Wirtschaft und Weiterbildung 1/2018 - page 57

wirtschaft + weiterbildung
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des Humors zu überstehen. So löste bei
ihm die Frage eines Freundes, ob bei ihm
noch „die Chemie stimme“, wohltuende
Erheiterung aus. Seine Chemotherapie
erschien dem Clown plötzlich in einem
anderen Licht.
Übung gegen Perfektionismus
Konkret erlebten die Teilnehmer „die be-
freiende Wirkung des bewussten Schei-
terns“ während eines Vortrags des Psy-
chotherapeuten Dr. Franz Dumbs, der
im Coaching und der Therapie Humor
gezielt als Werkzeug einsetzt. Im Rah-
men einer Partnerarbeit sollte jeder das
Porträt seines Sitznachbarn zeichnen
– eine Anweisung, die bei den meisten
Teilnehmern sofort das ungute Gefühl
von Überforderung auslöste. Teil der
Aufgabe war jedoch, dass derjenige, der
porträtiert wurde, dem Zeichner eine Ab-
deckung über den Zeichenblock hielt,
sodass dieser nicht sehen konnte, was er
zu Papier brachte. Mit dieser zusätzlichen
Anweisung war jedem Perfektionismus
von vornherein der Boden entzogen. Die
Teilnehmer entspannten sich augenblick-
lich und konnten diese Aufgabe lustvoll
scheiternd genießen.
Jan-Rüdiger Vogler, systemischer Coach
und Inhaber des Instituts „Rollenwexel“
in Hamburg, nutzt Humor gezielt als Mit-
tel, um Widerstandsfähigkeit, Konfliktfä-
higkeit und Lebenszufriedenheit seiner
Klienten zu stärken. „Je mehr ich mich
mit dem Humorthema beschäftigte, desto
klarer wurde mir, welches Potenzial darin
liegt“, so Vogler. „Humor hat dieses Ver-
bindende. In der Regel führt es dazu, dass
Menschen besser miteinander arbeiten.
Auf der anderen Seite hat Humor einen
beschützenden Charakter. Das heißt, dass
man mit Humor eine Distanz zu Proble-
men bekommt. Gerade auch bei Men-
schen, die perfektionistisch veranlagt
sind, kann Humor es ermöglichen, ein
Stück zurückzutreten und dabei festzu-
stellen, dass manchmal etwas gar nicht
so wichtig ist oder dass das Problem sich
auf andere Weise lösen lässt.“ Humorvoll
zu agieren, bedeute letztlich, sich selbst
kontrollieren zu können.
Verena Scholpp
Kaum zu glauben: Im vergangenen Jahr
konnte der „Basler Humorkongress“ auf
eine über 20-jährige Tradition zurückbli-
cken. Eine Veranstaltung, die sich der Ge-
lotologie, der Wissenschaft des Lachens,
widmete, war damals eine echte Innova-
tion. Namhafte Experten wie der ameri-
kanische Kommunikationswissenschaft-
ler, Konstruktivist der ersten Stunde und
Psychotherapeut Paul Watzlawick kamen
zum Start in die Schweiz und sorgten mit
klugen Reden für Aufmerksamkeit.
Auf dem jüngsten Kongress präsentierte
Dr. Jenny Hofmann, Oberassistentin am
Psychologischen Institut der Universität
Zürich, neueste Erkenntnisse zum Thema
„Wie Humor als Ressource genutzt wer-
den kann“. Wie aktuelle Forschungser-
gebnisse der Universität Zürich zeigen,
trägt der Sinn für Humor zu einem posi-
tiven Erleben, zu Stressbewältigung und
zu einer gesteigerten Beziehungsfähig-
keit bei. Die frohe Botschaft: Der Sinn für
Humor kann trainiert werden. Nicht jedes
Lachen hat per se eine positive Wirkung,
sondern es muss eine echte Freude hin-
ter dem Lachen stehen. Je nach persönli-
chem Temperament gibt es laut Hofmann
durchaus Unterschiede. So lassen sich
extravertierte Menschen deutlich leich-
ter erheitern, während eher introvertierte
Personen besonders von Humortrainings
profitieren könnten. Ein höherer Grad an
Heiterkeit, so die Uni Zürich, korreliert
mit einer erhöhten Stressresilienz und
einer höheren Zufriedenheit bezüglich
Beziehungsfähigkeit und sozialer Einbin-
dung.
Thomas Leuenberger, ein Clown des Cir-
cus Roncalli, war einer der heimlichen
Stars des Kongresses. In einem sehr per-
sönlichen Beitrag schilderte er, wie es ihm
gelang, eine Krebsbehandlung mithilfe
Lustvoll scheitern
RÜCKBLICK.
Ende 2017 fand in der Schweiz der letztjährige „Basler Humorkongress“
statt. Experten tauschten sich über neueste Forschungsergebnisse aus und diskutierten,
wie Humor als Ressource in unterschiedlichsten privaten und beruflichen Feldern genutzt
werden kann.
Gruppenbild mit
Luftballon.
Rund
180 Teilnehmer
kamen nach Basel,
um 26 Referenten
zu lauschen.
Foto: Scholpp
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