im Unternehmen vor allem damit,
Seminare und Trainings zu entwickeln.
In einer neuen Rolle könnte es für die
Personalentwickler jetzt darum gehen,
den Arbeitsplatz zugleich als Lernort zu
sehen und Möglichkeiten zu schaffen,
das Lernen genau dort zu ermöglichen.
Denn gerade weil Mitarbeiter vor allem
durch Erfahrung lernen, brauchen sie
während der Arbeit auch genügend Zeit
zum Reflektieren und Ausprobieren von
neuen Methoden.
Charles Jennings:
„From Course to Resource“
Laut Jennings planen zu viele Unterneh-
men ihre Personalentwicklung immer
noch mit einer „kurszentrierten Mentali-
tät“, wo der Stoff in Kurse, Programme
und Curricula gepackt werde. Anschlie-
ßend versuche man den Transfererfolg
zu messen. „Wir können nicht wirklich
Wissen transferieren. Man kann anderen
helfen, ihr eigenes Wissen aufzubauen,
aber Wissen ist kein Eimer, den man wei-
terreicht“, erklärt Jennings. „Das Wissen
von Leistungsträgern ist größtenteils im-
plizit. Es kann demnach nicht erfasst und
verpackt werden.“ Die Personaler sollten
ihr Denken und Handeln weniger dem
Wissenstransfer widmen als vielmehr der
Unterstützung von Mitarbeitern bei deren
täglichen Arbeitsabläufen. Jennings
nennt diese Verlagerung „From Course to
Resource“.
Wie sollten Arbeitsplätze strukturiert
und gestaltet werden, um ein effektives
Lernen zu unterstützen? Als Erstes muss
man laut Jennings an der Lernkultur der
Organisation arbeiten. Ein Beispiel sei
das Lernen aus Irrtümern und Fehlern.
Die Luftfahrt beispielsweise sei deutlich
sicherer als die Medizin, denn sie pflege
eine Kultur, aus Fehlern zu lernen. Wenn
Piloten einen Fehler machten, berichteten
sie darüber, denn sie seien gesetzlich vor
einer Entlassung geschützt. Die Fluglinien
teilten ihre Erkenntnisse mit anderen, so-
dass jeder davon profitiere.
Am schwierigsten ist es immer noch,
Lernprozesse in die Geschäftsprozesse
zu integrieren, ohne die Arbeitsabläufe
Fotos: KMK / Behrendt und Rausch
Learntec.
257 Aussteller
(plus zehn Prozent)
kamen im Jahr
2017 zur 25. Learn-
tec nach Karlsruhe.